Gerichtsprozess Mohamed A. vor dem Strafgericht Basel-Stadt
Medienmitteilung, Basel, 23. Mai 2017
Zum verhandelten Gerichtsfall: Vor einem Jahr war Mohamed A. in der Dreirosenbuvette am Rhein und trank ein Bier, als er die Polizei bei gezielten Kontrollen von schwarzen Personen beobachtete und sich entschloss, dies auf Fotos zu dokumentieren. Ein Passant machte die Polizei auf das Fotografieren durch Mohamed A. aufmerksam. Die Polizeibeamten verlangten daraufhin von Mohamed A., ihnen sein Mobiltelefon auszuhändigen, was dieser aber verweigerte. Mohamed A. weigerte sich zuerst auch, sich einer Identitätskontrolle zu unterziehen, zeigte dann aber schliesslich doch seinen Ausweis. Dennoch beschloss die Polizei, Mohamed A. abzuführen und einem Alkoholtest zu unterziehen. Weil sich Mohamed A. weigerte, diesen Test durchzuführen, und die Polizisten seine Alkoholisierung als für ihn und die Öffentlichkeit gefährdend beurteilte, brachte ihn die Polizei zum Universitätsspital, um seine Hafterstehungsfähigkeit abklären zu lassen. Schliesslich wurde Mohamed A. auf den Polizeiposten gebracht und eine Nacht lang festgehalten, ohne dass er seine Angehörigen über seinen Verbleib informieren konnte. Drei Monate später erhielt Mohamed A. eine Busse über 4000 Franken aufgrund Vergehens in folgenden vier Punkten: üble Nachrede, falsche Anschuldigung, Hinderung einer Amtshandlung und Beschimpfung. Mohamed A. wehrte sich gegen diese Anschuldigungen mit einer Einsprache, die gestern am Strafgericht Basel-Stadt verhandelt wurde, nachdem am vergangenen Freitag bereits eine Konfrontation mit einem der beteiligten Polizist_innen stattgefunden hatte.
Leider wurde Mohamed A.s Einsprache bezüglich dreier Punkte abgelehnt. Einzig vom Vorwurf der falschen Anschuldigung wurde er freigesprochen. Seine Strafe reduzierte sich insofern, jedoch wurde sie unbedingt ausgesprochen und die Bewährung um ein Jahr auf drei Jahre verlängert.
Die zuständige Richterin beurteilt Racial Profiling zwar als bedeutendes Problem in Basel und der Schweiz. In ihrer Beurteilung des Falles spielte dies aber keine Rolle.
Vielmehr interpretierte die Richterin die Weigerung von Mohamed A., seine Fotos zu zeigen und sich auszuweisen, als Grund für die darauffolgenden Vorgänge.
Wir von augenauf Basel und der Allianz gegen Racial Profiling erachten dieses Urteil als empörend. Das Gericht hat seine Verantwortung nicht wahrgenommen. Statt die Polizeiarbeit kritisch zu kontrollieren und in Schranken zu weisen, unterstützt das Gericht die Polizeibeamt_innen in ihrem Versuch, kritische Bürger_innen zu kriminalisieren. Mohamed A.s Versuch, Racial Profiling zu dokumentieren, wurde durch eine Reihe von Disziplinierungsmassnahmen seitens der Polizei unterbunden.
Tatsächlich entbehrt das Verhalten der Polizei unserer Einschätzung nach in vielen Teilen rechtlicher Grundlagen und es ist insgesamt unverhältnismässig und schikanös. Auch dass Mohamed A. eine Nacht lang festgehalten wurde, ohne dass er seine Angehörigen informieren konnte, ist ein klarer Verstoss gegen die Verfahrensgrundrechte, dies müsste gemäss Aussagen der Richterin aber in einem anderen Verfahren beurteilt werden.
Die Ablehnung von Mohamed A.s Einsprache offenbart einmal mehr, dass die Polizeiarbeit in Basel vom Gericht nicht kritisch genug beurteilt wird und dass es für solche Fälle von polizeilichen Übergriffen eine unabhängige Kontrollinstanz braucht – eine Forderung die augenauf Basel seit Jahren stellt.
Daneben fordert die Allianz gegen Racial Profiling die Einführung eines Quittungssystems bei Polizeikontrollen in der Schweiz. (Für weitere Vorschläge gegen Racial Profiling: http://bit.ly/2qrLUKx.) Ausserdem ist der Fall von Mohamed A. nicht der einzige, welcher mit Bezug zu Racial Profiling in der Schweiz aktuell verhandelt wird, Fälle von Zeugenschaft und Intervention bei diskriminierenden Kontrollen sind im Gang, mehr dazu ist im Schattenbericht der Allianz gegen Racial Profiling zum Länderbericht der Schweiz des ICCPR (Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte) zu erfahren.
Das Interesse an der Verhandlung von Mohamed A.s Fall war sehr gross, viele Zuhörer_innen solidarisierten sich, was ein voller Gerichtssaal zeigte. Das Vorgehen bei Gericht wurde dokumentiert, gezeichnet und steht so für weitere Debatten zum Thema zur Verfügung.
augenauf Basel
Allianz gegen Racial Profiling