Bürgerinnen und Bürger der Schweiz,
Seit bald 17 Jahren engagiere ich mich als politischer Flüchtling für die Verteidigung des Völkerrechts und insbesondere der Genfer Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951. Ich zahle dafür einen hohen Preis: meine Freiheit, die mir von den Behörden der Eidgenossenschaft entzogen wurde, mutmasslich mit dem Einverständnis zweier Länder, welche im UNO-Sicherheitsrat Einsitz haben und mit der Zustimmung der Agentur, die sich theoretisch um das Wohl der Flüchtling kümmern sollte.
Ich gelange also gewissermassen als politischer Gefangener und Geisel der Schweiz mit dieser Botschaft an die Öffentlichkeit und appelliere hier und heute an Ihre aktive Solidarität!
Angefangen hat dieser Kampf im Dezember 2000 in den USA; ab 2010 musste ich, unfreiwillig, in der Schweiz weiterkämpfen. Selbstverständlich habe ich auch die drei letzten amtierenden UNO-Generalsekretäre angerufen, unter ihnen auch den jetzigen, vormalig Flüchtlings-Hochkommissar.
Mein Verbrechen? Ich habe den Finger auf gewisse Mängel der Genfer Konvention gelegt, welche den Flüchtlingen, die mit der arroganten „Allmacht“ der Agentur, welche eigentlich mit der Umsetzung der Genfer Konvention von 1951 und des zugehörigen Protokolls von New York vom 31. Januar 1967 betraut wären, konfrontiert sind, zum Schaden gereichen können. Die Mängel begünstigen diskriminierende Machenschaften zulasten der verletzlichsten Flüchtlinge und höhlen die internationale Schutzfunktion der Konvention regelrecht aus. Paradoxerweise sind die wenigen angerufenen nationalen Gerichtbarkeiten der Frage lieber aus dem Weg gegangen und haben so den Eindruck wenn nicht der Rechtsverweigerung so doch einer Form von Verfolgung aus Nachlässigkeit und einer Schutzverweigerung vermittelt.
So musste ich seit meiner Ankunft in der Schweiz 2010 erfahren, dass ein politischer Flüchtling grundlos festgenommen und seinen eigens eingeladenen „Vollstreckern“ ausgeliefert werden kann, damit diese das unbequeme „Paket“ entgegennehmen. Ist es vorstellbar, dass der französische General de Gaulle den Oppositionellen Mehdi Ben Barka dem marokkanischen König Hassan II ausgeliefert hätte? Oder der Beseitigung eines ausländischen Oppositionspolitikers auf französischem Boden zugestimmt hätte?
Ich bezeuge, dass in der Schweiz ein Flüchtling einfach so inhaftiert werden kann wie ein Halunke oder ein gemeiner Verbrecher. Wehe dem abgewiesenen Asylbewerber, ob mit oder ohne Flüchtlingsstatus! Er wird verantwortlich gemacht dafür, dass die konsularischen Behörden seines Landes ihm keine Papiere ausstellen für seine Rückführung, und sei diese missbräuchlich. Zur Strafe wird er als Geisel festgehalten. Das widerspricht dem gesunden Menschenverstand und dem Grundsatz der diplomatischen Gegenseitigkeit.
Ich bezeuge, dass zwischen Frankreich und der Schweiz Rückführungen von Schutzsuchenden stattfinden, welche die im Dublin-Abkommen vom 26. Juni 2013 verankerten Mechanismen und Garantien verletzen. Verlässt eine Person die Schweiz, um einem Wegweisungsentscheid nachzukommen, so wird dies als „Untertauch-Delikt“ taxiert, auch wenn dies auf keiner Gesetzesgrundlage beruht. Merkwürdige Anklage! Der zu seinem Unglück zurückgeführte Asylbewerber landet stracks im Gefängnis. Wie weit wir doch von Buchstaben und Geist des Dublin-Abkommens sind!
Ich habe am eigenen Leib erfahren müssen, dass man allein aufgrund seiner schwarzen Hautfarbe festgenommen werden kann, mit aller polizeilichen Willkür und Grobheit, die man sich denken kann. Dies insbesondere im Kanton Zürich, der sich darin hervortut, höher stehendes Bundesrecht und Völkerrecht dem kantonalen Recht unterzuordnen.
Ich musste weiters erfahren, dass man sich in der Schweiz auf einen ausländischen Entscheid berufen kann, ohne diesen je materiell zu belegen. Man hält es in der Schweiz auch nicht für nötig, die betroffene Person über diese angeblichen Entscheide zu informieren. Die betroffene Person kann vielmehr ohne Verfahren in Ausschaffungshaft verbracht werden, ohne dass die Justiz auf Bundesebene, eigentlich Hüterin der völkerrechtlichen Verpflichtungen der Schweiz, auch nur im Entferntesten eingreift.
Ich bezeuge, dass in diesem Land, das ich für seine direkte Demokratie bewundere, die Ausländer nicht nur verhaftet werden, sondern dass ihre Haft unter Berufung auf fiktive Delikte verlängert wird, die nicht einmal im Strafrecht stehen. Diese Praxis wird jeweils von Richtern bestätigt, die nach bestem Wissen und Gewissen urteilen.
Ich erkläre ehrenwörtlich, dass es in der Schweiz eine Justiz gibt, die der Person ihre Menschlichkeit, ihren Beruf und ihren gesellschaftlichen Status abspricht, angeblich aus Gründen der Gleichbehandlung. Wehret den Anfängen! Mit dem Absprechen der Menschlichkeit fangen im individuellen wie im kollektiven Unbewussten Völkermorde und andere Verbrechen gegen die Menschlichkeit an!
Ich schliesse mit einer zweifachen Forderung:
Erstens: Ich verlange die Einsetzung einer unabhängigen Ad-hoc-Untersuchungskommission, welche die Rechtslage meines Falls ausleuchten und die politischen Verantwortlichkeiten und Konsequenzen klären soll.
Zweitens: Da die Schweizer Behörden Amerika unterstellen, mir den Flüchtlingsstatus entzogen zu haben, ohne den Beleg für diesen Entscheid, der ohne Anhörung und ohne Verfahren gefällt worden wäre, zu liefern, verlange ich die Durchführung einer fairen öffentlichen Gerichtsverhandlung unter Beizug meiner beiden Asylländer Benin (wo ich von 1993-2000 gelebt habe) und USA (2000-2010).
Zürich, Flughafengefängnis, 9 Januar 2017.
Ayité Maxmibubé Sitti
Politischer Flüchtling
Advokat am Gericht von Lomé (Togo) und Paris (Frankreich)
Erster Exekutivsekretär der Convention pour une fédération africaine
Ehemaliger Präsident der Anwaltsvereinigung Groupement des avocats d’Afrique noire en France (GAANF)
Kopie an : Präsidium der Republik Benin
Weisses Haus, Washington