SVP-Grenzschutz-Initiative: Frontaler Angriff auf das Asylrecht

Artikel
Bild Dustere Formen mit einer pinkigen Flecke

Mitte Februar 2024 machte die SVP via CH Media bekannt, welche Forderungen ihre schon im Herbst 2023 im Tagesanzeiger angekündigte «Grenzschutz-Initiative» beinhalten wird. Schon lange vor dieser Ankündigung brachte die Partei verschiedene Vorstösse ins Parlament ein, die sie nun in der Initiative bündeln will und die alle in der Frühjahrssession diskutiert werden: Systematische Kontrollen an den Schweizer Grenzen (Motion 23.4448 im Ständerat sowie Motion 23.3193 im Nationalrat), Einreiseverweigerungen und Abweisung von Asylgesuchen bei Einreise durch Drittstaaten (Motion 22.4398 im Nationalrat und ähnlich Motion 23.4534 im Ständerat), sowie eine Obergrenze für die Asylgewährung von 5'000 Gesuchen pro Jahr (vergleichbar mit Motion 22.4547 im Nationalrat). 

 

Wenig überraschend wurden all diese Vorstösse vom Bundesrat inzwischen zur Ablehnung empfohlen. So aussichtslos sie also sind, so offensichtlich ist die Absicht dahinter: Auch das Parlament soll dazu gebracht werden, sie abzulehnen und sich selbst dadurch als unwillig erweisen, die Forderungen der SVP aufzugreifen. Im Anschluss an die Session, bei ihrer Delegiertenversammlung am 23. März 2024 in Langenthal (BE), wird die SVP die Initiative dann offiziell beschliessen. Der Boden für noch weitergehende Angriffe sowohl auf das Asylrecht als auch auf die Reisefreiheit im Schengenraum ist dann schon bereitet. 

 

Trotz dieser offensichtlichen und leicht durchschaubaren Manöver lohnt sich ein genauerer Blick auf die Vorstösse: Was fordern sie eigentlich genau und was macht die «Grenzschutz-Initiative» zu einem Frontalangriff auf das Schweizer Asylrecht?

 

Die ersten beiden Forderungen sind eng miteinander verzahnt. Während der Ruf nach Wiedereinführung von Grenzkontrollen bei der SVP schon ein alter Hut ist, zeigt sich an der zweiten Forderung die eigentliche Absicht dahinter: Mit den systematischen Kontrollen will die SVP nicht nur Kriminalität bekämpfen oder undokumentierte Einreisen verhindern, es geht ihr viel weitgehender darum, den Zugang zum Schweizer Asylsystem zu versperren. Denn nichts anderes bezweckt der Vorschlag, bei fehlenden Einreiseberechtigungen Einreiseverweigerungen auszusprechen: Rückschiebungen ohne Prüfung der Schutzwürdigkeit würden an den Grenzen zur Norm und das Schweizer Asylsystem wäre quasi nur noch zugänglich, wenn Geflüchtete in der Schweiz vom Himmel fallen würden. Mit anderen Worten: es geht um eine Legalisierung von pushbacks mitten in Europa.

 

Ein weiteres Merkmal der beiden Forderungen ist eine Abkehr von der individuellen Prüfung von Verfolgung und Schutzwürdigkeit, hin zu einer Verweigerung von Asylverfahren aufgrund von Nationalität oder bestimmten Fluchtwegen. In immer mehr Fällen soll die Schutzwürdigkeit von vornherein ausgeschlossen werden, nur weil Menschen aus einem bestimmten Herkunftsland kommen (z.B. einem Europaratsstaat) oder aber auf ihrer Flucht bestimmte Drittstaaten (z.B. andere Schengen-/Dublin-Staaten) durchquert haben, in denen sie bereits Schutz hätten finden können. Diese Entwicklung steht klar im Widerspruch zum individuellen Ansatz der Genfer Flüchtlingskonvention und versagt einem grossen Teil der Geflüchteten den Zugang zum Asylverfahren. Gemäss der Flüchtlingskonvention ist es jedoch irrelevant, wie Geflüchtete die Schweiz erreicht haben. Es zählt einzig die Frage, ob sie in ihrem Herkunftsland individueller Verfolgung ausgesetzt waren.

 

Die Idee einer Obergrenze bei der Asylgewährung, die in anderen Ländern aufgrund ihrer schlichten Völkerrechtswidrigkeit schon wiederholt verworfen werden musste, reiht sich in diesen Frontalangriff auf das Schweizer Asylrecht ein, setzt aber doch noch einen anderen Schwerpunkt. Der Vorschlag befeuert das von der SVP vermittelte Gefühl der Überlastung des Asylsystems und suggeriert, es wäre ein Gnadenakt, wenn «wir» «Fremde» bei uns aufnehmen würden – womit man es aber wahrlich nicht übertreiben dürfe. Dass sich die Partei von law and order damit offen gegen rechtsstaatliche Prinzipien stellt (die sie bei der Ausschaffung abgewiesener Asylsuchender wiederum vehement einfordert), ist nur eine der vielen traurigen Pointen dieser perfiden Politik. Mit ihrer national-chauvinistischen Haltung erzeugt sie darüber hinaus auch die Stimmung in der Bevölkerung, mit der sie Herr und Frau Schweizer im Zuge ihrer «Grenzschutz-Initiative» dann dazu bringen will, sich impulsiv dagegen zu wehren, von zu vielen Asylsuchenden ausgenutzt und übervorteilt zu werden.

 

Labels