Die Migration nicht länger der extremen Rechten überlassen

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Europa-Wahlen

Viele von uns sind am Montag mit einem bitteren Geschmack im Mund aufgewacht. Ein Blick nach Frankreich und auf das, was dort innerhalb eines Monats passieren könnte, verwandelt diesen bitteren Geschmack in eine überwältigende Angst. 

 

Dass protofaschistische Parteien in Europa und anderswo an die Macht kommen, ist nichts Neues. Auch dass die extremen Rechte an der Schwelle zur Macht steht, ist nicht neu. Diejenigen, die sich daran erinnern, werden wissen, dass uns das gleiche Gefühl bereits 2002 erfüllte, nach der ersten Runde der französischen Präsidentschaftswahlen. Das ist 22 Jahre her. Man könnte meinen, dass wir aus der Geschichte lernen. Aber das ist offensichtlich nicht der Fall. 

 

Wenn die extremen Rechten in vielen Ländern eins gemeinsam haben, dann ist es die Instrumentalisierung der Migration für Wahlkampfzwecke. Die Migration ist der perfekte Sündenbock, da sie es ermöglicht, ihr alle sozialen und wirtschaftlichen Fehlentwicklungen des Ultraliberalismus in die Schuhe zu schieben. Man kann in den Programmen des Rassemblement National, der Fratelli d'Italia, der AfD oder der SVP lange nach Massnahmen suchen, die die am stärksten benachteiligten Klassen oder Minderheiten begünstigen (ausser vielleicht Millionäre). Es gibt schlicht keine sozialen Massnahmen in ihren Programmen. Stattdessen nichts anderes als antisoziale Forderungen. Allein bei der SVP in den letzten Jahren: Ablehnung der 13. AHV-Rente, Ablehnung des Mieter:innenschutzes, Ablehnung der Subventionierung von Krippenplätzen, Ablehnung einer Einheitskrankenkasse, Ablehnung eines verbesserten Kündigungsschutzes. Die Liste ist lang.

 

Um all dies vergessen zu machen, ist es einfach, eine Strohfigur aufzustellen: die Migrant:innen. Diese seien für die Arbeitslosigkeit, die Inflation, die Wohnungsnot, den Anstieg der Kriminalität und die sexualisierte Gewalt verantwortlich. Es spielt keine Rolle, ob diese Behauptungen der Realität entsprechen oder nicht. Ihnen wurde zu selten oder gar nicht widersprochen, weil es kaum politische Kräfte gibt, die sich wirklich mit der Migration befassen. Man lässt es auf sich beruhen, weil man andere Kämpfe zu führen hat.

 

Dabei wird vergessen, dass alles miteinander verbunden ist. Es wird vergessen, dass man der extremen Rechten die Medienhoheit überlässt, wenn man ihr in der Frage der Migration nicht widerspricht. Man lässt sie mit Unwahrheiten hantieren und lässt sie sich als einzige politische Kraft darstellen, die in der Lage ist, die aktuellen Krisen zu bewältigen, die nichts anderes als Krisen des Kapitalismus sind. 

 

Es ist höchste Zeit zu reagieren. Es ist höchste Zeit, die Reihen zu schliessen und die Kämpfe zu vereinen. Denn wir dürfen nicht vergessen, dass der Krieg gegen die Migration unweigerlich auch ein Krieg gegen die anderen Feindbilder der extremen Rechten sein wird. Ein Krieg gegen die Armen, gegen soziale, kulturelle, sexuelle oder geschlechtliche Minderheiten. Die extreme Rechte sprechen zu lassen und zuzulassen, dass sich andere Rechte und die Mitte mit ihr verbünden, öffnet der Demontage des Rechtsstaats Tür und Tor. Unter dem Druck der extremen Rechten hat der Europäische Migrationspakt das individuelle Recht auf Asyl bereits de facto abschafft. Und die SVP bringt als Mehrheitspartei im Schweizer Parlament seit Jahren Initiativen, Referenden und parlamentarische Vorlagen ein, deren Annahme zur Leugnung der Genfer Flüchtlingskonventionen, zum Austritt aus der EMRK und zur Untergrabung der Pressefreiheit führen würde.

 

Lassen wir ihren Rassismus nicht länger durchgehen, denn ein Angriff auf eine:n von uns ist ein Angriff auf uns alle. Informieren wir uns, organisieren wir uns.

 

Kommt alle zur Demonstration am 28. September, an der wir zeigen werden, dass wir uns nicht spalten lassen. Und bis dahin, lasst uns weitere Demonstrationen organisieren.