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I. Grundsätzliche Überlegungen
1. Einleitung
Solidarité sans frontières kritisiert nicht nur einzelne Bestimmungen und Widersprüche im Entwurf zum neuen Ausländergesetz, sondern lehnt das Konzept, das dem Entwurf zugrunde liegt, ab. Will die Schweiz mit dem Gesetz einen auf Zukunft und Gleichstellung ausgerichteten Weg einschlagen, bedarf es einer Neukonzipierung des Gesetzes. Der Gesetzesentwurf führt die bisherigen Regelungen weiter und schreibt die Einreise- und Aufenthaltsbedingungen von MigrantInnen als „ZweitklasseinwohnerInnen“ fest. Das war nicht immer so: Bis Anfang dieses Jahrhunderts wurden MigrantInnen als Personen wahrgenommen, die gefragte Fähigkeiten und Kenntnisse einbrachten. Diese eher positive Wahrnehmung schlug seit den 30er Jahren, also schon vor dem 2. Weltkrieg in eine negative um: Migration wurde als Bedrohung des „Eigenen“ empfunden. In diesem Geist ist das heute in Revision befindliche Ausländergesetz (ANAG, Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer) entstanden.
Neu am vorgeschlagenen Ausländergesetz ist jedoch, dass es (fast) ausschliesslich die Einreiseund Aufenthaltsregelungen der Angehörigen von Staaten ausserhalb der EU erfasst. Neu ist somit, dass für die als „ZweitklassmigrantInnen“ wahrgenommene Personen ein spezielles Gesetz geschaffen wird. Einreise und Aufenthalt von EU-Staatsangehörigen sind in den bilateralen Verträgen geregelt, wobei selbst die in der EU aufenthaltsberechtigten MigrantInnen unberücksichtigt bleiben. Letztere finden auch im AuG-Entwurf keine Erwähnung und bleiben der Wahrnehmung entzogen. Solidarité sans frontières ersetzt in ihrer Stellungnahme den Begriff „AusländerInnen“ mit demjenigen der „MigrantInnen“, um von der Konnotation der Ausgrenzung und Stigmatisierung wegzukommen.1
1.1. "Integration"
Die Gleichstellung aller EinwohnerInnen, unabhängig von ihrer Herkunft und ihrem Geschlecht, bildet die eigentliche Voraussetzung für eine gute „Integrations“-Politik. Dass in einem „Spezial“-Gesetz für Nicht-EU-MigrantInnen die Gesetzesartikel zur „Integration“ eingefügt sind, weist sehr deutlich auf die überholte Auffassung hin, „Integration“ beziehe sich als Assimilationsmassnahme auf eine besondere Kategorie von MigrantInnen. Die unausgewogene Zusammensetzung der Kommission (ohne VertreterInnen von Einwanderungsgruppen aus dem Nicht-EU-Raum) kommt hier sehr deutlich zum Ausdruck. „Integration“ erfordert ein eigenes Gesetz, da sie nicht nur Nicht-EU-Angehörige, sondern auch EU-Angehörige und SchweizerInnen betrifft.
1 Bei der Verwendung des Begriffs „Migrant/Migrantin“ anstelle von „Ausländer/Ausländerin“ ist uns bewusst, dass beide Begriffe das Spektrum der Menschen, die sie bezeichnen, nicht abdecken. Viele „AusländerInnen“ leben schon seit Jahrzehnten, ja seit Generationen in der Schweiz. Andere sind mit lang- oder kurzfristigen Aufenthaltsperspektiven neu eingereist.2
1.2. Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen
Die in den beiden Regelwerken enthaltenen Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen diskriminieren MigrantInnen aus Ländern ausserhalb der EU gegenüber den BürgerInnen der EU und der Schweiz in unhaltbarem Ausmasse. Die Rechtsungleichheit zwischen den beiden Zuwanderungskategorien schafft nicht nur eine krasse Chancenungleichheit unter den Zuwandernden und Zugewanderten, sondern auch eine Wahrnehmung in der Bevölkerung von „minderwertigen“ MigrantInnen.
Wie der Begleitbericht zum AuG-Entwurf festhält, sollen Aufenthaltsbewilligungen zu Erwerbszwecken für Personen aus Nicht-EU-Staaten nur an „Führungskräfte, Spezialisten oder andere qualifizierte Arbeitskräfte“ ausgestellt und - im Unterschied zu den Bestimmungen für EU-BürgerInnen - anzahlmässig begrenzt werden2. Allerdings sind Gesetzesentwurf und Begleitbericht hierzu äusserst widersprüchlich. Implizit voraussetzend, dass die aus der EU zuwandernden Arbeitskräfte die Nachfrage nach weniger qualifizierten ArbeitnehmerInnen nicht befriedigen können, sieht der AuG-Entwurf (Art. 26) neben Investoren, Kaderpersonen, WissenschaftlerInnen in Ziffer c. auch die „Zulassung“ von Personen mit besonderen beruflichen Kenntnissen vor. Solche Berufsleute aus Ländern ausserhalb der EU, die gerade nicht zur “Elite“ der Manager und Spezialisten gehören, erhalten einen wesentlichen Teil unserer Wirtschaft (z.B. das Gastgewerbe und die Hotellerie, das Bau- und Reinigungsgewerbe, den Verkauf, die Menschenpflege und das Unterhaltungsgewerbe) aufrecht. Mit Ziffer c wird die stets wiederholte Behauptung, unsere Wirtschaft brauche nur Hochqualifizierte aus Nicht-EU-Staaten, Lügen gestraft.
Während die bilateralen Verträge zukunftsgerichtet sind, orientiert sich der AuG-Entwurf an einer überholten Migrationspolitik. Die Ausrichtung auf eine momentan verstärkte wirtschaftliche Nachfrage nach hochqualifizierten Arbeitskräften verstellt nicht nur den Blick auf gesamtgesellschaftliche Bedürfnisse, sondern auch auf die gesellschaftliche Entwicklung der letzten Jahre und der nächsten Jahrzehnte.
Die vorgeschlagenen Einwanderungs- und Aufenthaltsbestimmungen lassen jegliche „Gender“- Perspektive vermissen. Sie enthalten implizit zahlreiche indirekte Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts. Es reicht nicht, eine Gleichstellungsbeauftragte in die vorbereitende Kommission einzubeziehen, die regelmässig überstimmt wird. Die Schweizer Behörden sind mit der Aktionsplattform der UNO-Weltfrauenkonferenz von Peking und dem Aktionsplan der Schweiz zur Gleichstellung von Frau und Mann die Verpflichtung eingegangen „eine Methodologie für einen umfassenden Gleichstellungsansatz zu erarbeiten und bei allen Programmen, Politiken und Praktiken anzuwenden (gender mainstreaming).“3
1.3. „Missbrauchsbekämpfung“
Einer wirksamen Integrationspolitik und einem entwicklungsorientierten Zusammenleben widerspricht die sogenannte „Missbrauchsbekämpfung“, die den AuG-Entwurf prägt. Damit sind MigrantInnen (aus Nicht-EU-Ländern), ähnlich wie Asylsuchende, einem generellen „Missbrauchsverdacht“ ausgesetzt und werden pauschal dazu gezwungen, laufend ihre Konformität und „Unschuld“ zu beweisen. Wenn Immigration, wie im Begleitbericht (und auch im Gesetzesentwurf), schwerpunktmässig mit „Missbrauch“, Kriminalität und Gefährdung der „Sicherheit“ assoziiert wird, wird Immigration schlechthin als Gefahr definiert. Eine solche Wahrnehmung ist genuin fremdenfeindlich und bildet die Grundlage von Rassismus4.
2 Begleitbericht zum Entwurf für ein Bundesgesetz für Ausländerinnen und Ausländer, S. 9-10;
3 Aktionsplan der Schweiz, Gleichstellung von Mann und Frau, Interdepartementale Arbeitsgruppe, verabschiedet im Juni 1999 Bern. Siehe dazu auch: NGO-Bericht der NGO-Koordination post Beijing Schweiz zum Aktionsplan der Schweiz, August 1999, Bern, Zürich; zu beziehen bei Solidarité sans frontières. 4 Siehe dazu: Peo Hansen: Education in a Multicultural European Union, in: Migration, European Journal of International and Ethnic Relations, 19997/32 3
„Missbrauchsbekämpfung“, wie sie der Begleitbericht zur Diskussion stellt und der Entwurf vorschlägt, führt zu schweren Eingriffen in die Privatsphäre und in die Persönlichkeitsrechte. Insbesondere die „Mitwirkungspflicht“ zwingt MigrantInnen (wie bis anhin die Asylsuchenden) zur Akzeptanz von menschenrechtlich unhaltbaren Vorkehrungen. Die Erfahrungen aus dem Zweiten Weltkrieg zeigen, wie wichtig die Hilfe an Menschen ohne Einreise- und Aufenthaltsrecht in Not ist. Die Bestrafung von Menschen, die solche Hilfe leisten, widerspricht jedem demokratischen und ethischen Rechtsempfinden. Der im vergangenen Jahrzehnt aufgebaute Popanz der „Schlepperkriminalität“ verkennt, dass ein grosser Teil der Flucht- und Unterhaltshilfe von Verwandten oder zugewandten Personen ausgeübt wird. Die Abriegelung der Grenzen hat erst die „illegale“ Einreise in grösserem Ausmasse hervorgebracht und eine Professionalisierung der Fluchthilfe unausweichlich gemacht.
1.4. Datenschutz und Amtshilfe
Der Datenschutz, wie ihn der Gesetzesentwurf vorschlägt, schreibt nur die Vollmachten der Behörden auf den Betrieb der Datensammlungen fest, nicht aber die Rechte der Betroffenen auf Auskunft, Berichtigung, Löschung und Löschungsfristen. MigrantInnen werden unabhängig von ihrem Status als Objekte der behördlichen und polizeilichen Datenbearbeitung, nicht aber als Subjekte gesehen, die Anrecht auf den Schutz ihrer Persönlichkeit haben. Gemäss dem heute geltenden AusländerInnengesetz (ANAG) wird bestraft, wer aus Gewinnsucht „einem Ausländer die rechtswidrige Einreise oder das rechtswidrige Verweilen erleichtert oder vorbereiten hilft. Eine solche Unterstützung ist aber straflos, „wenn sie aus achtenswerten Beweggründen geleistet wird“5. Der Entwurf zum neuen Ausländergesetz (AuG) will die Berücksichtigung des Unterstützungsmotivs streichen: bestraft sollen alle werden, die Sanspapiers das Leben erleichtern6. In diesem Zusammenhang ist auch Artkel 85 (Amtshilfe) zu sehen, nach welchem die Behörden des Bundes, der Kantone und der Gemeinden verpflichtet sind, „im Einzelfall Tatsachen bekannt zu geben, die für den Vollzug dieses Gesetzes massgebend sein können.“ Diese behördliche Auskunftspflicht verhindert, dass Sans-papiers ihre in den UNO-Menschenrechtskonventionen festgehaltenen Rechte wahrnehmen können, ohne zu riskieren, unmittelbar ausgeschafft zu werden.
2. Gegenkonzept
Dem missratenen AuG-Entwurf möchten wir ein eigenes, entwicklungsfähiges und gleichstellungsorientiertes Konzept entgegensetzen, das auf einer anderen Wahrnehmung von Migration und den Menschen mit Migrationserfahrung beruht. „Migration findet statt. - Migration ist ein Teil des modernen Gesellschaftsgefüges - Migration ist nicht zufällig“7. Migration hat immer stattgefunden, doch hat sie sich in ihren Destinationen und in ihrer Zusammensetzung verändert. Seit der Einführung des ANAG „ist eine MigrantInnengruppe auf die andere gefolgt, aber die offizielle Politik hat diese Realität im Grunde bis heute nie anerkannt. Die Schweiz ist kein Einwanderungsland, so lautet immer noch die Position des Bundesrates. Gleichzeitig ist überdeutlich, dass dies nicht mit der Realität übereinstimmt. Die Psychologie würde hier von Wirklichkeitsverdrängung sprechen“8. Einwanderung erfolgt aus verschiedenen Motiven: aus Gründen der engen sozialen Beziehungen (aus „familiären“ Gründen), zu Erwerbszwecken, aus medizinischen Gründen oder zur Erlangung einer Ausbildung.
5 ANAG, Art, 23 Abs. 2 und 3
6 AuG-Entwurf, Kapitel 16 (Strafbestimmungen) Art 101-108
7 Sancar Annemarie und Wilhelm Dorothee: Migration - immer schon und unter gegenwärtigen Bedingungen, in: „Migration findet statt“, cfd-Dossier 2/1999, Bern
8 Werner Haug, Zitat aus einem Referat vom 26.8.2000, Olten 4
Die Aufenthaltsbedingungen müssen für alle MigrantInnen, insbesondere für die ersten zwei genannten „Motivgruppen“, gleich sein, unabhängig von ihrem nationalen, ethnischen oder sozialen Hintergrund und unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Position, von ihrem Vermögen oder von anderen Positionen (Art. 7 der UNO-Konvention zum Schutze der WanderarbeiterInnen und deren Familien, nachfolgend MigrantInnenkonvention genannt). Der Aufenthaltsstaat soll, gemäss Konvention, allen MigrantInnen das Recht auf Familieneinheit gewähren und die Familienzusammenführung für alle MigrantInnen erleichtern. Er soll den Zugewanderten und ihren Familienangehörigen möglichst dieselben Rechte wie den StaatsbürgerInnen zuerkennen und den Zugang zu Bildung, Berufsausbildung, zum Arbeitsmarkt sowie zu sozialen und medizinischen Leistungen gleichermassen offenhalten9.
Das Prinzip des „jus sanguinis“ (Recht des Blutes) muss, so das Konzept von Solidarité sans frontières, vom „jus solis“-Prinzip abgelöst werden: Analog den BügerInnenrechten müssen die politischen, sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Rechte nicht über die „Blutsbande“, sondern über das Domizil bestimmt werden. Bei MigrantInnen ohne regulären Aufenthalt soll aufgrund der Aufenthaltsdauer, der Beschäftigung oder anderer wichtiger Gesichtspunkte eine Regularisierung möglich sein (Art. 69, Abs. 2 der MigrantInnenkonvention). Ein Ausländergesetz muss, ähnlich der MigrantInnenkonvention, schwergewichtig die Rechte der MigrantInnen schützen, da sie die gesellschaftlich schlechtest geschützte Gruppe bilden und in überdurchschnittlichem Masse Übergriffen und Diskriminierungen ausgesetzt sind.
2.1. Integration
Integrationdiskurse und -konzepte beinhalten immer auch Vorstellungen der Einordnung in Machtverhältnisse. Ein gleichstellungspolitischer Ansatz, wie ihn Solidarité sans frontières vertritt, erfordert deshalb auch einen kritischen Umgang mit bevormundenden Integrationsmodellen, auch wenn sie gut gemeint sind. Die Prämisse, dass MigrantInnen generell oder als Gruppe spezifische Eigenschaften anhaften, verneinen wir. Wir schliessen uns dem im „Basler Leitbild“ vollzogenen Paradigmawechsel „vom Defizitansatz zum Potentialansatz“ an: “Inskünftig soll in den konkreten Massnahmen das vorhandene menschliche Potential an Errungenschaften, Fähigkeiten und Kompetenzen im Vordergrund stehen, und die Integration als gesamtgesellschaftliches Anliegen, das heisst gleichermassen von Einheimischen und Zugezogenen, verstanden werden.“ Soziale Probleme können im bewussten Umgang mit Differenz nicht als „Ausländerproblem“ angegangen werden10.
Die „Integration“ betrifft die ImmigrantInnen aus den Staaten der EU und ausserhalb der EU sowie die SchweizerInnen gleichermassen. Sie muss in einem eigenem Gesetz erfasst werden und nicht Teil des AuG sein. Das AuG sowie andere Gesetze (z.B. das Einbürgerungsgesetz) haben die Voraussetzungen oder das Fundament bereitzustellen, auf denen ein (gesamtgesellschaftliches) Integrationsgesetz aufbauen kann. Ein Integrationsgesetz muss die folgenden Aspekte umfassen:
- MigrantInnen müssen soweit als möglich in ihren sozialen, wirtschaftlichen kulturellen, bürgerlichen und politischen Rechten den StaatsbürgerInnen gleichgestellt sein. Es sind vor allem die einschränkenden Aufenthaltsbedingungen für MigrantInnen, die Problemkonstellationen hervorrufen, denen ausschliesslich MigrantInnen ausgesetzt sind und gemeinhin als „Integrationsproblem“ der MigrantInnen ausgegeben werden11. 9 International Convention on the Protection of the Rights of All Migrant Workers and Members of their Families, A/Res/45/158, 25.2.1991. Die Konvention wurde von der Schweiz noch nicht unterschrieben. 10Leitbild und Handlungskonzept des Regierungsrates zur Integrationspolitik des Kantons, Basel-Stadt, S. 2, Basel, August 1999 5
- Integration muss als gesamtgesellschaftlicher Umstrukturierungs- und Lernprozess gesehen werden, der alle EinwohnerInnen ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit erfasst. Er umfasst die Bereiche Erziehung, Bildung, Kultur, Gesetzgebung, Sozialwesen, Arbeit, Freizeit, Wohnen und Politik.
- Die Bildung oder die Verstärkung von stereotypen Vorurteilen durch herkunftsbezogene Einreise- und Aufenthaltsvorschriften sind zu vermeiden.
- Unabhängige Institutionen gegen Rassismus und gegen fremdenfeindliche Vorurteile sind so einzurichten, dass sie einen wirksamen Schutz vor Diskriminierung (aufgrund der Ethnie, der nationalen Herkunft und der Anschauungen) gewährleisten.
- Vertrauensbildende und positive Massnahmen sollen bestehende Ungleichheiten korrigieren.
- Um den gesellschaftlichen Gewinn durch die interkulturelle Vielfalt sichtbar zu machen, muss im Bereich Asyl und Migration eine positive Sprache entwickelt und benutzt werden.
2.2. Einwanderungspolitik
Die folgenden Grundgedanken leiten unser einwanderungspolitisches Konzept:
- Die Einwanderungsbestimmungen dürfen nicht nach Herkunft, Nationalität, sozialer Stellung, Religion, „Ethnie“ und Geschlecht diskriminieren.
- Sie soll prioritär von gesamtgesellschaftlichen Interessen ausgehen und den sozialen (und nicht nur familiären) Bindungen Sorge tragen.
- Sie beruht auf keinen „AusländerInnenkontigenten“ oder Begrenzungszahlen.
- Sie soll der „Illegalisierung“ der Einreise entgegenwirken.
- Sie soll der Segmentierung des Arbeitsmarktes nach Herkunft und Geschlecht entgegenwirken. Migration darf nicht mit der Zirkulation von Waren und Kapital verglichen werden. Menschen sind - bei aller Individualität - soziale Wesen, brauchen den Rückhalt von sozialen Netzen, leben mit Kindern, betagten Angehörigen sowie anderen Nahestehenden zusammen und tragen diesen gegenüber soziale Verantwortung. Das Recht, enge soziale Beziehungen aufrecht zu erhalten und zu leben, muss allen Menschen zustehen und darf nicht auf die sogenannte Kernfamilie mit heterogeschlechtlichen Ehepartnern beschränkt sein. Die engen sozialen Beziehungen sind die Grundlage der Gesellschaft - auch in der heutigen mobilen Gesellschaft. Die Immigration zu Erwerbszwecken bildet nur einen Teilaspekt unter anderen nicht weniger wichtigen Migrationsmotiven. Dabei ist den gesellschaftlich unterschiedlichen Positionen von Frauen und Männern Rechnung zu tragen.
Unter den genannten Voraussetzungen lassen sich verschiedene Einwanderungsmodelle entwickeln, die eng verknüpft sein müssen mit einem Aufenthaltsstatus ohne Diskriminierungen. Bis zu dessen Institutionalisierung benötigen MigrantInnen jedoch einen zusätzlichen Schutz, um vor Ausbeutung, Rassismus und Unrecht geschützt zu werden. Deshalb sind die Vorschläge der Initiative Goll aufzunehmen. MigrantInnen sollen gegen Unrecht, wie sexuelle und/oder arbeitsmässige Ausbeutung, Vorenthaltung von Rechtsansprüchen klagen können, ohne das Risiko einzugehen, vor den gerichtlichen Entscheiden abgeschoben zu werden. Deshalb muss ein wirksamer sozialer und rechtlicher Schutz für KlägerInnen und ZeugInnen institutionalisiert 11Isabelle Chaudet, Caroline Regamay, Beatriz Rosender Haver, Jean-Pierre Tabin: Migration et travail social.
Une étude des problèmes sociaux des personnes de nationalité étrangère en Suisse. Ed. Réalités sociales, Lausanne, 2000 6 werden, wie dies die UNO-Spezialkonferenz (Peking+5) „Women 2000“ - mit Beteiligung der Schweiz - im Juni 2000 für Frauen empfiehlt12.
2.3. Vertrauensbildende Massnahmen statt „Missbrauchbekämpfung“
Ohne Einwanderungs- und Aufenthaltsbeschränkungen gäbe es keine Sans-papiers. Die Zunahme der „Sans-papiers“ beruht auf der Zunahme restriktiver Bestimmungen im Migrationsbereich. „Wo die Möglichkeit der Einwanderung und des Aufenthalts so begrenzt ist, wie in Europa, bleibt den MigrantInnen oft nur die Option der Illegalität“. Die meisten europäischen Länder kennen jedoch auch Massnahmen zur Regulierung von Sans-papiers13.
Unser Konzept beruht auf vertrauensbildenden Massnahmen einerseits und auf der Möglichkeit, Konflikte fair auszutragen, andererseits. Sans-papiers müssen ein gegen sie verübtes Unrecht vor Gericht einklagen können, ohne dass sie wegen ihrem fehlenden Aufenthaltsrecht belangt werden. Von besonderer Bedeutung ist dies für vom Frauen- und Kinderhandel Betroffene. Diese - und ihre ZeugInnen - benötigen zusätzliche Schutzbestimmungen, wenn man die Bekämpfung des Menschenhandels ernst nehmen will. Das in der Kinderkonvention 14 und in der Bundesverfassung15 festgehaltene Recht auf Schule muss auch für Sans-papiers-Kinder gelten. Dieses Recht muss explizit festgehalten werden. Schulbehörden dürfen daher auch keiner behörlichen Auskunftspflicht unterworfen werden. Wir unterstützen die Forderungen nach Ombuds- und weiteren Schlichtungsstellen sowie die Institutionalisierung von „AusländerInnen“-Delegierten auf der kantonalen und eidgenössischen Ebene.
Die Zwangsmassnahmen sind nicht auszubauen, sondern zu beseitigen. Den Abgewiesenen müssen bessere Rechtsmittel zugestanden werden, mit denen sie sich wirksam gegen Fehlentscheide wehren können. Der unentgeltliche Rechtsbeistand muss ihnen in jedem Falle gewährt werden. Bei einer Wegweisung muss deren Zulässigkeit und Zumutbarkeit durch eine zuständige Instanz geprüft werden können (Art. 3 EMRK).
Angesichts unserer grundsätzlichen Kritik am vorliegenden Entwurf sowie der in den Grundzügen skizzierten Gegenposition ist eine Detailkritik einzelner Bestimmungen kaum möglich. Die im folgenden präsentierten, stichwortartigen Forderungen zu einzelnen ausgewählten Artikeln machen denn auch deutlich, dass die einzig sinnvolle Überarbeitung dieses Entwurfs nur eine grundsätzliche Neukonzeption sein kann.
II. Vorschläge zu den einzelnen Bestimmungen
Das Kapitel 2 umfasst Art. 3 (Allgemeiner Grundsatz), Art. 4 (Zulassung), Art. 5 (Integration) und Art. 6 (Migrationsaussenpolitik) und steht unter dem Titel „Migrationspolitik“. Einem Gesetz ein Kapitel über die Politik zur Materie einzufügen, ist ein sachfremdes Unterfangen. Niemand käme auf die Idee, dem Familienrecht noch ein Kapitel „Familienpolitik“ einzufügen.
„Integration“ ist in einem separaten Gesetz zu verankern.
12 Twenty-third special session of the General Assembly entitled „Women 2000: gender equality, development and peace for the twenty-first century“, Par. 104, 10. Juni 2000
13 Trends in International Migration, Sopemi, OECD, 1999 Edition
14 Übereinkommen über die Rechte des Kindes, Art. 28
15 BV, Art. 19
7
Zu Art. 7 Einreisevoraussetzungen
Abs. 1) Ausländerinnen und Ausländer, die in die Schweiz einreisen wollen:
a.) müssen ein für den Grenzübertritt anerkanntes Ausweispapier besitzen;
b.) müssen gegebenenfalls über ein Visum verfügen;
c) müssen über die für den Aufenthalt notwendigen finanziellen Mittel verfügen;
d.) dürfen die öffentliche Sicherheit und Ordnung sowie die internationalen Beziehungen der Schweiz nicht gefährden;
e.) dürfen nicht von einer Fernhaltemassnahme betroffen sein.
Abs. 2) Ist ein Aufenthalt von kürzerer Dauer vorgesehen, muss zudem die Wiederausreise gesichert sein.
Abs. 3) Ausländerinnen und Ausländer, die in der Schweiz eine Erwerbstätigkeit ausüben wollen, benötigen für die Einreise ein Visum oder eine Zusicherung der Kurzaufenthalts- oder Aufenthaltsbewilligung.
Abs. 4) Der Bundesrat bestimmt die für den Grenzübertritt erforderlichen Ausweispapiere und legt fest, in welchen Fällen kein Visum oder keine Zusicherung nach Abs. 1 Buchstabe b und Absatz 3 benötigt werden.
Änderungsvorschlag: Ziff. b-d sowie Abs. 2-3 streichen.
Begründung: Ziff. a.) und Abs. 4 (Der Bundesrat bestimmt die für den Grenzübertritt erforderlichen Papiere) genügen dem gesetzlichen Regelungsbedarf. Zu Abs. 1, Ziff. c.): Diese Voraussetzung diskriminiert Zuwandernde aus Nicht-EU-Ländern erheblich gegenüber EU-Angehörigen. Sie entspricht einer Ausgrenzung von Zuwandernden, die über wenig finanzielle Mittel verfügen und deshalb auf eine Arbeit im Ausland angewiesen sind, um sich und ihrer Familie das Überleben zu sichern. Zu Abs. 2): Unklar formulierte Bestimmung: Muss ein Retourbillet vorgelegt werden? Dies wäre kaum praktikabel. Muss das Rückreisegeld mitgebracht werden? Die Mittel für die Rückreise können durch die Arbeit in der Schweiz erworben werden. Muss eine Erklärung für die Rückkehrbereitschaft unterschrieben werden? Die Arbeits- und Lebensbedingungen können sich auch während eines kurzen Aufenthalts verändern (beispielsweise bei Unfall oder Krankheit).
Zu Art. 8 Ausstellung des Visums
Abs.1) Das Visum wird im Auftrag der zuständigen Behörde des Bundes oder der Kantone von den schweizerischen Vertretungen im Ausland oder von einer anderen durch den Bundesrat bestimmten Behörde ausgestellt.
Abs. 2) Bei einer Verweigerung des Visums erlässt die zuständige Bundesbehörde auf Verlangen eine gebührenpflichtige Verfügung. Abs. 3) Zur Deckung von allfälligen Betreuungs- und Ausschaffungskosten kann eine befristete Garantieerklärung, der Abschluss einer Versicherung, die Hinterlegung einer Kaution oder andere Sicherheiten verlangt werden.
Abs. 4) Der Bundesrat regelt die Einzelheiten.
Änderungsvorschlag: Streichen.
Begründung: Die Visumsvorschriften sind zu erleichtern. Die Bestimmungen sind in Abs. 2 und 3 rechtlich und praktisch äusserst problematisch: der Artikel gehört nicht ins Gesetz und muss im Rahmen der Verordnung diskutiert werden.Dasselbe gilt für Art. 11.
Zu Art. 9 Grenzübergangsstellen
Abs. 1) Die Ein- und Ausreise muss über bestimmte, vom zuständigen eidgenössischen Departement für Grenzverkehr als offen bezeichnete Grenzübergänge erfolgen.
Änderungsvorschlag: streichen
Begründung: „Grenztorregelung“ strebt eine totale Kontrolle der Migrationsbewegungen, über die An- und Abmeldevorschriften hinaus, an, die wenig Sinn macht. Die „Grenztorregelung“ hat sich im Asylwesen als undurchführbar erwiesen. Für Zuwandernde ist der richtige „Eingang“ zur Schweiz schwer zu ermitteln. Der Ausreiseweg soll frei bestimmt werden können. 8
Zu Art. 13 Aufenthalt mit Erwerbstätigkeit
Abs. 1) Ausländerinnen und Ausländer, die in der Schweiz eine Erwerbstätigkeit ausüben wollen, benötigen unabhängig von der Aufenthaltsdauer eine Bewilligung. Diese ist bei der am Wohnort zuständigen Behörde zu beantragen.
Abs. 2) Eine Bewilligung wird nur Personen erteilt, die ein Visum oder eine Zusicherung nach Art. 7
Abs. 3 besitzen. Der Bundesrat regelt die Ausnahmen.
Abs. 3) Als Erwerbstätigkeit gilt jede normalerweise auf Erwerb gerichtete unselbständige oder selbständige Tätigkeit, selbst wenn sie unentgeltlich ausgeübt wird.
Änderungsvorschlag: Abs. 2 streichen.
Abs. 3): Als Erwerbstätigkeit gilt jede normal entlöhnte Arbeit.
Begründung: Zu Abs. 2): Da gemäss unserem Einwanderungskonzept eine Anstellung aufgrund der Arbeitssuche während des dreimonatigen bewilligungs- und visumsfreien Aufenthaltes erfolgen kann, ist diese Bestimmung hinfällig.
Zu Abs. 3): Gerade bezüglich der vorwiegend von Frauen geleisteten Arbeit gibt es die „normalerweise auf Erwerb gerichtete Arbeit“ nicht. Die Pflege von Menschen, Kindererziehung, Hausarbeit, Sexarbeit etc. wird mehrheitlich nicht als Erwerbsarbeit erbracht und kann dennoch als Erwerbsarbeit geleistet werden. Unentgeltlich oder aus Gefälligkeit geleistete Arbeit der Bewilligungspflicht zu unterstellen, ist unsinnig. Eine Arbeit ist erst dann als Erwerbstätigkeit zu qualifizieren, wenn ein AHV-pflichtiges Einkommen erreicht wird.
Zu Art. 19 Aufenthalt bis zum Bewilligungsentscheid
Abs. 1) Rechtmässig eingereiste Ausländerinnen und Ausländer dürfen sich bis zum Entscheid über die Erteilung der Bewilligung in der Schweiz aufhalten, sofern sie sich fristgemäss angemeldet haben. Der Entscheid über die Verlängerung einer Bewilligung kann ebenfalls in der Schweiz abgewartet werden. Änderungsvorschlag: MigrantInnen, die während ihres bewilligungsfreien Aufenthaltes eine Arbeitsstelle gefunden haben, dürfen sich bis zur Erteilung der (Kurz-) Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz aufhalten. Der Entscheid über die Verlängerung einer Bewilligung kann ebenfalls in der Schweiz abgewartet werden. Die zuständige kantonale Behörde kann bis zum Bewilligungsentscheid eine provisorische Bewilligung für die Ausübung einer Erwerbstätigkeit erteilen.
Begründung: Während des bewilligungsfreien Aufenthalts können arbeitswillige MigrantInnen eine Anstellung zur Erwerbsarbeit suchen oder ein anderweitiges Auskommen suchen. Gelingt es ihnen, ein solches zu finden, wird ihnen eine Kurzaufenthaltsbewilligung erteilt. Abs. 2) Die zuständige kantonale Behörde kann eine abweichende Verfügung treffen, wenn die Einreise mit einem anderen Aufenthaltszweck erfolgt ist oder wenn der Schutz der öffentlichen Ordnung oder der inneren und äusseren Sicherheit es erfordert.
Änderungsvorschlag: streichen
Begründung: Der Wechsel des Aufenthaltszweckes ist zu erleichtern und darf nicht durch das Risiko einer dem Entscheid vorausgehenden Wegweisung belastet werden. Insbesondere sind die AusländerInnen hinsichtlich allfälliger Wegweisungshindernisse gemäss Art. 3, EMRK, anzuhören; bei Wegweisunghindernissen ist ihnen eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen.
Zu Art. 24 Vorrang
Abs. 1) Ausländerinnen und Ausländer dürfen zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit nur zugelassen werden, wenn nachgewiesen wird, dass keine geeigneten inländischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer oder Angehörige der EU und der EFTA-Mitgliedstaaten gefunden werden können.
Abs. 2) Als inländische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gelten:
a.) Schweizerinnen und Schweizer;
b.) Personen mit einer Niederlassungsbewilligung;
c.) Personen mit einer Aufenthaltsbewilligung, die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt sind.
Änderungsvorschlag: Ganzer Artikel streichen.
9
Begründung: Diese Bestimmung verhindert die wirtschaftliche und soziale Chancengleichheit der Nicht-Staatsangehörigen. Er widerspricht dem Integrationsgedanken (siehe Art. 5 und 53).
Art. 26 Persönliche Voraussetzungen
Abs. 1) Kurzaufenthaltsbewilligungen und Aufenthaltsbewilligungen können an Führungskräfte, Spezialisten oder andere qualifizierte Arbeitskräfte ausserhalb der EU - und der EFTA - Staaten erteilt werden, sofern dies den gesamtwirtschaftlichen Interessen entspricht. Abs. 2) Bei der Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen müssen zusätzlich die berufliche Qualifikation, die berufliche Anpassungsfähigkeit, die Sprachkenntnisse und das Alter eine nachhaltige Integration in den schweizerischen Arbeitsmarkt erwarten lassen.
Abs. 3) In Abweichung von Absätzen 1 und 2 können aufgrund von Kurzaufenthalts- oder Aufenthaltsbewilligungen zugelassen werden:
a.) Investoren und Unternehmer, die neue Arbeitsplätze schaffen;
b.) anerkannte Personen aus Wissenschaft, Kultur und Sport;
c.) Personen mit besonderen beruflichen Kenntnissen oder Fähigkeiten, sofern für deren Zulassung ein Bedarf ausgewiesen ist;
d.) Personen im Rahmen des Kadertransfers von international tätigen Unternehmen;
e.) Personen, deren Tätigkeit in der Schweiz im Rahmen von wirtschaftlich bedeutenden internationalen Geschäftsbeziehungen unerlässlich ist.
Änderungsvorschlag: Ganzer Artikel streichen
Begründung: In einem Gesetz sollen nicht arbeitsmarktliche Zulassungsbestimmungen aufgenommen werden, die auf der zeitlich begrenzten Nachfrage von Grossunternehmen beruhen. Bereits in einigen Jahren könnte das Nachfrageprofil wieder ganz anders aussehen .Grundsätzlich sollen alle arbeitswilligen MigrantInnen freien Zugang zum Arbeitsmarkt haben.
Zu Ziff. c,): Einzige vom Bedarf abhängige „Kategorie“. Sie stellt eine Art Notklausel dar für Zuwandernde, die nicht als „hochqualifiziert“eingestuft werden, umfasst also den ganzen „Rest“ der Arbeitskräfte, die zahlen- und leistungsmässig viel bedeutender sind als die Kategorien a., b., d. und
e.. Auch eine Sexarbeiterin verfügt über besondere berufliche Kenntnisse oder Fähigkeiten.
Zu Art. 27 Unterkunft
Ausländerinnen und Ausländer dürfen aufgrund einer Aufenthaltsbewilligung oder einer Kurzaufenthaltsbewilligung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit nur zugelassen werden, wenn sie über eine angemessene Unterkunft verfügen.
Änderungsvorschlag: streichen
Begründung: Stark einschränkende Bestimmung, vor allem für nicht begüterte ArbeitnehmerInnen,. Es wird zudem von ihnen erwartet, dass sie vom Ausland her eine Vermieterin oder einen Vermieter finden, die sie unbesehen als MieterInnen aufnimmt. Auf der anderen Seite wird von den noch im Ausland weilenden ArbeitnehmerInnen erwartet, dass sie ohne Sichtung des Mietobjektes einen Mietvertrag eingehen.
Zu Art. 30 Aus- und Weiterbildung
Abs. 1) Ausländerinnen und Ausländer können für eine Aus- und Weiterbildung zugelassen werden, wenn:
a.) eine angemessene Unterkunft zur Verfügung steht;
b.) die notwendigen finanziellen Mittel vorhanden sind;
c.) die Wiederausreise gesichert erscheint.
Abs. 2) Bei Minderjährigen muss die Betreuung gesichert erscheinen.
Änderungsvorschlag: Ziff a, b und c streichen. Die Kriterien sollen in erster Linie eine „entwicklungspolitische“ Ausrichtung haben.
10
Begründung: Die Zulassung zur Aus- und Weiterbildung von AusländerInnen darf nicht durch materielle Hürden beschränkt werden. Der Bildungszugang muss wesentlich erweitert werden.
u Art. 31 Rentnerinnen und Rentner
Rentnerinnen und Rentner können zugelassen werden, wenn sie:
a. nicht erwerbstätig sind;
b. ein vom Bundesrat festgelegtes Mindestalter erreicht haben;
c. enge persönliche Beziehungen zur Schweiz besitzen;
d. über die notwendigen finanziellen Mittel verfügen.
Änderungsvorschlag:
b. streichen
c. enge persönliche Beziehungen zur Schweiz besitzen und über die notwendigen finanziellen Mittel verfügen oder
d. die Unterstützung von Angehörigen nachweisen können oder
e. wenn sie Angehörige in der Schweiz haben, auf deren Betreuung sie angewiesen sind
Zu Art. 32 Medizinische Behandlung
Ausländerinnen und Ausländer können zu medizinischen Behandlungen zugelassen werden, wenn deren Finanzierung gesichert ist. Zudem kann ein Nachweis für die Notwendigkeit der Behandlung in der Schweiz verlangt werden.
Änderungsvorschlag: Ausländerinnen und Ausländer können zu medizinischen Behandlungen zugelassen werden, wenn deren Finanzierung gesichert ist oder wenn eine Behandlung in der Schweiz aus medizinischen und sozialen Gründen erforderlich ist.
Begründung: Zulassung zu einer medizinischen Behandlung muss aus humanitären Gründen auch möglich sein, wenn die Finanzierung nicht vollumfänglich gesichert ist. Insbesondere ist dabei die soziale Einbettung des/der Kranken im Herkunftsland und in der Schweiz zu berücksichtigen.
Zu Art. 34 Kurzaufenthaltsbewilligung
Abs.1) Für befristete Aufenthalte bis zu einem Jahr ist eine Kurzaufenthaltsbewilligung zu erteilen.
Abs. 2) Sie kann mit Auflagen verbunden werden.
Abs. 3) Sie kann bis zu zwei Jahren verlängert werden. Bei Erwerbstätigkeit ist eine Verlängerung in der Regel nur möglich, wenn der Arbeitgeber der gleiche bleibt.
Abs. 4) Die Kurzaufenthaltsbewilligung kann nur nach einem angemessenen Unterbruch des Aufenthalts in der Schweiz erneuert werden.
Änderungsvorschlag:
Abs. 2) streichen
Abs. 3) Sie lässt sich nach einem Jahr verlängern. Nach drei Jahren können die Kurzaufenthalterin und der Kurzaufenthalter eine Umwandlung der Bewilligung in ein mehrjähriges Aufenthaltsrecht beantragen.
Abs. 4): streichen
Begründung: Die vorgeschlagene Regelung ist eine neue Version des Saisonnierstatuts. Kurzaufenthalte müssen verlängerbar und in längerfristige Aufenthalte umwandelbar sein. Der Verbleib beim gleichen Arbeitgeber darf nicht Voraussetzung für eine Aufenthaltsverlängerung sein, denn dies würde ArbeitnehmerInnen abhängig von problematischen Arbeitsverhältnissen machen.
Zu Art. 35 Aufenthaltsbewilligung
Abs. 1) Für Aufenthalte mit einer Dauer von mehr als einem Jahr ist eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen.
Abs. 2) Ihre Gültigkeit ist befristet.
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Abs. 3) Sie kann mit Auflagen verbunden werden. Insbesondere kann die Aufenthaltsbewilligung im Hinblick auf den Aufenthaltszweck befristet werden.
Änderungsvorschlag: Abs. 3) streichen
Begründung: Aus integrationspolitischen Gründen ist die Bindung der Aufenthaltsbewilligung an einen festen Zweck und an Auflagen zu unterlassen.
Abs. 4) Ausländerinnen und Ausländer haben nach einem Aufenthalt von fünf Jahren mit einer Aufenthaltsbewilligung Anspruch auf Verlängerung dieser Bewilligung, wenn:
Änderungsvorschlag: Abs. 4) Ausländerinnen und Ausländer haben nach einem bewilligten Aufenthalt von fünf Jahren einen Anspruch auf Verlängerung des Aufenthaltes um fünf Jahre.
wenn:
a.) die Auflagen eingehalten werden;
b) sie nicht auf Fürsorgeleistungen angewiesen sind.
Änderungsvorschlag: a.) und b.) streichen
Begründung: Nach einem Aufenthalt von fünf Jahren, unabhängig vom Aufenthaltsstatus, ist in der Regel die „Integration“ und soziale Einbettung soweit erfolgt, dass eine längerfristige Bewilligung zu erteilen ist, die nicht an Voraussetzungen wie Fürsorgeunabhängigkeit geknüpft werden darf. Die Beanspruchung von Fürsorgeleistungen ist kein persönliches Versagen. In der Regel ist sie vorübergehender Natur, wenn nicht Krankheit oder Beschränkungen des Zugangs zum Arbeitsmarkt eine wirtschaftliche Unabhängigkeit behindern. Von der Voraussetzung der „Fürsorgeunabhängigkeit“ sind vor allem alleinerziehende Mütter nachteilig betroffen, die aufgrund ihrer Doppelbelastung oft nicht in der Lage sind, das benötigte Familieneinkommen vollumfänglich zu erwirtschaften.
Zu Art. 36 Niederlassungsbewilligung
Abs. 3) Ausländerinnen und Ausländer haben Anspruch auf Erteilung der Niederlassungsbewilligung,
wenn:
a.) sie sich insgesamt mindestens zehn Jahre mit Kurzaufenthalts- oder Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz aufgehalten haben und sie während den letzten fünf Jahren ununterbrochen im Besitz einer Aufenthaltsbewilligung waren;
b.) sie nicht auf Fürsorgeleistungen angewiesen sind.
Änderungsvorschlag: a) sie sich insgesamt während 5 Jahren mit einer vorläufigen, Kurz- oder Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz aufgehalten haben und während der letzten drei Jahre im Besitz einer Aufenthaltsbewilligung waren;
Begründung: In der Regel sind MigrantInnen, unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus, nach einem Aufenthalt von fünf Jahren sozial so gut eingebettet und „integriert“, dass sich eine Niederlassungsbewilligung aufdrängt. Es darf nicht mehr vorkommen, dass MigrantInnen, die sich seit mehr als 10 Jahren in der Schweiz aufhalten, aufgrund von vorgeschriebenen Voraussetzungen auf die Rechte von Niedergelassenen verzichten müssen. Denkbar wären höchstens Vorbehalte in besonderen Ausnahmefällen. Eine Niederlassungsbewilligung sollte leichter als eine Einbürgerung zu erreichen sein.
Änderungsvorschlag: b.) streichen (siehe Begründung unter Art. 35)
Zu Art. 39 Kantonswechsel
Abs. 1) Wollen Personen mit einer Kurzaufenthalts- oder Aufenthaltsbewilligung ihren Lebensmittelpunkt in einen anderen Kanton verlegen, so müssen sie im voraus eine Bewilligung des neuen Kantons beantragen.
Abs. 2) Personen mit einer Niederlassungsbewilligung haben Anspruch auf den Kantonswechsel, sofern kein Ausweisungsgrund nach den Art. 62 und Art. 63 besteht.
Abs. 3) Personen mit Aufenthaltsbewilligung haben Anspruch auf den Kantonswechsel, wenn:
a) sie nicht auf Fürsorge angewiesen sind;
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b) sie nicht arbeitslos sind.
Abs. 4) Wollen Personen mit einer Grenzgängerbewilligung den Schwerpunkt der Erwerbstätigkeit in die Grenzzone eines anderen Kantons verlegen, so müssen sie im Voraus eine Bewilligung des neuen Kantons beantragen. Nach einer ununterbrochenen Erwerbstätigkeit von fünf Jahren besteht ein Anspruch auf den Kantonswechsel.
Änderungsvorschlag:
Abs. 1) Wollen Personen mit einer Kurzaufenthalts- oder Aufenthaltsbewilligung ihren Wohnort in einen anderen Kanton verlegen, so müssen sie im voraus eine Bewilligung des neuen Kantons beantragen.
Abs. 2) Personen mit einer Niederlassungsbewilligung haben Anspruch auf den Kantonswechsel. Streichen: sofern kein Ausweisungsgrund nach den Art. 62 und Art. 63 besteht.
Abs. 3) Personen mit Aufenthaltsbewilligung haben Anspruch auf den Kantonswechsel.
a) streichen;
b) streichen.
Begründung:
Zu Abs. 1): Bei der beruflichen Mobilität, die heute ArbeitnehmerInnen abverlangt wird, soll nur der Wechsel des Wohnorts, d.h. des Steuerdomizils, einer Meldungs- und allenfalls einer Bewilligungspflicht unterzogen werden.
Zu Abs. 3) Ziff. a und b: Gerade ArbeitnehmerInnen, die eine neue Erwerbsarbeit suchen, sind auf Kantonswechsel angewiesen. Insbesondere AufenthalterInnen aus Kantonen ohne Grossstädte sind innerhalb des Kantons in den Anstellungsmöglichkeiten sehr eingeschränkt.
neu: Kapitel 7a: Frauenhandel und gewaltbetroffene Frauen
Das Kapitel 7a müsste aufgrund einer Anhörung von fachlich kompetenten NGOs erarbeitet und erweitert werden
Art. 7a.1 Aufenthaltsrecht für Opfer von Straftaten gegen die körperliche und sexuelle Integrität MigrantInnen, die Opfer oder Zeuginnen von Straftaten gegen die körperliche und sexuelle Integrität, namentlich von Frauenhandel geworden sind, erhalten während der Dauer des gerichtlichen Verfahrens ein Aufenthaltsrecht. Das Aufenthaltsrecht wird auch bei Lohnklagen aufgrund ausbeuterischer Arbeitsverhältnisse gewährt.
Zu Art. 43 Ausweise
Abs. 1) Ausländerinnen und Ausländer erhalten in der Regel einen Ausweis, der festhält, welche Bewilligung sie besitzen Änderungsvorschlag: MigrantInnen erhalten nach dem bewilligungsfreien Aufenthalt von drei Monaten einen Ausweis, der festhält, welche Bewilligung sie besitzen.
Abs. 2) Der Ausweis für Personen mit Niederlassungsbewilligung wird zur Kontrolle für drei Jahre ausgestellt.
Abs. 3) Vorläufig Aufgenommene (Art. 77), Schutzbedürftige und Asylsuchende erhalten einen Ausweis, der ihre Rechtsstellung festhält.
Änderungsvorschlag: Abs. 3) streichen
Begründung: gehört in den Asylbereich und nicht ins AusländerInnengesetz
Zu Art. 44 Familiennachzug von Schweizerinnen und Schweizern
Abs. 1) Ausländische Familienangehörige von Schweizerinnen und Schweizern haben Anspruch auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung, wenn sie mit ihnen zusammenleben.
Änderungsvorschlag:
Abs. 1) Ausländische Familienangehörige von Schweizerinnen und Schweizern haben Anspruch auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung. (Nebensatz streichen)
Begründung: Die Voraussetzung des Zusammenlebens ist unnötig und nicht mehr zeitgemäss; sie führt zudem zu grossen Härten.
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Abs. 2) Als Familienangehörige gelten:
a.) der Ehegatte und die Verwandten in absteigender Linie, die noch nicht 21 Jahre alt sind oder denen Unterhalt gewährt wird; b.) die eigenen Verwandten und die Verwandten des Ehegatten in aufsteigender Linie, denen Unterhalt gewährt wird.
Änderungsvorschlag: a) der Ehegatte, der geschiedene Ehegatte, wenn die Scheidung während des Aufenthaltes in der Schweiz erfolgt ist und die Verwandten in absteigender Linie, die noch nicht 21 Jahre alt sind oder denen Unterhalt gewährt wird;
Änderungsvorschlag: neu: c) der Lebenspartner auch des gleichen Geschlechts in einer Lebensgemeinschaft.
Abs. 3) Nach einem ordnungsgemässen und ununterbrochenen Aufenthalt von fünf Jahren haben die ausländischen Ehegatten von Schweizerinnen und Schweizer Anspruch auf eine Niederlassungsbewilligung.
Änderungsvorschlag:
Abs. 3) Nach einem ordnungsgemässen und ununterbrochenen Aufenthalt von fünf Jahren haben die ausländischen Ehegatten und Lebenspartner (gemäss Abs. 2, Ziff. c.) von Schweizerinnen und Schweizern Anspruch auf eine Niederlassungsbewilligung
Zu Art. 45 Ehegatten und Kinder von Personen mit Niederlassungsbewilligung
Abs. 1) Ausländische Ehegatten von Personen mit Niederlassungsbewilligung haben Anspruch auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung, wenn die Ehegatten zusammenleben.
Änderungsvorschlag: Abs. 1)....wenn die Ehegatten zusammenleben streichen.
Begründung: Die nationalrätliche Kommission ist dem Anliegen der Initiantin Nationalrätin Goll gefolgt, die unterschiedliche Behandlung der Ehegatten von SchweizerInnen und von Niedergelassenen aufzugeben: In beiden Fällen soll die Voraussetzung für ein Aufenthaltsrechts das Vorliegen einer Ehe sein, d.h. den Gatten soll es möglich sein, getrennt zu leben. Ein Getrenntleben kann aus unterschiedlichen Gründen erfolgen: Arbeitsverhältnisse der Ehegatten in voneinander entfernten Orten oder der Wunsch, eigenständig zu wohnen. Im Falle von Ehekrisen kann das Getrenntleben eine Ehe retten. Frauen von gewalttätigen Ehegatten sollen auf keinen Fall gezwungen sein, in der gemeinsamen Wohnung auszuharren. Der Nationalrat ist dem Kommissionsvorschlag aus diesen Gründen gefolgt. Der parlamentarische Entscheid soll nicht durch das neue Ausländergesetz zunichte gemacht werden. Die Option des Getrenntlebens soll allen Ehegatten, unabhängig von ihrer Herkunft und von ihrem Aufenthaltsstatus, offenstehen.
Zu Abs. 46 Familienangehörige von Personen mit Aufenthaltsbewilligung
Personen mit Aufenthaltsbewilligung haben für die Dauer ihres Aufenthalts Anspruch auf Nachzug ihrer Ehegatten und ledigen Kinder unter 18 Jahren, wenn:
a.) sie zusammenleben;
b.) eine angemessene Wohnung vorhanden ist;
c) sie nicht auf Fürsorgeleistungen angewiesen sind.
Änderungsvorschlag:
Personen mit Aufenthaltsbewilligung haben für die Dauer ihres Aufenthalts Anspruch auf Nachzug ihrer Ehegatten oder Lebenspartner und ledigen Kinder unter 18 Jahren.
a.), b.) und c.) streichen
Ergänzung: Ausschlaggebend für den Kindesnachzug ist das Wohl des Kindes.
Begründung: Gemäss der UNO-Konvention über die Rechte der Kinder erklären sich die Vertragsstaaten überzeugt, „dass der Familie als Grundeinheit der Gesellschaft und natürlicher Umgebung für das Wachsen und Gedeihen aller ihrer Mitglieder, insbesondere der Kinder, der erforderliche Schutz und Beistand gewährt werden sollte...“(Präambel).“Die Vertragsstaaten stellen sicher, dass ein Kind nicht gegen den Willen seiner Eltern von diesen getrennt wird...“(Art. 9). „Die Vertragsstaaten sichern dem Kind, das fähig ist, sich eine eigene Meinung zu bilden, das Recht zu, diese Meinung in allen das Kind berührenden Angelegenheiten frei zu äussern, und berücksichtigen die Meinung des Kindes angemessen und entsprechend seinem Alter und seiner Reife“ (Art. 12). Die mit der Konvention eingegangene Verbindlichkeit verpflichtet die Schweiz, bei der Frage des Familiennachzugs das Wohl des Kindes in den Vordergrund zu stellen. In Zweifelsfällen ist das nachzuziehende Kind anzuhören. Bedingungen wie unter b.) und c.) aufgeführt, sind sekundäre Kriterien, die hinter dem Kindeswohl zurückstehen müssen. Ehegatten ohne Kinder haben gemäss den UNO-Pakten I und II ebenfalls ein Recht auf Eheleben. Macht man dieses Recht von wirtschaftlichen Kriterien abhängig, werden ausländische Paare gegenüber ausländischen Alleinstehenden diskriminiert.
Zu Art. 47 Familienangehörige von Personen mit Kurzaufenthaltsbewilligungen
Personen mit Kurzaufenthaltsbewilligungen kann für die Dauer ihres Aufenthaltes der Nachzug ihrer Ehegatten und ledigen Kinder unter 18 Jahren bewilligt werden, wenn
a.) sie zusammenleben;
b.) eine angemessene Wohnung vorhanden ist;
c.) sie nicht auf Fürsorgeleistungen angewiesen sind.
Änderungsvorschlag: Personen mit Kurzaufenthaltsbewilligung haben für die Dauer ihres Aufenthaltes Anspruch auf den Nachzug ihres Ehegatten oder Lebenspartners und ihrer ledigen Kinder.
a.), b.) und c) streichen
KurzaufenthalterInnen sollen ebenfalls einen Anspruch auf Familiennachzug geltend machen können und nicht aufgrund ihres Aufenthaltsstatus schlechter gestellt werden. Ohne einen solchen Anspruch kann die Bestimmung die prekären Aufenthaltsbedingungen von Saisonniers reproduzieren. Weitere Begründung siehe unter Art. 46.
Zu Art. 48 Nachträglicher Familiennachzug
Abs. 1) Schweizerinnen und Schweizer sowie Personen mit Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung müssen den Familiennachzug für die gesamte Familie innerhalb von fünf Jahren nach Entstehung des gesetzlichen Anspruchs (Art. 45 - Art. 46) geltend machen.
Abs. 2) Später eingereichte Gesuche werden nur bewilligt, wenn wichtige familiäre Gründe für die nachträgliche Herstellung der Familiengemeinschaft bestehen.
Änderungsvorschlag: ganzer Artikel streichen
Begründung: Diese Verschärfung schränkt auf unzulässige Weise das Recht auf Familie ein (Art. 8 EMRK).
Zu Art. 51 Auflösung der Familiengemeinschaft
Nach Auflösung der Familiengemeinschaft besteht Anspruch der Ehegatten und Kinder auf Erteilung der Aufenthaltsbewilligung nach Art. 45 und Art. 46 weiter, wenn wichtige persönliche Gründe einen weiteren Aufenthalt in der Schweiz erforderlich machen. Die Frist zur Erteilung der Niederlassungsbewilligung richtet sich nach Art. 36.
Änderungsvorschlag:
Nach Auflösung der Ehe besteht der Anspruch der Ehegatten und Kinder auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung weiterhin, wenn die Ausreise aus der Schweiz aufgrund persönlicher Verhältnisse unzumutbar ist und wenn die ausländische Ehefrau oder der ausländische Ehemann
a) psychischer oder physischer Gewalt unterworfen gewesen ist;
b) zu sexuellen Kontakten gezwungen worden ist;
c) einer Gefährdung im Heimatland ausgesetzt würde.
Begründung: An der vom Nationalrat gutgeheissenen Version ist aus folgenden Gründen festzuhalten:
a) Erst nach einer Scheidung - und nicht bereits bei einer Trennung - darf die weitere Verlängerung und Erteilung der Aufenthaltsbewilligung einer Beurteilung unterzogen werden. Die Unzumutbarkeit einer Aufenthaltsverweigerung aufgrund „von persönlichen Verhältnissen“ muss jedoch an klare Kriterien gebunden sein und darf nicht dem freien Ermessen der Fremdenpolizei überlassen werden.
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b) Die Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung darf nicht von der Fürsorgebedürftigkeit (Art. 46, Ziff. c.) abhängig gemacht werden. Geschiedene Ehegattinnen stehen nach einer Scheidung oft ziemlich mittellos da und müssen sich eine neue wirtschaftliche Existenz aufbauen. Für geschiedene Frauen mit Kindern ist dies besonders schwierig, da sie meistens wegen ihrer Mehrfachbelastung keine Vollzeitbeschäftigung annehmen können und als Ausländerinnen in geringerem Masse Zugang zu gut bezahlten Arbeitsstellen haben.
Ausgehend von einem unabhängigen Aufenthaltsrecht von Ehegatten, auch nach der Scheidung, müsste der ganze Artikel gestrichen werden.
Zu Art. 52 Ausschluss
Die Ansprüche nach Art. 44 - Art. 49 und Art. 51 erlöschen, wenn:
a.) sie rechtsmissbräuchlich geltend gemacht werden, namentlich um die Vorschriften dieses Gesetzes oder der Ausführungsbestimmungen über die Zulassung und den Aufenthalt zu umgehen;
b.) ein erheblicher oder wiederholter Verstoss gegen die öffentliche Ordnung in der Schweiz oder im Ausland vorliegt;
c.) eine Gefährdung der inneren oder äusseren Sicherheit besteht.
Änderungsvorschlag: Die Ansprüche nach Art. 44 - Art. 49 und Art. 51 können widerrufen werden, wenn:
a.) sie durch absichtlich falsche Angaben oder wissentliches Verschweigen wesentlicher Tatsachen erreicht worden sind;
b) streichen
c) Streichen; stattdessen:
Dem Widerruf der Aufenthaltsbewilligung sind die anderen Familienangehörigen nicht unterworfen.
Begründung: Die Gesetzgebung über den Familiennachzug darf nicht zu einem polizeilichen Sanktionsinstrument werden. Gegen einen Widerruf der Aufenthaltsbewilligung muss das Recht auf Einsprache gewährt werden. Die Betroffenen müssen zudem das Recht (gemäss Art. 3, EMRK) wahrnehmen können, zu allfälligen Wegweisungshindernissen angehört zu werden. Die Begründung einer Aufenthaltsbeendigung mit „rechtsmissbräuchlichem Verhalten“ lässt Willkür und beliebige Auslegung zu, welchen die Betroffenen wehrlos ausgesetzt sind. Aufenthaltsbeendende Gründe wie „erheblicher oder wiederholter Verstoss gegen die öffentliche Ordnung“ sind zu vage und können Teilnahme an politischen Aktionen sowie Bagatelldelikte umfassen wie wiederholtes Schwarzfahren in den öffentlichen Verkehrsmitteln oder kleinere „Missetaten“ von Kindern und Jugendlichen. Mit der vorgeschlagenen „Missbrauchbestimmung“ schweben MigrantInnen unablässig in Gefahr, wieder ausgewiesen zu werden. Diese Unsicherheit verhindert eine Integration in unsere Gesellschaft. Sippenhaft bei Straftaten ist unzulässig und bringt die Ehefrauen und Kinder häufig in menschlich unhaltbare Zwangssituationen.
Die folgenden Artikel zur „Integration (Kapitel 8, Art. 53-55) sind für ein „Integrationsgesetz“, das nicht nur Nicht-EU-Angehörige umfasst, zu überarbeiten.
Zu Art. 53 Förderung der Integration
Abs. 1) Bund und Kantone berücksichtigen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben die Anliegen der Integration und fördern die Zusammenarbeit zwischen den Behörden und privaten Organisationen in diesem Bereich.
Änderungsvorschlag: Bund und Kantone verfolgen eine gemeinsame Integrationspolitik und fördern die Zusammenarbeit zwischen den Behörden, den Migrationsdelegierten und privaten Organisationen in diesem Bereich.
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Abs. 2) Der Bund kann für die Integration von Ausländerinnen und Ausländern finanzielle Beiträge ausrichten; diese werden in der Regel gewährt, wenn sich die Kantone, Gemeinden oder Dritte angemessen an den Kosten beteiligen.
Änderungsvorschlag: Der Bund entrichtet für die Integration von Ausländerinnen und Ausländern finanzielle Beiträge; ...
Zu Art. 54 Ausländerkommission
Der Bundesrat setzt eine aus Schweizerinnen und Schweizern sowie Ausländerinnen und Ausländern bestehende, beratende Kommission ein und legt ihre Aufgaben fest. Sie befasst sich insbesondere mit der:
a.) Situation der Ausländerinnen und Ausländer;
b.) Unterstützung von Behörden und Organisationen bei der Integration der Ausländerinnen und Ausländer;
c.) Information gemäss Art. 55
Änderungsvorschlag: Die Ausländerkommission ist dem Bundesrat direkt unterstellt. Er setzt eine aus Schweizerinnen und Schweizern sowie Ausländerinnen und Ausländern bestehende, beratende Kommission ein, die paritätisch nach Herkunft und Geschlecht zusammengesetzt ist; er legt ihre Aufgaben fest.
Sie befasst sich insbesondere mit:
a.) dem Zusammenleben von Einheimischen und MigrantInnen und der Schaffung eines Klimas des gegenseitigen Respektes;
Begründung: Integration ist eine departementsübergreifende Aufgabe und darf keinesfalls dem EJPD allein unterstellt werden. Weitere Begründung: Siehe Einleitung: Integration
Neu:
Art. 54a Die oder der Ausländerdelegierte
Das Forum der MigrantInnen (oder allenfalls die Kommission) wählt die Ausländerdelegierte oder den Ausländerdelegierten, die als Vermittlungsstelle zwischen Behörden und MigrantInnen sowie privaten Organisationen und Einzelpersonen tätig sind.
Die Delegiertenstelle übernimmt folgende Aufgaben:
a) Unterstützung bei der Umsetzung von Integrationsbemühungen von MigrantInnenorganisationen auf nationaler Ebene
b) Sensibilisierung der Öffentlichkeit für integrative Lösungen
c) Anlaufstelle und Vernittlung bei Konflikten zwischen MigrantInnen einerseits und Behörden und Einheimischen andererseits
d) Beratung bei nationalen Forschungsprogrammen zu Integration, Migration und Rassismus
e) Vermittlung bei fehlender Übereinstimmung von verschiedenen Integrationsprojekten
f) Teilnahme an internationalen Konferenzen und Treffen zum Thema Integration, Migration und Rassismus
Zu Art. 55 Information
Abs. 1.) Die zuständigen Behörden des Bundes und der Kantone informieren die Ausländerinnen und Ausländer angemessen über die Lebens- und Arbeitsverhältnisse sowie über ihre Rechte und Pflichten in der Schweiz.
Änderungsvorschlag: Die zuständigen Behörden des Bundes und der Kantone informieren über die Lebens- und Arbeitsverhältnisse von Einheimischen und MigrantInnen sowie über mögliche Hilfe bei Schwierigkeiten und Konflikten. Sie fördern einen sorgsamen Umgang mit Differenz und treten der Kulturalisierung und Ethnisierung von sozialen, geschlechtsspezifischen und strukturellen Problemen entgegen.
Zu Art. 77 Ausgestaltung der vorläufigen Aufnahme
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Abs. 1) Vorläufig aufgenommene Personen erhalten einen Ausweis, der zur Kontrolle mit einer Laufzeit von höchstens zwölf Monaten ausgestellt wird. Der Aufenthaltskanton verlängert ihn unter Vorbehalt von Art. 76 in der Regel um höchstens zwölf Monate.
Änderungsvorschlag: 1) Vorläufig aufgenommene Personen erhalten eine Daueraufenthaltsbewilligung gemäss Art. 35, wenn sie sich bereits seit drei Jahren in der Schweiz aufhalten; andernfalls erhalten sie eine Kurzaufenthaltsbewilligung, gemäss. Art. 34. Absätze 2-7 streichen.
Begründung: Die vorläufige Aufnahme erfolgt hauptsächlich im Asylbereich. Es handelt sich bei der vorläufigen Aufnahme um einen prekären Aufenthaltsstatus für Menschen mit längerfristigen Lebensperspektiven in der Schweiz. Vorläufig Aufgenommene sollen die gleichen Aufenthaltsrechte wie andere MigrantInnen geniessen. Der Status F wird damit hinfällig.
Zu Art. 85 Amtshilfe
Abs. 1) Die Behörden des Bundes, der Kantone und der Gemeinden sind im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgaben zur Amtshilfe verpflichtet, im Einzelfall Tatsachen bekanntzugeben, die für den Vollzug dieses Gesetzes massgebend sein können. In der Regel erfolgt die Anfrage schriftlich und begründet.
Abs. 2) Den für den Vollzug dieses Gesetzes zuständigen Behörden werden folgende Daten über Ausländerinnen und Ausländer auf Verlangen regelmässig mitgeteilt:
a. Eröffnung von Strafuntersuchungen;
b. gerichtliche Verurteilungen;
c. Änderungen des Zivilstandes
Änderungsvorschlag: ganzer Artikel streichen.
Begründung: Diese Bestimmung verpflichtet die Behörden zur Weitergabe von personenbezogene Daten. Der bisherige Artikel im ANAV (Art. 15), auf den sich diese Regelung abstützt, verpflichtet die Polizei- und Gerichtsbehörden zur „Mitteilung von Tatsachen, nach denen die Anwesenheit eines Ausländers als unerwünscht oder den fremdenpolizeilichen Vorschriften zuwiderlaufend erscheinen kann.“ Die neue Bestimmung, die denselben Zweck verfolgt, hindert Sans-papiers daran, ihnen zustehende Rechte der UNO-Konventionen wahrzunehmen, da sie damit rechnen müssen, nach Kontakten mit allen Behörden ausgeschaffen zu werden. Statt umfassender Mitteilungspflicht würde eine Beschränkung auf den Zugriff zum Strafregister, den das BFA hat, ausreichen.
Zu Art. 101 Rechtswidrige Ein- oder Ausreise, rechtswidriger Aufenthalt und Erwerbstätigkeit ohne Bewilligung
Abs. 1) Wer Einreisevorschriften verletzt, namentlich trotz einem Einreiseverbot einreist, wer sich rechtswidrig, namentlich nach Ablauf des bewilligungsfreien oder des bewilligten Aufenthalts, in der Schweiz aufhält, wer eine nicht bewilligte Erwerbstätigkeit ausübt, wer nicht über die vorgeschriebene Grenzübergangsstelle ausreist (Art. 9), wird mit Gefängnis bis zu einem Jahr oder mit Busse bis zu 20'000 Franken bestraft.
Die gleiche Strafandrohung gilt, wenn nach der Ausreise aus der Schweiz die Einreise in das Hoheitsgebiet des anderen Staates unter Verletzung der dort geltenden Einreisebestimmungen erfolgt.
Abs. 2) Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Busse.
Abs. 3) Von der Strafverfolgung, der Überweisung an das Gericht oder der Bestrafung kann bei rechtswidrig ein- oder ausgereisten Ausländerinnen und Ausländern abgesehen werden, wenn sie sofort ausgeschafft werden.
Änderungsvorschlag: Abs. 1) Wer sich rechtswidrig, namentlich nach Ablauf des bewilligungsfreien oder des bewilligten Aufenthalts, in der Schweiz aufhält, wird verwarnt und zu den Gründen seines / ihres rechtswidrigen Aufenthaltes angehört. Wird eine Ausweisung verhängt, muss eine Frist gewährt werden, welche dem Betroffenen die Regelung von privaten und rechtlichen Angelegenheiten gewährleistet.
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Abs. 2) streichen
Abs. 3) streichen
Begründung: Abs. 1) Da gemäss unseren Vorschlägen jede Person ein Anrecht auf einen visumsoder bewilligungsfreien Aufenthalt von drei Monaten hat, können keine Einreisevorschriften verletzt werden. Ebensowenig gibt es Vorschriften über die Art der Ein- und Ausreise (siehe Kommentar zu Art. 9).
Der unbewilligte Aufenthalt in der Schweiz soll nicht mit Busse oder Gefängnis bestraft werden. Vor einer Wegweisung muss der Migrantin oder dem Migranten das rechtliche Gehör gewährt werden. Bis zur angeordneten Ausreise soll der betroffenen Person ausreichend Gelegenheit und Zeit - in Freiheit! - zur Verfügung stehen, um ihre Angelegenheiten (z.B. Wohnung, Arbeitsverhältnis, rechtliche Verfahren) zu regeln.
Die Ausübung einer Erwerbstätigkeit, selbst wenn sie unbewilligt ist, ist grundsätzlich nicht strafbar. Geahndet werden kann lediglich die Verletzung von Arbeitsrechten durch den Arbeitgeber, namentlich die Unterschlagung von Sozialleistungen oder die Unterbezahlung.
Durch ein AuG nach unseren Änderungsvorschlägen würde die Anzahl der illegalisierten AufenthalterInnen („Sans-Papiers“) beträchtlich gesenkt.
Zu Art. 102 Förderung der rechtswidrigen Ein- und Ausreise sowie des rechtswidrigen Aufenthaltes Abs. 1) Wer im In- oder Ausland einer Ausländerin oder einem Ausländer die rechtswidrige Ein- oder Ausreise oder das rechtswidrige Verweilen in der Schweiz erleichtert oder vorbereiten hilft, wird mit Gefängnis bis zu einem Jahr oder mit Busse bis zu 20'000 Franken bestraft. Die gleiche Strafdrohung gilt, wenn nach der Ausreise aus der Schweiz die Einreise in das Hoheitsgebiet des anderen Staates unter Verletzung der dort geltenden Einreisebestimmungen erfolgt. In leichten Fällen kann auch nur auf Busse erkannt werden.
Abs. 2) Wer in der Absicht, sich oder einen anderen unrechtmässig zu bereichern, im In- oder Ausland einer Ausländerin oder einem Ausländer die rechtswidrige Ein- oder Ausreise oder das rechtswidrige Verweilen in der Schweiz erleichtert oder vorbereiten hilft, wird mit Gefängnis nicht unter einem Jahr und mit Busse bis zu 100'000 Franken bestraft. Die gleiche Strafdrohung gilt, wenn:
a) nach der Ausreise aus der Schweiz die Einreise in das Hoheitsgebiet des anderen Staates unter Verletzung der dort geltenden Einreisebestimmungen erfolgt;
b) Der Täter für eine Vereinigung oder Gruppe von Personen handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung dieser Tat zusammengefunden hat.
Änderungsvorschläge: Abs. 1) Wer in der Absicht, sich zu bereichern, einer Ausländerin oder einem Ausländer das rechtswidrige Verweilen in der Schweiz erleichtert, wird bestraft. Das Strafmass richtet sich nach dem Ausmass der Bereicherung. Strafverschärfend wirken Eingriffe in die persönliche Integrität und Ausbeutung der AusländerInnen
Abs. 2) Wer aus achtbaren Beweggründen einer Migrantin oder einem Migranten den rechtswidrigen Aufenthalt in der Schweiz erleichtert, wird von einer Strafe befreit. Um den rechtswidrigen Aufenthalt zu beenden, werden aufgrund der Aufenthaltsdauer, der Beschäftigung oder anderer wichtiger Gesichtspunkte Regularisierungsmassnahmen vorgenommen.
Begründung: Zu Abs. 1: Um Sans-Papiers aus ihrer ungeschützten Situation und aus Ausbeutungsverhältnissen zu befreien sowie sie vor Verletzungen ihrer persönlichen Integrität zu bewahren, müssen einerseits die betroffenen MigrantInnen in der Wahrnehmung ihrer Rechte gestärkt und andererseits die Profiteure rechtlich verfolgt werden. Wie die zahlreichen Fälle von Zwangsprostitution oder sklavenähnlichen Arbeitsverhältnissen zeigen, kann dieser Missbrauch nicht bekämpft werden, wenn die Missbrauchten und die ZeugInnen des Missbrauchs von Vergeltungsmassnahmen und von Abschiebung bedroht sind.
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Zu Abs. 2: Sans-Papiers sind zur Wahrnehmung ihrer Rechte auf die Unterstützung von ihnen wohlgesinnten Dritten angewiesen.
Einzelpersonen und NGOs, die eine solche Aufgabe übernehmen, sollen nicht nur Straffreiheit geniessen, sondern bei ihren Bemühungen staatlich unterstützt werden. Ein Vorschlag für Regularisierungsmassnahmen enthält die Motion Fankhauser zur Amnestie für Sans-Papiers. Sie wurde vom Nationalrat als Postulat gutgeheissen.