Europäische Migrations(verhinderungs)aussenpolitik
With a little help from my friends?
Um ihre Aussengrenzen abzudichten und Geflüchtete und MigrantInnen zurückzuschaffen, braucht die EU die Hilfe von Transit- und Herkunftsstaaten, mit denen man derzeit hektische Konsultationen an den Tag legt.
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel aber auch die EU-Kommission haben in den vergangenen Monaten ständig bekundet, dass der Deal mit der Türkei Vorbild für ähnliche Verträge mit anderen Ländern sein müsse. Ein besonderes Augenmerk hat die EU dabei auf Ägypten geworfen, das hinter Libyen zum zweitwichtigsten Ausgangspunkt für MigrantInnen, die das Mittelmeer Richtung Italien überqueren, geworden ist. Die ägyptische Küstenwache fängt schon heute viele Flüchtlingsboote vor der Überfahrt ab. Anfang Oktober weilte der ägyptische Aussenminister zu entsprechenden Verhandlungen in Österreich. Mit Tunesien startete die EU am 12. Oktober Verhandlungen über ein erneuertes Rückübernahmeabkommen, das mit Visa-Erleichterungen für TunesierInnen versüsst werden soll. Die tunesischen Sicherheitskräfte erhalten unter anderem Unterstützung aus Deutschland.
Neue Partnerschaften in Afrika
Im Juni präsentierte die EU-Kommission eine Mitteilung über einen «neuen Partnerschaftsrahmen» im Migrationsbereich, im Oktober erschien ein erster «Fortschrittsbericht». Als «prioritäre Länder» hat man sich fünf afrikanische Staaten ausgesucht: Äthiopien, Mali, Niger, Nigeria und Senegal. Dabei geht es nicht nur um Rückübernahmeabkommen, sondern auch um die Stationierung von VerbindungsbeamtInnen und um Koordinationsgremien, um technische Ausrüstungen für die Grenzpolizeien, um Aktionspläne gegen «Schleuser» und um «Identifizierungsmissionen», d.h. um Behörden- und Polizeidelegationen, die die für Ausschaffungen nötigen Papiere ausstellen sollen. In Mali und Niger ist die EU bereits mit militärischen Missionen präsent, die nun auch migrationspolitische Aufgaben übernehmen. Entwicklungspolitische Brosamen sollen die Kooperationsbereitschaft der Staaten steigern.
In Dokumenten vom Dezember 2015 waren auch der Sudan und Eritrea als mögliche Partner eines «verbesserten Migrationsmanagements» aufgeführt. Die EU erwog unter anderem die Lieferung von Fahrzeugen, Ausrüstungen und gegebenenfalls sogar Flugzeugen für die sudanesischen Sicherheits- und Grenzbehörden und ein «Capacity Building» für eritreische Richter. Italien schloss unterdessen ein geheimes Rückübernahmeabkommen mit der sudanesischen Regierung. Der Schengen-Staat Schweiz, der 2015 für das EU-Asylunterstützungsbüro einen ausserordentlich kritischen Bericht zur Lage in Eritrea vorgelegt hatte, relativierte seine damaligen Einsichten mittlerweile. Das SEM verfasst jetzt reihenweise Entscheide, die EritreerInnen selbst die vorläufige Aufnahme verwehren.
Friedliches Afghanistan
Rund 260 000 afghanische Flüchtlinge haben es 2015 nach Europa geschafft. Mindestens 80 000 will die EU in den kommenden zwei Jahren zurückschaffen – entweder «freiwillig» oder in von Frontex organisierten Sonderflügen. Am Rande einer internationalen Geberkonferenz Anfang Oktober in Brüssel wurde die afghanische Regierung genötigt, eine entsprechende Vereinbarung mit der EU zu unterschreiben. Für die Sonderflüge soll gegebenenfalls ein spezielles Terminal auf dem Flughafen Kabul entstehen.
Den Krieg in Afghanistan kann Europa mittlerweile verdrängen, den in Syrien derzeit noch nicht. Der Deal mit der Türkei ist eines der Mittel, um syrische Flüchtlinge fernzuhalten. Die es bisher geschafft haben, können in Deutschland nur noch mit «subsidiärem Schutz» rechnen. Für diese vorläufig Aufgenommenen hat man durch eine Asylrechtsänderung im vergangenen Oktober den Familiennachzug eingeschränkt. So einfach geht das.
- Autor: Heiner Busch.
- «With a little help from my friends?» ist im Bulletin 04/16 von Solidarité sans frontières zu finden.