15.09.09 / Die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) hat heute einen neuen Bericht über die Lage von Rassismus, Diskriminierung aufgrund der Rasse und damit verbundener Intoleranz in der Schweiz veröffentlicht. ECRI stellt fest, daß zwar seit der Veröffentlichung des letzten Berichts über die Schweiz einige Fortschritte erzielt worden sind, es aber noch Raum für Verbesserung gibt.
Im folgenden finden Sie eine Zusammenfassung der wichtigsten Punkte des Berichts.
REPORT http://www.coe.int/t/dghl/monitoring/ecri/Country-by-country/Switzerland/CHE-CbC-IV-2009-032-CHE.pdf
ZUSAMMENFASSUNG
Seit der Veröffentlichung des dritten ECRI-Berichts über die Schweiz am 27. Januar 2004 wurde in einer Reihe von Bereichen, die durch diesen Bericht abgedeckt wurden, Fortschritte erzielt.
Das neue Ausländergesetz, das 2008 in Kraft trat, sieht vor, dass die Konföderation, die Kantone und die Gemeinden die Zielsetzung der Integration von Ausländern berücksichtigen sollen und „Bedingungen schaffen sollen, welche die Chancengleichheit und die Mitwirkung von Ausländern am öffentlichen Leben“ fördern“. Insbesondere müssen sie Sprachunterricht, Arbeitsvermittlung und präventive Gesundheitsmaßnahmen fördern und die Bemühungen für ein gegenseitiges Verständnis zwischen Schweizern und Ausländern unterstützen und eine Koexistenz ermöglichen.
Darüber hinaus haben die Behörden eine Reihe von Integrationsmaßnahmen ergriffen, die auf die Förderung der Chancengleichheit von Nichtsstaatsbürgern in einer Reihe von Bereichen abzielen. Im Bereich Beschäftigung ermöglichen Fallmanagementprogramme einen erleichterten Zugang von jungen Menschen zum Arbeitsmarkt, unter Berücksichtigung der Abstammung der jungen Immigranten.
Im Bereich Wohnen wurden Pilotprojekte namens „städtische Projekte“ gestartet. Sie fördern insbesondere die Integration bestimmter Nachbarschaften mit hohem Immigrantenanteil. Im Gesundheitsbereich haben die Behörden die Phase II (2008-2013) ihrer bundesweiten „Migrations- und Gesundheits“-Strategie eingeleitet, die 2004 gestartet wurde. Diese Strategie soll die medizinische Versorgung von Migranten verbessern und Chancengleichheit im Hinblick auf die Gesundheitsvorsorge etablieren.
Eine wachsende Zahl von Kantonen und Gemeinden hat die Möglichkeit eingerichtet, dass Bewohner mit langjährigem Aufenthalt an den Kommunalwahlen teilnehmen können. Alle Kantone haben Büros oder Kontaktpersonen, die für die Förderung der Integration von Ausländern verantwortlich sind.
Trotz begrenzter menschlicher und finanzieller Mittel haben die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus und die Fachstelle für Rassismusbekämpfung das Bewusstsein für die Probleme Rassismus und Diskriminierung aus rassistischen Gründen in der Schweiz erhöht. Die Eidgenössische Kommission für Migrationsfragen, die 2008 durch die Zusammenlegung der Eidgenössischen Kommission für Ausländer und der Eidgenössischen Kommission für Flüchtlinge entstand, hat ebenfalls dazu beigetragen, die Aufmerksamkeit auf die Probleme Rassismus und Diskriminierung aus rassistischen Gründen zu lenken, denen Ausländer in der Schweiz ausgesetzt sind.
In Bezug auf die Frage der Einbürgerung sieht ein Bundesgesetz, das am 1. Januar 2009 in Kraft trat, vor, dass alle negativen Entscheidungen hinsichtlich der Einbürgerung, einschließlich jener, die durch Direktdemokratie oder durch einen Gemeinderat erfolgten, Gründe nennen und einer Berufung offen stehen müssen und dass die Privatsphäre der Antragsteller respektiert werden muss.
Die Maßnahmen zur Bekämpfung der Benachteiligungen, denen Schüler mit Migrantenhintergrund beim Zugang zur Bildung ausgesetzt sind, wurden verstärkt. Viele Schulen führen Bildungsprojekte über Menschenrechte durch und bekämpfen dadurch Intoleranz. Lehrer und auch Beamte, die in Kontakt mit Migranten stehen, erhalten immer häufiger eine Ausbildung in Menschenrechten und ein interkulturelles Training.
Der Bundesrat hat eine allgemeine Strategie zur Bekämpfung von Rechtsextremismus entwickelt. Die Behörden haben ein nationales Forschungsprogramm zum Rechtsextremismus verabschiedet, das dazu beigetragen hat, das Wissen über die Ursachen dieses Problems zu vertiefen und Gegenmaßnahmen zu benennen.
Die Bundesbehörden verabschieden regelmäßig Stellungnahmen gegen Rassismus und Intoleranz, insbesondere durch den Widerstand gegen bestimmte von Intoleranz geprägte Eingaben im Parlament und Anträge für Referenden („Volksabstimmungen“), z. B. den Antrag für ein Referendum, das ein Verbot zum Bau von Minaretten zum Gegenstand hatte.
Die Schweizer Behörden haben eine Reihe von Maßnahmen gegen Fehlverhalten seitens der Polizei ergriffen, insbesondere gegen Fehlverhalten rassistischer Natur. Zu diesen gehören ein Training und in einigen Fällen eine größere kulturelle Vielfalt in der Rekrutierung der Mitarbeiter.
ECRI begrüßt diese positiven Entwicklungen in der Schweiz. Doch trotz der erzielten Fortschritte geben einige Fragen immer noch Grund zur Besorgnis.
Im Hinblick auf die gesetzlichen Bestimmungen gegen Rassismus und Diskriminierung aus rassistischen Gründen wurde die Strafgesetzbestimmung gegen Rassismus - §261bis des Strafgesetzbuches – in den letzten Jahren bei mehreren Gelegenheiten öffentlich in Frage gestellt und es wurde sogar seine Abschaffung beantragt. Obwohl die Anwendung der Bestimmung durch die Strafverfolgungsbehörden und die Gerichte allgemein zufriedenstellend ist, gibt es einige Unsicherheiten und Mängel bei ihrer Auslegung, die ihre Wirksamkeit beeinträchtigen. Außerdem weist das Schweizer Strafrecht zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch Lücken auf und deckt nicht alle rassistischen Handlungen wirksam ab.
Viele Quellen und eine ganze Reihe von Studien befassen sich mit Problemen der direkten Diskriminierung aus rassistischen Gründen beim Zugang zu Beschäftigung, Wohnungen, Gütern und Dienstleistungen, insbesondere Kfz-Versicherungen, und in anderen Bereichen, so z. B. der Einbürgerung durch Direktdemokratie. Die Opfer scheinen vorwiegend vom Balkan, aus der Türkei oder aus Afrika zu stammen und/oder Muslime zu sein. Die im Schweizer Recht angewandten Bestimmungen sind augenscheinlich unzureichend, um diesen Formern der Diskriminierung zu begegnen, oder haben zu viele Mängel, und es fehlt eine vollständige Bandbreite an zivil- und strafrechtlichen Gesetzesvorschriften gegen Diskriminierung. In diesem Bereich, wie in anderen Bereichen auch, kommt aufgrund des gemäß Schweizer Rechts vorgesehenen Ausmaßes kantonaler Befugnisse der Entwicklung einer Maschinerie zur Koordinierung und zum Austausch bester Praktiken bei der Bekämpfung von Rassismus und Diskriminierung aus rassistischen Gründen in der ganzen Schweiz eine besondere Bedeutung zu.
Es ist zu einer gefährlichen Polarisierung im politischen Diskurs gekommen. Insbesondere der politische Diskurs der SVP, die bei den Parlamentswahlen 2007 auf Bundesebene das höchste Ergebnis erzielte (29%), hat in den letzten Jahren einen rassistischen und fremdenfeindlichen Ton angenommen, der zu rassistischen Verallgemeinerungen über Ausländer, Muslime und andere Minderheitengruppen in der von ihr verwandten Sprache und in den Bildern geführt hat und zu Anträgen, die von dieser Partei im Parlament eingereicht oder unterstützt oder unmittelbar an das Volk gerichtet wurden. Wiederholte Angriffe gegen die Grundrechte von Ausländern und gegen das Verbot von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit seitens SVP-Mitgliedern haben eine tiefsitzende Beunruhigung in der Schweizer Gesellschaft allgemein und insbesondere in den Minderheitengemeinschaften ausgelöst. Bis heute sind die Versuche, diese Methode, i. e. mit den Ängsten bestimmter Teile der Mehrheitsbevölkerung zu spielen, zu bekämpfen, ohne Erfolg geblieben. Darüber hinaus haben rassistische und fremdenfeindliche Gedanken, die von einigen Politikern verbreitet werden, eine vernichtende Wirkung auf das Klima in Bezug auf die Zielgruppen in der Schweiz.
ECRI stellt fest, dass Immigrantenkinder und Kinder mit Migrantenhintergrund weiterhin bei ihrem Zugang zur Bildung benachteiligt werden und dies trotz der Maßnahmen, die von den Behörden ergriffen wurden, um ihre sprachlichen Barrieren zu überwinden. Nach Verlassen der Schule haben sie aufgrund von Diskriminierung, die auf Stereotypen und Vorurteilen gründet, manchmal Schwierigkeiten, einen Ausbildungsplatz zu finden, wie z. B. bei den Gemeinschaften der Fahrenden, Sinti, Jenischen und Roma.
Die Schweizer Medien geben manchmal rassistische oder fremdenfeindliche Stereotypen wieder, und Medienverweise auf die ethnische Abstammung einer Person, die einer Straftat verdächtigt wird oder wegen einer Straftat verurteilt wurde, selbst dann, wenn diese Information irrelevant ist, ist nach wie vor ein häufig auftretendes Problem.
Obwohl ihre Zahl geringfügig ist, gibt es aktive Neonazis und rechtsextreme Gruppen in der Schweiz, die ihre feindliche Gesinnung gegen Ausländer demonstrieren, manchmal in gewalttätiger Weise, und islamfeindliche und antisemitische Gedanken verbreiten.
Fahrende und Angehörige der jenischen Gemeinschaft mit einem fahrenden Lebensstil erleben immer noch Schwierigkeiten in Bezug auf die Anzahl der verfügbaren Stell- und Durchgangsplätze. Sie leiden weiterhin unter den Vorurteilen und Stereotypen, die manchmal zur Diskriminierung führen. In der Schweiz sind insbesondere die Roma Gegenstand derselben Vorurteile, Stereotypen und Diskriminierung.
Afrikanische Menschen, die in der Schweiz leben, erleben feindliche Reaktionen durch einige Mitglieder der Mehrheitsbevölkerung, die durch den Diskurs mancher Politiker in Bezug auf sie verursacht werden. Eine Reihe von Quellen weisen darauf hin, dass afrikanische Menschen Ziel rassistischer Beschimpfungen und eines rassistischen Profiling seitens der Polizei werden. Dieses Problem wirkt sich offensichtlich auch auf andere Personen aus, die sichtbar ausländischer Abstammung sind.
Ausländer und Asylsuchende müssen sich mit einer strikteren Gesetzgebung bezüglich ihres Rechtsstatus abfinden, die 2008 in Kraft trat, und mit einem stigmatisierenden politischen Diskurs bestimmter Politiker.
In diesem Bericht fordert ECRI die Schweizer Behörden auf, in einer Reihe von Bereichen weiter aktiv zu bleiben; ECRI gibt eine Reihe von Empfehlungen, einschließlich der folgenden: ECRI empfiehlt die Ratifizierung einer Reihe internationaler Rechtsinstrumente, u.a. Protokoll Nr. 12 der Europäischen Menschenrechtskonvention, die ein allgemeines Diskriminierungsverbot enthalten. ECRI fordert, das Strafrecht zur Bekämpfung von Rassismus zu ergänzen, insbesondere durch Einfügen einer Bestimmung, die es ermöglicht, die Strafen für alle Straftaten zu verschärfen, wie z. B. Körperverletzung oder Zerstörung von Eigentum, die rassistisch motiviert sind.
ECRI empfiehlt den Schweizer Behörden, ihre Bemühungen bei der Ausbildung von Polizeibeamten, Staatsanwälten, Richtern und zukünftigen Juristen im Umfang und der Anwendung von §261bis Strafgesetzbuch auszuweiten, der rassistische Handlungen verbietet. Insbesondere sollten Trainingskurse angeboten werden, die verschiedenen Angehörigen des Justizsystems offen stehen, um Informationen und Fachwissen auszutauschen und um zügig eine Verbesserung bei der Anwendung von §261bis durch alle Betroffenen zu erreichen.
ECRI empfiehlt den Schweizer Behörden dringend, umgehend einen zivilen und verwaltungstechnischen Rahmen für den Kampf gegen Diskriminierung aus rassistischen Gründen zu verabschieden, um alle Arten der Diskriminierung in allen Lebensbereichen abzudecken, unter gebührender Berücksichtigung ihrer Allgemeinen Politikempfehlung Nr. 7 über die nationale Gesetzgebung zur Bekämpfung von Rassismus und Diskriminierung aus rassistischen Gründen.
ECRI empfiehlt, die Mittel der Organe, wie z. B. der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus, der Fachstelle für Rassismusbekämpfung und der Eidgenössischen Kommission für Migrationsfragen, zu bündeln und weiter auszubauen.
ECRI empfiehlt den Schweizer Behörden, die ergriffenen Integrationsmaßnahmen zu bewerten, um zu bestimmen, welche zusätzlichen Maßnahmen verabschiedet werden sollten, um die Integration zu fördern und Rassismus und Diskriminierung aus rassistischen Gründen entgegenzuwirken. Während dieser Bewertung sollte den Integrationsvereinbarungen besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden, um zu prüfen, ob die anwendbaren Sanktionen keinen kontraproduktiven Effekt auf die Integration der betroffenen Personen oder auf den Ton der öffentlichen Meinung und Debatte bezüglich der Zielgruppen haben. Sollte die Bewertung zu dem Ergebnis kommen, dass die Integrationsvereinbarungen ineffektiv und kontraproduktiv sind, müssen umgehend alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen werden, um diese Situation zu ändern.
ECRI empfiehlt den Schweizer Behörden, ihre Bemühungen im Kampf gegen Rassismus im politischen Diskurs und in den Medien zu verstärken und allen Formen rassistischer Gewalt entgegenzuwirken.
ECRI empfiehlt den Schweizer Behörden, sicherzustellen, dass alle Angehörigen der Polizeikräfte, seien sie noch im aktiven Dienst oder erst in der Ausbildung, Trainingskurse und Aufklärungskurse absolvieren, in denen die Notwendigkeit behandelt wird, Rassismus und Diskriminierung aus rassistischen Gründen bei der Polizeiarbeit zu bekämpfen, einschließlich „Racial Profiling“ (rassistisch motivierte Behandlung). Sie empfiehlt, Strukturen zu etablieren, die den Austausch guter Praktiken in diesem Bereich zwischen den zahlreichen Polizeikräften auf eidgenössischer, kantonaler und kommunaler Ebene ermöglichen. Im Hinblick auf diese Fragen und alle anderen relevanten Fragen für die Polizei lenkt ECRI die Aufmerksamkeit auf ihre Allgemeine Politikempfehlung Nr. 11 zur Bekämpfung von Rassismus und Diskriminierung aus rassistischen Gründen in der Polizeiarbeit, die Ratschläge hinsichtlich der in diesem Bereich zu ergreifenden Maßnahmen enthält.