« Man kann nicht in einer Gesellschaft ohne Solidarität leben»
Seit dem 1. Juli 2016 steht David Payot (37) der Direktion für Kinder, Jugend und Quartiere vor. Er ist trotzdem bescheiden geblieben und will keineswegs die Werte von sozialer Gerechtigkeit und Solidarität aufgeben, die er in seiner Wahlkampagne vertreten hat. Sein Engagement im Flüchtlingsbereich begann vor ungefähr fünfzehn Jahren mit der Bewegung «en quatre ans on prend racine» und später der «Bewegung der 523». Das waren wichtige Momente im Leben des jungen Aktivisten, der die Verbindung von politischen Aktionen mit konkreter Hilfe stets geschätzt hat.
Seit seiner Wahl in den Lausanner Gemeinderat hat er eine andere Rolle inne, auch wenn seine Absichten unverändert bestehen bleiben. «Es gibt in meiner Direktion mehrere Dossiers, die einen Bezug zur Asyl- und Ausländerpolitik haben. Lausanne ist einer der Orte in der Schweiz, wo es am meisten unbegleitete Minderjährige gibt, was besondere Anforderungen an ihre Lebensbedingungen und Ausbildung stellt. Aber wir begegnen diesem Thema auch in den Quartieren, wo Asylsuchende und allenfalls auch Personen mit Nothilfe leben, die oft keine Mittel haben, um sich frei in der Stadt zu bewegen und die von den NachbarInnen möglicherweise schräg angeschaut werden. Um bei diesen Fragen voran zu kommen, ist es für ein Mitglied der Exekutive grundlegend, vor Ort zu sein und eine Politik der Nähe und der Mitwirkung aller EinwohnerInnen zu betreiben.»
Im September erregte David Payot Aufsehen mit seiner Teilnahme an einer Pressekonferenz des Collectif R nach den Hausdurchsuchungen bei PatInnen der von Rückschaffung bedrohten Asylsuchenden. Als ehemaliger Pate eines Migranten erklärte er den Medien, dass er, wenn er angefragt würde, durchaus bereit wäre, einen Flüchtling bei sich aufzunehmen und ihn dadurch zu schützen. Diese Erklärung liess die Rechte an die Decke gehen: Die SVP verlangte seine Suspendierung, und einige Mitglieder der Jungen SVP erstatteten sogar Strafanzeige gegen ihn. Die Reaktion Payots? «Ich habe den Eindruck, dass sowohl die Gratulationen wie die Kritiken etwas überrissen waren in Anbetracht meines Redebeitrags. Wenn man in der Exekutive sitzt, so repräsentiert man seine Stadt, aber man ist auch der Gewählte einer Liste und eines Programms. Die Rolle eines Exekutivpolitikers ist es, das Gesetz zu vollziehen, aber auch dafür zu sorgen, dass der Sinn eines Gesetzes respektiert wird und eine gewisse öffentliche und soziale Ordnung in positivem Sinn herrscht, damit die Gesellschaft funktionieren kann.» Über den Ausgang der Strafanzeige sagt David Payot nicht ohne einen Anflug von Humor, «die Frage ist zu klären, ob ich dem illegalen Aufenthalt von illegalen Personen im Sinn von Art. 116 des Ausländergesetzes Vorschub geleistet habe. Ich selber meine, dass ich eher versucht habe, ihnen einen legalen Aufenthalt zu ermöglichen.»
In Zukunft will sich David Payot weiterhin für eine Politik der Eingliederung einsetzen, insbesondere im Bereich der Schulen und Quartiere. Denn «als Mitglied der Exekutive handelt man ja nicht allein. Es gibt einerseits das Parlament, andererseits die Bürgerbewegungen. Viele Menschen wollen sich für soziale Gerechtigkeit und eine solidarische Welt einsetzen. Zum Glück, denn ohne Gerechtigkeit und Solidarität gibt es kein gesellschaftliches Miteinander.»
- Autorin: Amanda Ioset
- «Portrait: David Payot» ist im Bulletin 04/16 von Solidarité sans frontières zu finden.