Laura Flórez Castellar
Laura hat ein zweimonatiges Praktikum auf dem Sekretariat von Solidarité sans frontières in Sommer 2015 absolviert. Zusammen haben wir das Festival gegen Rückschaffungen organisiert.
Bei unserem ersten Treffen kam Laura sofort auf die neusten Entwicklungen im Protest des «NoBunker»-Kollektivs in Genf zu sprechen. Im Juni 2015 hatte sich im Innenhof des Genfer Asylzentrums «Foyer des Tattes» der Widerstand der BewohnerInnen gegen die vom Regierungsrat verordneten Transfers in unterirdische Zivilschutzanlagen formiert. Immer mehr Menschen schlossen sich an und gemeinsam besetzte man das Kulturhaus Grütli. Laura ist mittendrin in diesem Protest, solidarisch mit den AktivistInnen, die sich gegen das Bunker-System wehren. «Es ist immens wichtig, die Kämpfe der MigrantInnen zu unterstützen, die sich gegen die erlebten Ungerechtigkeiten des diskriminierenden politischen Systems hier wehren. Für mich als Aktivistin ist das zentral. Und auch ein Grund, weshalb ich zu Sosf wollte. Es gibt nicht viele Organisationen, die sich im Migrationsbereich engagieren, sich explizit politische Ziele setzen und diese auch öffentlich formulieren.»
Politisch aktiv ist Laura schon lange. Das war sie in Bogota, wo sie studiert hat, aber auch im Nachbarland Venezuela, wo sie einige Zeit verbracht hat. «Aber erst in der Schweiz habe ich gemerkt, was es bedeutet, aus einem kolonialisierten Land zu kommen und mit dieser Etikette im Alltag zu leben.» An der Uni, an der sie aktuell studiert, habe sie beispielsweise eine Konferenz zum Thema «Kritische Perspektiven auf den Multikulturalismus» mitorganisiert. Man habe sie dann gefragt, ob sie nicht helfen könne, eine Salsa Gruppe für eine Aufführung im Rahmenprogramm zu finden. Nichts gegen Musik, aber das Beispiel zeige die stigmatisierenden Identitätsvorstellungen, die in der Schweiz gegenüber MigrantInnen aus Lateinamerika vorherrschen. «Alles ist politisch», sagt Laura. «Überall – im Beruf, im Alltag, in politischen Gruppen – gilt es Unterdrückung und Diskriminierung aufzuzeigen und die Verhältnisse zu ändern.»
Während ihres Praktikums bei Sosf organisiert Laura das antirassistische Festival «Gegen Rückschaffungen», das Ende September auf der Schützenmatte in Bern stattfindet. «Zentrales Ziel dieses Anlasses ist die Vernetzung», erklärt Laura. Die unterschiedlichen und aus allen Regionen der Schweiz stammenden Basisorganisationen können ihre Arbeit vorstellen und sich austauschen – und dabei voneinander lernen, sich unterstützen und vielleicht gemeinsame Aktionen planen. «Es ist wichtig, dass antirassistische Kollektive sich vernetzen, um den Widerstand breiter werden zu lassen. Gerade dabei kann und muss Sosf eine Plattform sein.»
Zentrales Thema des Festivals sind die Dublin-Rückschaffungen. Laura hat eine klare Kritik an der Rolle der Schweiz: «Es ist unwürdig, Menschen staatlich verordnet herumzuschieben. Die Schweiz profitiert auf dem Rücken anderer europäischer Länder und entzieht sich der Verantwortung für die von ihr erzeugte Ungleichheit.» Gerade an den Rückschaffungen sei zu sehen, dass die hochgehaltene Rechtsstaatlichkeit der Schweiz nur gegenüber Menschen gelte, die einen gesicherten Status haben. Gegen die, denen man das Aufenthaltsrecht abspricht, reagiere die Schweiz mit staatlichem Zwang und Gewalt, auch wenn sie keine Straftat begangen haben. «Das Festival», so Laura, «bedeutet auch Widerstand gegen das Dublinsystem, gegen Rückschaffungen, und es ist eine offene Kritik an der schweizerischen Migrationspolitik.»
Quelle: Sosf-Bulletin 03/2015