Sosf-Praktikant Fabian dreht im Nahen Osten mit Flüchtlingen Kurzfilme. Von seiner Erfahrung sollen nun auch MigrantInnen in der Schweiz profitieren.
«Es braucht einiges um mich noch zu erschüttern», sagt Fabian, Praktikant bei Solidarité sans frontières. Der 27-jährige Mann hat in den letzten sechs Jahren viel Zeit in Palästina und in palästinensischen Flüchtlingslagern im Nahen Osten verbracht. Im Frühsommer 2002 war er als «ziviler Menschenrechtsbeobachter» ein erstes Mal vor Ort, stellte sich als «menschliches Schutzschild» zwischen Panzer und DemonstrantInnen oder begleitete SanitäterInnen zu ihren Einsätzen.
Seither verbringt Fabian zwischen drei und vier Monate pro Jahr in der Region und hat dabei auch fliessend Arabisch gelernt. «Mit der Zeit beginnst du deine eigene Rolle zu überdenken, lernst die Perspektiven der Leute kennen und übernimmst diese zum Teil auch.» Ihm als Anarchist sei das sehr wichtig gewesen, um nicht auf der neokolonialen, oft humanitaristischen Ebene à la «Europäer eilt armen Palästinensern zu Hilfe» zu verharren.
Vielmehr gehe es darum, gegenseitig voneinander zu lernen. Und hier setzen auch seine Projekte an: Fabian organisiert mit seinem Filmkollektiv seit 2004 Videoworkshops in Flüchtlingslagern, wobei jeweils in einer Gruppe Kurzfilme erstellt werden. «Dabei geht es nicht in erster Linie um den jeweiligen Film an sich, sondern darum, lokale Strukturen zu unterstützen und jungen Menschen politischen Videoaktivismus näher zu bringen.» In einem Lager in Libanon sei dies beispielsweise soweit gediehen, dass «ein sehr guter Kollege» nun selber Videoworkshops anbiete. «Wir arbeiten jetzt auf derselben Augenhöhe zusammen. Genau das ist das Ziel.»
In der Schweiz arbeitet Fabian, der Politologie und Soziologie studiert hat, im Stundenlohn auf dem Bau. Nur so sei er flexibel genug, um überhaupt Reisen zu können. Vor seiner nächsten Reise will Fabian nun aber auch in der Schweiz Filmworkshops durchführen; und zwar in Zusammenarbeit mit MigrantInnen und im Rahmen seines sechsmonatigen Praktikums bei Sosf. «Die Erfahrung aus dem Nahen Osten ist da natürlich äusserst wertvoll», so der Innerschweizer. Er sei es sich gewohnt, mit Menschen in prekären Situationen zusammenzuarbeiten und wisse, dass man mit «reinem schweizerischen Funktionsdenken» nicht sehr weit komme und dass es immer auch eine gehörige Portion Geduld und Ausdauer brauche.
Fabian ist aufgefallen, dass hierzulande sehr viele Filme über Aktivitäten im migrationspolitischen Bereich von SchweizerInnen realisiert worden sind. «Wenn du langfristig arbeiten willst, so musst du aber die Betroffenen selber daran arbeiten lassen. Denn sie wissen wirklich Bescheid und ihre Sichtweise ist enorm wichtig.» Das Medium Film sei dabei nur eine von verschiedenen Möglichkeiten, Gegenöffentlichkeit herzustellen. «Zentral ist denn auch, dass die Leute lernen, wie sie eine strukturierte politische Analyse betreiben und diese dann in der hiesigen Gesellschaft vermitteln können.» Neben den eher technischen Filmworkshops wird Fabian denn auch Workshops zu Medienarbeit im Allgemeinen organisieren, die Sosf im nächsten Jahr anbieten will
Dinu Gautier