Warum wird gespart?
Am 1. April 2013 ist die Revision der Asylverordnung 2 zu Finanzierungsfragen in Kraft getreten. Mit dieser Verordnungsänderung ändern sich die Unterstützungsbeiträge des Bundes an die Kantone im Bereich der Sozilahilfe für Asylsuchende und vorläufig aufgenommene Personen. Besonders hart betroffen ist der Kanton Bern, der nun massive Einbussen hinnehmen muss.
Protestaktion vom 31. Januar 2014:
Video zur Aktion:
Diese Einbussen wälzen die zuständigen Behörde, das Amt für Migration und Personenstand (MIP) und insbesondere der Migrationsdienst des Kantons Bern (MIDI) auf die Betreiber der Berner Asylzentren und somit die Asylsuchenden im laufenden Verfahren ab. In der Realität bringt dies massive Einsparungen mit sich. Was dies konkret bedeutet, zeigt die Mitteilung in einem der Berner Asylzentren, die im Dezember 2013 zur Information der Asylsuchenden ausgehängt wurde:
Die Informationen aus diesem einen Zemtrum decken sich mit den Angaben, die in anderen Zentren gemacht werden. Etwas konkreter bedeuten die Massnahmen:
- Asylsuchende haben in Zukunft nur noch Anrecht auf 100 Stunden Deutschkurs, die mehr oder weniger dem sogenannten Grundkurs über die Dauer von ca. 3 Monaten entsprechen. Weitere Kurse werden nicht mehr finanziert, ausser die Zentrumsbetreiber können es sich leisten.
- Asylsuchende erhalten keine Tickets mehr für den Individualtransport per ÖV. Gerade für häufige ArztgängerInnen ist das ein grosses Problem.
- Die Einkleidungspauschalen, die zw. 80.- CHF bis 200.- CHF lagen, werden grösstenteils gestrichen.
- Die Zentrumsbetreiber müssen je nach Ort einen massiven Stellenabbau vornehmen, der zu Lasten des Betreuungsangebotes geht. Der genaue Umfang dieses Stellenabbaus variiert je nach Betreiberorganisation und Standort.
Wieviel Geld muss der Kanton Bern tatsächlich einsparen?
Gemäss einem Artikel im Bund vom 4.12.13 wurde dem Kanton Bern eine Einbusse von 7.7 Mio (der bundesrätlichen Auskunft auf das Postulat Romano folgend) prophezeit. Markus Aeschlimann vom MIP erklärte darauf, bisher habe Bern maximal 20'396 Franken pro Person erhalten. Seit April seien es nur noch 17'772 Franken. Mit den Zahlen des Bundes verglichen ergäbe dies ein Defizit von rund 9.8 Mio Franken. Teilt man diesen Betrag durch die faktische Einbusse pro Person (also 2624.- CHF), dann ergäbe dies eine Zahl von 3747, die somit die Anzahl Asylsuchender Personen/VA, die im Kanton Bern untergebracht wären bedeuten müsste. Tatsächlich aber waren es 2013 rund 6200 Personen (Quelle: BFM, Asylstatistik Nov 2013). Es drängen sich deshalb Fragen auf:
Wie sehen die Finanzen aus?
- wie hoch war die Einbusse für die Periode April-Dez 2013 tatsächlich?
- wie hoch wird die Einbusse 2014 sein (Prognose)?
- bei den Tagespauschalen werden von den bislang vom Bund erhaltenen 55.87 CHF (20396/365) und nun neu nur noch erhaltenen 48.70 CHF (17772/365) satte 6.77 CHF (von 7.17) an Kürzungen auf die Partnerorganisationen (PA) abgewälzt, solange die betroffenen Asylsuchenden in der Phase 1 sind. Treffen diese Kürzungen alle vier im Kt. Bern tätigen PA gleichermassen? Weshalb werden (als zusätzliche Sparmassnahme) die Pauschalen nun auch nicht mehr nach Anzahl vorhandenen Plätzen, sondern nach Anzahl Übernachtungen entrichtet - und zählt dies für jede PA gleichermassen? Diese Massnahme scheint zudem unangebracht, weil sie die Zentrumsbetreiber vor enorme finanzielle Schwierigkeiten stellen wird und das Midi die zu erwartenden Verluste bereits durch die beinahe vollständige Überwälzung auf die PA durch die Senkung der Tages-/Monatspauschalen decken kann. Wieso wird diese Massnahme trotzdem ergriffen?
Arbeitet der MIDI gezielt auf die Desintegration von Asylsuchenden hin?
Die letzte geschilderte Massnahme verschärft die Situation der Asylsuchenden im laufenden Verfahren um ein Vielfaches. Indes stellt sich die Frage, was MIP/MIDI selber machen, um die Situation zu entschärfen? Das neue Finanzierungssystem wirkt sich eindeutig am Negativsten für die Bestandesgruppe der Asylsuchenden im laufenden Verfahren aus. Die finanzielle Unterstützung dieser Bestandesgruppe hängt neu direkt von der kantonalen Erwerbsquote der beiden Bestandesgruppen
- A) vorläufig Aufgenommene im Erwerbsalter (aus dem Asylbereich) und
- B) anerkannten Flüchtlingen im Erwerbsalter (aus dem Flüchtlingsbereich)
ab. Im erläuternden Bericht zur Änderung der Asylverordnung 2 heisst es wortwörtlich: «Bei den vorläufig Aufgenommenen und Flüchtlingen wird ein finanzieller Anreiz eingeführt, um die Erwerbstätigkeit zu fördern» (S.9) und «Kantone mit einer unterdurchschnittlichen Erwerbsquote [der beiden Bestandesgruppen] weniger Subventionen erhalten sollen.» (S.7). Desweiteren heisst es auf S.8: «Hingegen sollen Personen während des laufenden Asylverfahrens nicht Zielgruppe von Integrationsbemühungen sein.» Der Kanton Bern ist der Kanton mit einer der schweizweit niedrigsten Erwerbsquote der beiden Bestandesgruppen. Leidtragende sind nun die Asylsuchenden im laufenden Verfahren, denen u.a. der Zugang zu Sprachkursen verunmöglicht wird, weil der Kanton Bern die zu erwartenden Verluste rein auf die PA im Asylbereich abwälzt, die sich um die Betreuung von Asylsuchenden in der Phase 1 kümmern. Was tut der Kanton hingegen, um die Erwerbsquote der beiden Bestandesgruppen zu steigern, und dadurch die Höhe der fehlenden Bundessubventionen positiv zu beeinflussen? Solche Bemühungen sind bislang in keinster Weise zu erkennen.