Elango Kanakasundaram
Sosf-Praktikant Elango Kanakasundaram hat genaue Vorstellungen, wie eine Bleiberechts-Bewegung aussehen könnte.
«Ich trage zwei Welten in mir» sagt Elango Kanakasundaram. Der 28-Jährige ist in Sri Lanka geboren, in der Schweiz aufgewachsen. Darüber denkt er viel nach. Mit dem Blick des Soziologen analysiert er beide Welten: Etwa die «patriarchal-autoritäre Erziehungsweise» in tamilischen Familien oder die «Individualisierung» der hiesigen Gesellschaft.
Der Mann mit dem beeindruckenden Bart weiss, was es heisst, aufzufallen. Als Zweijähriger kam Kanakasundaram mit seiner Familie in die Schweiz. Die Familie bekam Asyl und landete in der Gemeinde Bärau im hintersten Emmental. «Meine Eltern sagten mir:
Heute ist der 28-Jährige Praktikant auf dem Sekretariat von Sosf. Dabei hat sich Kanakasundaram lange überhaupt nicht für Politik interessiert: «Bis im Alter von etwa zwanzig Jahren wollte ich nicht auffallen, hatte das Gefühl, das gehe mich als Nicht-Schweizer nichts an.» Das sollte sich fundamental ändern. Als er zwecks Soziologiestudiums nach Bern gezogen sei, habe sein Selbstbewusstsein zugenommen. Er fand mehr Freunde, las viel - und begann bei Greenpeace mitzuarbeiten. «Der aktivistische Zugang von Greenpeace hat mich beeindruckt.» Bald einmal habe er aber gemerkt, dass ihn das Thema Migration emotional viel mehr berühre, sagt Kanakasundaram. «Ich kann mich richtig aufregen, wenn jemand hierzu etwas Dummes sagt», so der Mann, der halb im Scherz behauptet, er habe nur nebenbei studiert, hauptberuflich sei er in den letzten Jahren Aktivist gewesen.
Kanakasundaram organisierte den Widerstand mit, als die Uni Bern den Studiengang Soziologie abschaffen wollte. Es gab Demos, später eine mehrtägige Besetzung der Aula. Dabei war er auch, als illegalisierte Flüchtlinge vor einem Jahr eine Woche lang die Kleine Schanze in Bern besetzten und eine kollektive Regularisierung der Sans-Papiers forderten. «Da war eine enorme Dynamik zu spüren.» Seither versucht er mit seinen MitstreiterInnen vom Bleiberechtkollektiv diese Dynamik zu erhalten. «Ich bin häufig im Sachabgabezentrum auf dem Brünig. Wir organisieren dort Sitzungen und diskutieren.»
Ein Ziel sei es, dass diese «Bewegung von unten» stärker werde, dass sie bereit sei, wenn plötzlich ein Zeitfenster für eine Systemänderung aufgehe. «Die Anti-AKW-Bewegung zum Beispiel: Ich hatte nicht das Gefühl, dass sie bereit war, als mit Fukushima ein solches Fenster aufging», sagt Kanakasundaram.
«Ich glaube nicht, dass eine Bewegung nur aus städtischen Gegenden erfolgreich sein kann», so der Sosf-Praktikant. «Wir müssen Leute einbinden, von denen man ein Engagement nicht erwartet – gerade vom Land.» Das Bleiberecht-Kollektiv organisiere etwa Märitstände in ländlichen Gebieten. Zuletzt in der Gemeinde Meiringen. «Die Reaktionen auf die Sans-Papiers sind dann gar nicht so schlecht. Und plötzlich lernt man eine Pfarrerin kennen, die sich vorstellen kann, auch mitzumachen.»
Ganz wichtig sei es, so Kanakasundaram, nicht nur über Migration zu sprechen. «Wir sollten mehr die Gemeinsamkeiten betonen. Ein Schweizer Sozialhilfebezüger und ein abgewiesener Asylbewerber in der Nothilfe können sich subjektiv sehr ähnlich fühlen.»
In seinem sechsmonatigen Praktikum bei Sosf will Elango Kanakasundaram sowohl inhaltlich wie auch im Kampagnenbereich weiterkommen. Derzeit hilft er mit, die Grossdemonstration «Schluss mit der Heuchelei» zu organisieren (siehe Agenda rechts). Nach dem Ende seines Praktikums wird er nach Sri Lanka reisen. «Heute verleugne ich einen Teil meiner Identität.» Die Sprache verbessern, die Traditionen kennenlernen; «Und dann zurückkommen und weiterkämpfen.»
Dinu Gautier
Quelle: sosf-Bulletin 03/2011