Ann-Seline Fankhauser hat schlechte Praktikums-Erfahrungen gemacht. Dabei tönte es so gut: Ein fünfmonatiges Praktikum bei der Tourismusorganisation der UNO in Madrid. «Es war eine Katastrophe», sagt die 25-Jährige rückblickend. «Die schieben Unmengen an Papier hin- und her. Eine riesige Bürokratie. Was dort konkret geleistet wird, ist mir nie wirklich klar geworden».
Ann-Selines Erwartungen waren dementsprechend nicht sehr hoch, als sie Mitte Februar bei Sosf das zweite Praktikum ihres Lebens antrat. Nach zwei Monaten zieht sie ein positives Zwischenfazit: «Ich habe das pure Gegenteil zur UNO gesucht und gefunden: Eine kleine NGO mit drei Leuten, wo ich mit anpacken und mitgestalten kann».
Ann-Seline koordiniert die Vorbereitungen auf die gesamtschweizerische Demonstration vom 26. Juni in Bern. «Es geht darum, ein Zeichen gegen Ausgrenzung und Rassismus zu setzen». Ann-Seline erwähnt die kommende Ausschaffungsinitiative der SVP, die laufenden Verschärfungen im Asyl- und Ausländerrecht wie auch die Nothilfepraxis bei abgewiesenen Flüchtlingen als Anknüpfungspunkte für die Demo. «Wir wollen und müssen diesem abartigen Klima entgegentreten», sagt sie, ohne sich aber Illusionen zu machen. «Auch wenn es eine riesige Demo geben sollte, wird das substanziell nicht viel am herrschenden Diskurs ändern.» Nichtsdestotrotz seien solche Mobilisierungen wichtig «im Kampf um die Köpfe der Menschen». Zusammen - MigrantInnen und SchweizerInnen - könne man jedenfalls symbolisch zeigen, dass Einschränkungen von Grundrechten alle etwas angingen und dass man zusammenstehe. Davon zeuge auch der Titel der Veranstaltung: «Freiheit. Gleichheit. Würde. Für mich und dich!»
Auch im Privatleben ist für Ann-Seline die herrschende Migrationspolitik ein Thema: Seit zwei Monaten wohnt sie in Biel mit ihrem Freund kolumbianischer Herkunft zusammen. Kennen gelernt haben sich die beiden in Spanien. Die Empörung ist der sonst ruhig wirkenden Frau deutlich anzumerken, wenn sie von den Behördengängen erzählt, die nötig waren, um ihrem Freund eine Aufenthaltsgenehmigung zu organisieren: «Obwohl er einen spanischen Pass und einen unbefristeten Arbeitsvertrag vorweisen konnte, gab es Schikanen.» Schliesslich habe er nur einen L- statt einen B-Ausweis erhalten. «Ich habe erfolglos mit dem Schengen-Abkommen zu argumentieren versucht», sagt die junge Frau.
Ann-Seline studiert Migrationswissenschaften in Neuenburg, wie auch schon eine ihrer Praktikums-Vorgängerinnen bei Sosf. Könnte die Neuenburger Fakultät so etwas wie ein intellektuelles Widerstandsnest gegen die herrschende Migrationspolitik werden? Ann-Seline ist vorsichtig: «Es wäre mir dort jedenfalls noch nie jemand begegnet, der sich als rechts bezeichnen würde. Und etwa die Hälfte der Studenten hat keinen Schweizer Pass». Hingegen seien ihr auch keine Aktionsgruppen bekannt, die sich im Umfeld der Uni gebildet hätten. «Natürlich werde ich versuchen, meine Mitstudenten auf die von uns koordinierte Demo vom Sommer zu mobilisieren – vielleicht entsteht dadurch ja auch eine Dynamik an der Uni».
Dinu Gautier