Claude Braun
Sosf-Vorstandsmitglied Claude Braun führt über den Hof von Longo maï im jurassischen Undervelier. Es hat geregnet, die hofeigene Wasserturbine läuft auf Hochtouren. Eine Schafherde tropft ruhig vor sich hin.
von Dinu Gautier
In dieser Kooperative lebt und arbeitet der 47-jährige seit 1987, einer Zeit, als Bundesrätin Elisabeth Kopp das Asylgesetz verschärfte und die Asylbewegung stark war. «Wir haben damals das CEDRI gegründet, eine Unterorganisation von Longo maï, die sich um den Empfang von Türken, später auch von Kurden kümmerte », sagt Braun. Das CEDRI wurde Teil der Asylkoordination, eine der Vorgängerorganisationen von Sosf. «Ich sehe Solidarité sans frontières in dieser Tradition. Es gilt Vernetzungs- und Koordinationsaufgaben für eine Basisbewegung zu leisten, ergänzt mit Lobbyarbeit.»
Im zweiten Stock des Bauernhauses stehen zahlreiche Computer. Von hier aus werden Produkte der Longo-maï-Kooperativen vertrieben und es wird politisch agitiert: Etwa gegen die Ausbeutung von Landarbeitern im Süden Spaniens. Durch eine grosse Fensterfront blickt man auf das idyllische, wolkenverhangene Tal und die 300-Seelen-Gemeinde, wo der Vater zweier Kinder im Fussballclub spielt und im Gemeinderat sitzt.
Undervelier wirkt zwar abgelegen, in einer guten Stunde erreicht man aber Zürich oder Bern. Wann immer es Kampagnen zu planen gibt, taucht Braun denn auch an den Sitzungen in den Städten auf, denkt und arbeitet in seiner ruhigen Art mit. Dass er in den über zwanzig Jahren zahlreiche Niederlagen hat einstecken müssen, merkt man ihm nicht an. «Mein Leben besteht nicht nur aus politischem Aktivismus. Wenn ich zwei, drei Tage im Wald Brennholz schlage, sehe ich die Welt wieder aus einer anderen Perspektive», so Braun. «Und es gab auch Siege zu feiern, nicht nur punktuell bei Einzelfällen.» Dank der hartnäckigen Sans-Papiers-Bewegung wolle etwa das Parlament heute Sans-Papiers eine Lehre ermöglichen. «Vor zwanzig Jahren wäre das undenkbar gewesen.»
Immer wieder freut sich Braun darüber, dass bei Kampagnen neue, junge Leute dazukämen. «Die kommen mit Herz und
aus Idealismus, nicht aus Kalkül. Man kann sich nicht politisch profilieren in diesem Themengebiet.» Manchmal hat Claude Braun Wutanfälle: «Dann denke ich : Was mach ich eigentlich in diesem Land ?» Dass beispielsweise die Flüchtlingshilfe sich darum bewirbt, Zwangsauschaffungsflüge als Beobachter zu begleiten, kann er nicht verstehen : «Die werden zu Komplizen.» Es sei immer wieder erstaunlich, wie effizient die Schweiz darin sei, Opposition einzubinden und damit zu kastrieren.
Dann gibt es Essen : Polenta mit Gemüse vom eigenen Hof. Am Tisch sitzen jung und alt. Draussen regnet es weiter.