Der Appell gegen die sture Anwendung der Dublin-Verordnung wurde am 20. November 2017 dem Bundesrat übergeben. Kurz danach haben wir die Bundesbehörde über 53 Dublin-Fälle verletzlicher Einzelpersonen und Familien in Kenntnis gesetzt, für welche die Schweiz unserer Meinung nach die Souveränitäts-Klausel anwenden sollte. Unter ihnen sind Folteropfer, Opfer von Frauenhandel sowie von sexueller oder häuslicher Gewalt, Schwangere oder Frauen mit Kindern, Menschen mit gesundheitlichen Problemen, Familien und Personen, die nahe Verwandte in der Schweiz haben. Die Koalition hinter dem «Appel d’Elles» (Solidarität mit asylsuchenden Frauen und Kindern) hat zudem auf die Situation von Frauen im Exil aufmerksam gemacht.
Bei unseren Treffen mit den Bundesbehörden und einigen kantonalen Behörden stiessen mehrere dieser Individualfälle auf Anklang. Gestärkt durch die breite Unterstützung unseres Appells konnten wir so einige Rückführungen verhindern. Dennoch braucht es jeweils einen langen Kampf, in dem sich JuristInnen, AktivistInen, Freunde und NachbarInnen mobilisieren, damit eine einzige Person mit gesundheitlichen Problemen nicht nach Italien zurückgeschickt wird oder damit eine einzige Familie nicht durch eine Rückweisung auseinandergerissen wird. Doch was geschieht mit allen anderen, die ungerechterweise und im Stillen zurückgeschickt werden, ohne dass es jemand bemerkt oder sie schützt?
Unser Appell fordert von den Behörden, dass sie die besondere Schutzbedürftigkeit systematisch in ihre Entscheide einbeziehen. Die Souveränitäts-Klausel sollte in diesen Fällen auch ohne juristische Rekurse angewandt werden; es braucht sie von Anfang an, sobald ein Asylantrag gestellt wird, einfach aus gesundem Menschenverstand.
Solange dies nicht der Fall ist, werden wir weiterhin problematische Situationen aufzeigen und die Bundes- und Kantonsbehörden darauf aufmerksam machen. Ab September werden wir eine Reihe von Berichten von Menschen veröffentlichen, die von einer Dublin-Rückführung bedroht sind. Damit wollen wir daran erinnern, dass unsere und eure Unterstützung für diese Menschen weiterhin unverzichtbar ist.
Solidarité sans frontières, Amnesty International, Solidarité Tattes, Bleiberecht Neuchâtel, Collectif R, SFH.