Schutz der Schweizer Landesgrenzen (23.4448), Intensivierung der Grenzkontrollen (25.3021 und 25.3026), Zurückweisung von Asylsuchenden, die sichere Drittstaaten durchquert haben (24.4318 und 24.4321), Transitzentren zur Durchführung sämtlicher Asylverfahren (24.3516): Die vermeintliche Steuerbarkeit von Flucht und Migration durch das Machtinstrument Grenze wird auch in der Frühjahrssession erneut im Zentrum der asylpolitischen Parlamentsdebatten stehen.
In zwei von der SVP beantragten ausserordentlichen Sessionen zu «Asyl und Souveränität» kulminieren am 10. und 13. März diverse Motionen, mit denen die SVP ihren Kampf gegen das Recht auf Asyl an die Grenze verlagert hat (siehe auch die früheren Sosf-Analysen hier, hier und hier).
Vergleichbare Motionen, mit denen sie den Zugang zu Asylverfahren de facto abschaffen will, scheiterten bisher entweder in den Kommissionen (siehe z.B. 23.2048 oder 23.4534) oder spätestens im Erstrat (siehe z.B. 22.4398, 23.3193 oder 24.3056). Angesichts zunehmender Grenzkontrollen im Schengenraum und einer drohenden Kettenreaktion quer durch Europa, scheint es der SVP nun aber zu gelingen, zumindest einen Teil ihrer Forderungen durchzusetzen.
Steter Tropfen höhlt den Stein
Die Staatspolitische Kommission des Ständerates nahm in ihrer Sitzung vom 11. Februar einstimmig eine Kommissionsmotion zur «Intensivierung der Grenzkontrollen an der Schweizer Landesgrenze» (25.3021) an. Damit reagiert die SPK-S vor allem auf die verfassungs- und europarechtswidrige Motion «Schutz der Schweizer Landesgrenzen» (23.4448) von Ex-SVP-Präsident Marco Chiesa, die neben Zurückweisungen von Geflüchteten auch systematische Kontrollen der Schweizer Grenzen forderte.
Die Kommission teilt die Sorge des Motionärs «über die illegale Einwanderung». Anders als Ständerat Chiesa fordert die SPK-S aber keine systematischen Kontrollen und auch keine Zurückweisung von Asylsuchenden, wenn diese einen sog. sicheren Drittstaaten durchquert haben. Stattdessen beschränkt sie sich auf die schwammige Forderung nach einer «Intensivierung der Grenzkontrollen», wie sie die Schweiz im Jahr 2024 auch anlässlich der Fussball-Europameisterschaft in Deutschland und der Olympischen Spiele in Paris vorgenommen hatte.
Ziel des Kommissionsvorstosses sei es, das «subjektive Sicherheitsempfinden der Bevölkerung» zu erhöhen. Das jahrelange SVP-Gerede vom «Asyl-Chaos» und einem «Kontrollverlust an den Grenzen» beginnt also Wirkung zu zeigen. Dennoch handelt es sich auch bei dieser Kompromissmotion um nichts anderes als um Symbolpolitik. Und das aus drei Gründen:
Rechtlich fragwürdig
Da die Schweiz nicht der EU angehört und damit auch kein Teil der Zollunion ist, darf sie anders als die Schengen- und EU-Vollmitglieder zwar verdachtsunabhängige Kontrollen an ihren Landesgrenzen durchführen. Auch können die Zoll- und Grenzschutzbehörden ausländerrechtliche Wegweisungsverfügungen aussprechen. Letztere müssen allerdings von den kantonalen Migrationsbehörden ausgeführt werden, weswegen eine direkte Rückweisung an den Landesgrenzen ausgeschlossen ist. Die von der Kommissionsmotion suggerierte Möglichkeit, «Personen ohne gültigen [sic!] Aufenthaltsberechtigung die Einreise zu verunmöglichen» ist also schon allein rechtlich eine Nebelkerze.
Dementsprechend weist der Bundesrat in seiner Antwort auf die Kommissionsmotion auch süffisant darauf hin, dass er sich bei einer Annahme der Motion an den Schengener Grenzkodex und das Non-Refoulement-Gebot gebunden fühlt – ein untrügliches Zeichen, dass sich am Status quo nichts ändern würde und es sich bei allen weitergehenden Forderungen der SVP um einen Bruch mit internationalem und EU-Recht handeln würde.
Praktisch wirkungslos
Aber auch praktisch wird die geforderte Verstärkung der Grenzkontrollen nicht zu einem Rückgang von undokumentierten Grenzübertritten führen. Bereits während der intensiveren Kontrollen im Sommer 2024 lag die Zahl der aufgegriffenen Geflüchteten deutlich unter den Zahlen des Vorjahres. Das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) sprach gar davon, dass die zeitlich befristeten zusätzlichen Kontrollen an den Grenzen «mit Blick auf die irreguläre Migration […] keinen Effekt hatten».
Angesichts der neuerlichen Vorstösse des Parlaments berichtete die NZZ unter dem Titel «Nicht bezifferbarer, nach oben offener Personalausbau» kürzlich über ein internes Papier von BAZG und SEM, das diese im Auftrag der SPK ausgearbeitet haben. Beide Behörden kommen darin zum Schluss, dass auch intensivierte Grenzkontrollen die Transitreisen durch die Schweiz nicht verhindern würden. Stattdessen würde eine solche Massnahme lediglich dazu führen, «dass es danach weniger Migrantinnen und Migranten gibt, gegen welche noch keine Wegweisungsverfügung erlassen wurde».
Die Kosten würden allerdings trotzdem explodieren: Mit 7.6 Millionen Franken beziffert das BAZG allein die Personalkosten für je eine zusätzliche Patrouille auf allen vier Hauptmigrationsrouten durch die Schweiz, und mit mindestens 17.6 Millionen Franken derer drei (siehe NZZ vom 26.02.2025). Wohlgemerkt für eine Massnahme, durch die selbst im Sinne der Motionäre nichts gewonnen würde.
Politisch verheerend
Umso verheerender ist hingegen das politische Signal, dass sich auch die übrigen Parteien vor den Karren der SVP spannen lassen. Anstatt dem Gerede von «Asylchaos» entschieden entgegenzutreten, leiten sie letztlich nur Wasser auf die Mühlen der Rechtsextremen. Und diese werden sich weiter damit rühmen, die einzigen zu sein, die den vermeintlichen «Kontrollverlust an der Grenze» tatsächlich zu bekämpfen wagen.