Gisela Grimm
Anfang der 90er Jahre engagierte sich Gisela in der Hausaufgabenhilfe im Berner Lorraine-Quartier. Einige der SchülerInnen kamen aus Sri Lanka. Sie waren Kinder von Geflüchteten und sprachen kein Wort Deutsch. Das sei das erste Mal gewesen, dass sie mit Asyl- und Migrationsfragen persönlich zu tun hatte. Ab 1993 begann sie auch auf dem Sekretariat der BODS zu arbeiten. Ihr Familienfreund Ueli Schwarz, der damalige BODS-Sekretär, hatte sie angefragt. Aus der stundenweisen Aushilfe wurde ein jahrelanges Engagement. Die politischen SekretärInnen wechselten, Gisela blieb.
Mobilisieren, Geld sammeln, Kampagnen mit aufgleisen. In ihrem Verantwortungsbereich entwickelte sie eine grosse Autonomie. Sie überblickte das Ganze, wies an Team- und Vorstandssitzungen auf dringende Baustellen und finanzielle Engpässe hin. Zwischendurch waren Notrufe angesagt. So manches Mal hat Gisela Mitglieder auch direkt um eine Zusatzspende angefragt.
Langweilig war es nie im Büro, oft auf kreative Art und Weise chaotisch. «Ich war so etwas wie der ruhende Pol», stellt sie fest, «Und ich konnte genau das machen, was mir gefällt. Das ist ein grosses Privileg!» Sie war in alle Projekte und Kampagnen eingebunden, wollte aber dennoch im Hintergrund bleiben. Sie sei keine Person, die gerne im Rampenlicht steht.
Auch die Atmosphäre in der Bürogemeinschaft sei einzigartig. Sich mit gleichgesinnten Organisationen auszutauschen sei wertvoll. Zusammen mit Kollegin Catherine Weber von der NGO-Sektion des vpod hat Gisela den Umzug von der Neuengasse in die Schwanengasse organisiert, wo die Bürogemeinschaft nun schon sechs Jahre «zu Hause» ist.
Bei allem Spass an der Arbeit, ärgert sich Gisela ab und zu: «Wenn ich ins Archiv gehe und ein 20-jähriges Flugblatt hervorkrame, dann denke ich mir oft: Das könnten wir heute gleich nochmal verwenden.» Die alten Forderungen sind immer noch aktuell. Zum Guten hat sich im Migrationsbereich wenig gewendet. Die Schliessung der europäischen Grenzen und die Gleichgültigkeit der Bevölkerung erschüttern sie. «Wir kümmern uns nicht um diese Menschen, dabei haben wir hier im Westen unsere Rechnungen noch lange nicht bezahlt.» In der Flüchtlingsbetreuung werden Stellen gestrichen, weil es angeblich weniger Plätze braucht. Warum könne die Schweiz jetzt nicht einige tausend Schutzsuchende aufnehmen? Die Kapazitäten hätten wir ja. Stattdessen wolle der Bundesrat tatsächlich die Waffenausfuhr erleichtern. Unglaublich!
Dasselbe Spiel nehme sie auch bei der Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien ask! wahr, ihrem zweiten Standbein in der Bürogemeinschaft: Grosskonzerne vertreiben indigene Völker von ihrem Land und siedeln sie an Orten an, wo es nicht einmal Trinkwasserzugang habe. «Es macht mich schon wütend», sagt Gisela, «dass sich immer alles nach der Wirtschaft richtet.»
Mit was für einem Gefühl übergibt sie das Erbe von 25 Jahren Arbeit? Wie ein richtiger Abschied fühle es sich noch nicht an. In den zahlreichen Ordnern im Regal steckten noch einige Stunden Arbeit für sie. Und ausserdem werde sie weiter einen Tag in der Woche bei der ask! arbeiten, bleibe der Bürogemeinschaft also noch ein wenig erhalten. Aber nach so vielen Jahren, braucht sie mehr Zeit für sich. Einfach mal am Morgen in Ruhe die Zeitung lesen zu können, darauf freut sie sich.
Autorin: Maria Furrer
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Das Portrait von Gisela Grimm ist im Bulletin 02/14 von Sosf zu finden