Bern, 8. August 2016
Sehr geehrte Frau Ioset
Sehr geehrter Herr Busch
Ich beziehe mich auf Ihr Schreiben betreffend die Praxisanpassung des Staatssekretariats für Migration (SEM) bei der Behandlung von Asylgesuchen von Personen eritreischer Staatsangehörigkeit und nehme dazu gerne wie folgt Stellung:
Die Länderanalyse SEM wertet laufend Berichte zu Eritrea aus und tauscht sich mit Experten und Partnerbehörden aus. Das darauf basierende, ständig aktualisierte Lagebild ist die Grundlage der Asylpraxis. 2015 hat die Länderanalyse einen Überblick über diese Erkenntnisse im Bericht "Länderfokus Eritrea" erarbeitet, der von vier Partnerbehörden und einem wissenschaftlichen Experten validiert und vom Europäischen Asylunterstützungsbüro (EASO) veröffentlicht wurde. Im Rahmen einer Fact-Finding Mission im Februar und März 2016 überprüfte, ergänzte und vertiefte die Länderanalyse SEM diese Erkenntnisse. Auf Basis dieser Informationen sowie unter Einbezug weiterer mittlerweile erschienener Berichte hat das SEM den Bericht "Update Nationaldienst und illegale Ausreise" erstellt, welcher die für die Asylpraxis relevanten Kapitel des "Länderfokus Eritrea" aktualisiert und seit dem 23. Juni 2016 auf der Website des SEM abrufbar ist.
Aufgrund der neu zur Verfügung stehenden Informationen hat das SEM seine Praxis zu Eritrea angepasst. Neu ist davon auszugehen, dass eritreische Personnen, die noch nie für den Nationaldienst aufgeboten worden sind, vom Nationaldienst befreit oder aus dem Nationaldienst entlassen wurden, bei einer Rückkehr nach Eritrea alleine aufgrund ihrer illegalen Ausreise mit keiner asylrelevanten Verfolgung rechnen müssen. Entschprechend werden sie nicht mehr als Flüchtlinge anerkannt und aus der Schweiz weggewiesen, sofern keine Wegweisungsvollzugshindernisse vorliegen.
Eritrea weist gemäss übereinstimmenden Berichten im Bereich der Menschenrechte nach wie vor grosse Defizite auf. Diese allgemeine schlechte Menschenrechtslage reicht jedoch alleine nicht aus, um Asylsuchenden aus Eritrea generell die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen oder sie vorläufig aufzunehmen*. Vielmehr wird jedes Asylgesuch einer sorgfältigen Einzelfallprüfung unterzogen. Dies führt dazu, dass es auch für Personen eritreischer Herkunft zu ablehnenden Asylentscheiden mit Anordnung des Wegweisungsvollzugs kommt. Ich hoffe, mit meinen Ausführungen zu Ihrem Verständnis für die Situation beizutragen.
Mit besten Grüssen
Simonetta Sommaruge
Bundesrätin
* Solidarité sans frontières: Die „allgemeine schlechte Menschenrechtslage“ reiche nicht für eine generelle Asylgewährung oder vorläufige Aufnahme von EritreerInnen in der Schweiz, sagt Frau Sommaruga. Es bedürfe einer „sorgfältigen Einzelfallprüfung“. Von der „Beschleunigung der Verfahren“, die die Behörden des Bundes und der Kantone seit Jahren propagieren, ist hier nichts mehr zu erkennen. Tatsächlich aber schaffen es viele eritreische Flüchtlinge nicht einmal in die Schweiz, sondern werden vom Grenzwachtkorps an der Grenze im Tessin abgefangen und nach Italien zurückgeschafft.
Neue Asylpraxis für Eritreer
Am 5. Juli, haben Amanda Ioset und Heiner Busch von Solidarité sans frontières einen Brief an Bundesrätin Sommaruga über die neue Asylpraxis für Eritreer geschrieben. Hier Ihre Antwort.