Maria Furrer
Im Rahmen ihres Praktikums bei Solidarité sans frontières organisiert Maria Furrer eine Infotour, um über die humanitären Konsequenzen der Sicherung der europäischen Grenzen zu informieren.
Maria Furrer ist in einem kleinen Dorf im Kanton Bern aufgewachsen. In den Jahren 2009-2010, während ihres Studiums in Genf, beginnt sie sich für Migrations- und Asylpolitik zu interessieren. «Die Minarett- und die Ausschaffungsinitiative waren der Auslöser für mein politisches Engagement. Diese Initiativen stellten einige fundamentale Menschenrechte in Frage und dies hier, in dem Land, in dem ich lebe. Das hat mich zum Nachdenken über die sozialen Ungleichheiten in der Schweiz gebracht.» Sie engagierte sich von da an aktiv in der Solidarität mit MigrantInnen, zuerst als Mitglied der Amnesty-Gruppe an der Universität Genf, dann als Ansprechpartnerin für Sans-Papiers in Bern und schliesslich bei Solidarité sans frontières, wo sie aktuell ein viermonatiges Praktikum absolviert.
Ihr Studium hat Maria dazu gebracht, vorgefasste Meinungen immer wieder zu hinterfragen und für eine andere europäische Asylpolitik einzutreten. «Grenzen werden oft als naturgegeben dargestellt», erklärt sie uns, «obwohl sie konstruiert und in einem bestimmten historischen Kontext entstanden sind. Dies gilt auch für den Schengenraum und das Dublinsystem: Es wird daran festgehalten, als ob es etwas Unabänderliches wäre, obwohl es sich in der Realität um ein in einem bestimmten Moment etabliertes Konstrukt handelt. Es ist nicht in Stein gemeisselt und wenn es nicht funktioniert, gibt es immer die Möglichkeit, umzukehren und etwas zu verändern.»
Im Rahmen ihres Praktikums bei Sosf ist Maria für die Organisation einer Infotour in Verbindung mit dem Dokumentarfilm «Die Tränen Afrikas» verantwortlich. Der Film zeigt die Situation an der spanisch-marokkanischen Grenze von Melilla, einer Region, die Maria gut kennt. Denn sie hat dort mit einer Forschungsgruppe eine anthropologische Studie durchgeführt. «Es gibt viele Menschen, die sich schon eine Weile in der Nähe der Grenze zu Melilla aufhalten und eine weite Reise hinter sich haben. Sie sind in Wartestellung. Über diese Transitzonen an der europäischen Grenze, wo Menschen sich über lange Zeiträume ohne Beschäftigung und rechtlichen Schutz aufhalten, wird nicht viel gesprochen. Die europäische Politik zielt auf den Erhalt dieses Zustands, denn sobald diese Menschen nach Europa gelangen, müssen sich die europäischen Staaten mit ihnen befassen.»
Die Infotour besteht aus zwölf Anlässen, die in sechs schweizerischen Städten stattfinden (mindestens ein Event pro Sprachregion). Für Fragen zur Situation der Flüchtlinge um und in Melilla, aber auch zur Asylpolitik der Schweiz, stehen dem Publikum an jedem Anlass die Regisseurin des Films, Amparo Climent, und eine Vertreterin von Sosf zur Verfügung. Maria erinnert daran, dass «die Schweiz sich an Frontex, der Aussengrenzen-Agentur der EU, beteiligt. Was sich an und nahe dieser Grenzen ereignet, liegt daher auch in unserer Verantwortung.»
Mit seinen sechs Meter hohen und sich über 12 Kilometer erstreckenden Grenzzäunen ist Melilla ein anschauliches Beispiel unter anderen für die asyl- und migrationspolitischen Orientierung der EU und der assoziierten Schengen-Staaten: das Bauen von Mauern und die Militarisierung der Grenzen. Mit Hilfe der Infotour hofft Maria das Publikum zum Nachdenken über die Frage zu bringen, wie dieser Zustand durch eine solidarischere Migrations- und Asylpolitik geändert werden könnte. Maria bleibt optimistisch: «Keine Mauer ist für die Ewigkeit gebaut. Früher oder später fällt jede Barriere.»
Quelle: Sosf-Bulletin 04/2015