Medienmitteilung von Sosf zum EU Migrations- und Asylpakt

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Protest gegen den Pakt im EU-Parlament

Am Mittwoch, 10. April 2024, stimmte das Europäische Parlament der grössten Asyl-Reform in der Geschichte der EU zu. Solidarité sans frontières kritisiert die Verabschiedung des Migrations- und Asylpakts, der aus folgenden Gründen den Zugang zum Recht auf Asyl de facto abschaffen wird:

 

– Asylsuchende werden neu in Lagern an der Aussengrenze festgehalten; ihre Asyl-Schnellverfahren finden im rechtsfreien Raum statt («Fiktion der Nicht-Einreise»).

 

– Durch verschärfte Zulässigkeitsprüfungen wird vielen Geflüchteten der Zugang zu rechtsstaatlichen Asylverfahren ganz verwehrt; ihnen drohen direkte Rückschiebungen in unsichere Drittstaaten wie die Türkei, Bosnien, Serbien oder Tunesien.

 

– Der sog. Solidaritätsmechanismus ist zu einem Ablasshandel verkommen, mit dem sich migrationsfeindliche Staaten von ihren rechtlichen Verpflichtungen freikaufen können.

 

– Das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) wird zu einem Gemeinsamen Europäischen Abschottungssystem; die Hoffnung auf eine solidarische europäische Asylpolitik wird aufgegeben.

 

Simon Noori, Politischer Sekretär und Co-Geschäftsleiter von Sosf: «Die Reform beruht auf dem Irrglauben, dass sich Flucht und Migration durch noch mehr Entrechtung und Gewalt tatsächlich aufhalten lassen. Stattdessen wird die Reform zu noch mehr Leid und Elend an Europas Grenzen führen, weil sich die Menschen trotzdem auf den Weg machen werden.»

 

Als Weiterentwicklung des Schengen-/Dublin-Besitzstandes wirkt sich ein grosser Teil der Reform auch auf die Schweiz aus:

 

– Die Reform zementiert und verschärft die menschenverachtenden Dublin-Regeln und wird zu noch mehr Ausschaffungen führen.

 

– Die neue Screening-Verordnung und die Ausweitung der EURODAC-Datenbank öffnet Racial Profiling in der alltäglichen Polizeiarbeit Tür und Tor.

 

– Der Solidaritätsmechanismus ist für die Schweiz nicht verpflichtend; sie profitiert also, ohne ihrer Verantwortung gerecht zu werden.

 

Sophie Guignard, Politische Sekretärin und Co-Geschäftsleiterin von Sosf: «Schon heute werden Menschen innerhalb Europas in Länder zurückgeschoben, in denen sie geschlagen, misshandelt und ihrer Rechte beraubt wurden. Durch die neue Asyl- und Migrationsmanagementverordnung, die den Dublin-Verschiebebahnhof weiter verschärft, werden noch mehr Menschen von diesem Unrecht betroffen sein, erstmals sogar auch unbegleitete minderjährige Asylsuchende.»

 

Solidarité sans frontières fordert den Bundesrat, die Parteien und alle Organisationen aus dem Asylbereich auf, anzuerkennen, dass die Reform weder mit der Genfer Flüchtlingskonvention noch mit der humanitären Tradition der Schweiz in Einklang zu bringen ist. Sollte die Schweiz sie dennoch übernehmen, muss ein Referendum ernsthaft in Erwägung gezogen werden.