Richard Gautiers Leben liest sich wie eine spannende Odyssee. 1949 geboren und in den USA, England und der Welschschweiz aufgewachsen, wechselt er 17mal die Schulen. Nach dem Geschichtsstudium in Genf schreibt er eine Lizentiatsarbeit über eine rechte Geheimorganisation. Die Arbeit wird gleich für 15 Jahre weggesperrt, weil der Dekan eben dieser Gesellschaft angehört. Es folgen sieben Jahre beim Nationalfonds, von dort holt ihn Frank A. Meyer zum Hebdo. Doch der stressige Tagesjournalismus befriedigt Richard Gautier nicht. Er will substanzielle Hintergrundartikel zu internationalen Themen verfassen. Sein Vorbild ist der «New Yorker».
Für die Schublade
Unkonventionell schon damals, hofft er, im Stab für Generalstabsdienste interessante Arbeit und kompetente Gesprächspartner zu finden. Dort lernt er arabisch und verfasst Hintergrundberichte, die er aber natürlich nicht publizieren kann. Sie sind nur für den internen Gebrauch bestimmt. Das wurmt ihn. Das Gefühl, für die Schublade zu schreiben, lässt ihn nicht los. So wird er Richard Gautier für ein Jahr Vizesprecher des EMD, bevor Frank A. Meyer ihm den Job als Medienbeauftragten von Nicolas Hayek zur SMH vermittelt. Als allerdings 1991 Generaldirektor Ernst Thomke die SMH verlassen muss, fliegt Gautier als bekennender Thomke-Fan gleich mit. Er arbeitet nun als Verkaufsverantwortlicher für den Betrieb seiner Schwester, welche in Südfrankreich Bio-Gemüse anbaut und in ganz Europa verkauft. Wieder in der Schweiz betreibt er als Arbeitsloser unter anderem ein privates «Schreibbüro» für MigrantInnen, hilft PortugiesInnen, SpanierInnen und Flüchtlingen aus dem Balkan, und engagiert sich bei der coordination asile vaud.
Richard Gautier ist dabei ein überzeugter Anhänger der Basisbewegungen geworden: «In der Asylkoordination erlebe ich, dass auf den ersten Blick sanfte und ‚bürgerliche’ Frauen mit kirchlichem Hintergrund die hartnäckigsten KämpferInnen für die Rechte der MigrantInnen sind. Grosse Hoffnungen auf breite politische Allianzen dagegen habe ich nicht. Yves Christen engagierte sich als Bürgerlicher gegen die Ausschaffungen. Doch nun, wie hat er im Nationalrat zum Asylgesetz gestimmt...?!»
(Quelle: Bulletin Dezember 2005)