Fortsetzung der rechten Hetze gegen eritreische Staatsangehörige

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Femme faisant un discours pendant une manifestation

Die Motion Minder ist der x-te Versuch, Abschiebungen nach Eritrea zu ermöglichen. Minder begründet diese Notwendigkeit mit den «rund 2000 neuen Asylanträgen pro Jahr». Diese neuen Anträge sind jedoch hauptsächlich auf Geburten und Familienzusammenführungen zurückzuführen. Es handelt sich größtenteils um Personen, die sich bereits in den Kantonen aufhalten und größtenteils in die Gesellschaft integriert sind. Dies weil, wie Thomas Minder selbst berichtet, die Schutzquote für eritreische Staatsangehörige zwischen 85% und 89% liegt, bei einer Asylgewährungsquote von 68%. Dieses parlamentarische Geschäft, das ebenfalls kurz vor den Wahlen eingereicht wurde, ist nur ein Sturm im Wasserglas. Sie ist Teil der parlamentarischen Hetze der bürgerlichen Rechten gegen eine verfolgte Gemeinschaft, deren Schutzbedürfnis vom internationalen Recht stets anerkannt wurde. 

 

Im Dezember 2005 entschied die Asylrekurskommission, dass eritreische Personen, die aus der Armee desertierten oder sich weigerten, in Eritrea zu dienen, aufgrund der ihnen drohenden Gefahren als Flüchtlinge anerkannt werden sollten. Christoph Blocher, der damalige Justiz- und Polizeiminister, befürchtete eine Sogwirkung und leitete eine dringliche Änderung des Asylgesetzes ein. Die führte 2013 dazu, dass die abstimmende Bevölkerung eine Revision annahm, die Desertion und Dienstverweigerung als Asylgrund in der Schweiz ausschloss.

 

Parallel dazu haben sich die Fraktionen der SVP und der FDP im Parlament gegenseitig behindert. Zwischen 2007 und 2018 wurden nicht weniger als 30 parlamentarische Vorlagen von der SVP und ein Dutzend von der FDP eingereicht, die alle darauf abzielten, das Asylrecht für eritreische Staatsangehörige einzuschränken und ihre Abschiebung zu erleichtern. 

 

Trotz internationaler Expertisen

Im Juni 2015 zeugt ein Bericht der Vereinten Nationen vom Ernst der Lage in Eritrea. Es wird eine Untersuchungskommission gebildet, die feststellen soll, ob das herrschende Regime Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat. Parallel dazu reiste eine parlamentarische Kommission aus der Schweiz nach Eritrea. Ihre Schlussfolgerungen nach der Rückkehr sind realitätsfern: Es handle sich um «ein Land, das sich öffnet», das "nicht die Hölle ist, für die man es hält". Drei Gründe, diese Behauptungen in Frage zu stellen: Erstens, die Reise wurde vom Schweizer Honorarkonsul in Eritrea organisiert, einer umstrittenen Persönlichkeit, die für ihre Nähe zum Regime bekannt ist; Zweitens, Beobachter:innen des Völkerrechts haben keinen Zugang zum Land; Drittens sprach  die Schweizer Delegation nur mit Unterstützer:innen der Regierung und hatte keinen Zugang zu Gefängnissen.

 

Später in diesem Jahr wird ein Bericht der Bundesverwaltung veröffentlicht, der von einem Postulat Pfister gefordert worden war. Der Text ist klar: In Eritrea gibt es keine Gewaltenteilung, die Bürger:innen haben keine Möglichkeit, gegen willkürliche Entscheidungen über Straf-, Geld- oder Haftstrafen vorzugehen. Politische Gefangene werden in Containern oder unterirdischen Zellen inhaftiert, wo Folter und unmenschliche und erniedrigende Behandlung, die bis zum Tod führen kann, an der Tagesordnung sind. Schließlich ist der zivile oder militärische Nationaldienst obligatorisch und zeitlich nicht begrenzt und kann Zwangsarbeit gleichkommen. Schließlich belegte Eritrea 2016 den weltweit letzten Platz in der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen.

 

Im selben Jahr bestätigt die UN-Untersuchungskommission, dass in eritreischen Haftanstalten, militärischen Trainingslagern und an anderen Orten im ganzen Land in den letzten 25 Jahren weit verbreitete und systematische Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen wurden.

 

Der Abbau von Rechten geht in der Schweiz weiter

Im Jahr 2017 werden drei wegweisende Urteile des BVGer gefällt. Das erste begründet den Ausschluss von Deserteuren von der B-Bewilligung, das zweite hält es nicht für gefährlich, Personen abzuschieben, die bereits ihren Militärdienst geleistet haben, und das dritte hält fest, dass es in Eritrea keine Situation allgemeiner Gewalt gibt, die Abschiebungen unzulässig machen würde. 

 

Dies hat zur Folge, dass das SEM zwischen Februar 2018 und September 2019 die Dossiers von über 3000 eritreischen Staatsangehörigen mit einer vorläufigen Aufnahme prüft. 83 Aufnahmen werden aufgehoben. Die verbleibenden Bewilligungen können nicht aufgehoben werden, da es sich um Personen handelt, die nach internationalem Recht als Flüchtlinge anerkannt, aber nach Schweizer Recht (der berühmte, 2013 verabschiedete Ausschluss für Deserteure und Kriegsdienstverweigerer) vom Status des F-Ausweises für Flüchtlinge ausgeschlossen sind.

 

Aktuelle Situation von eritreischen Staatsangehörigen in der Schweiz

Am 30. September 2023 lebten 8249 eritreische Personen mit einer F-Bewilligung in der Schweiz, davon 6164 seit mehr als sieben Jahren. Von diesen 8249 Personen haben 2947 eine «einfache» vorläufige Aufnahme (Ausweis F) und 5302 einen Ausweis F Flüchtling. Bis Ende Dezember 2022 wurde das Asylverfahren bei 278 Personen abgelehnt, die dem Nothilferegime unterstehen. Die Situation von abgewiesenen Jugendlichen, die an Arbeit und Ausbildung gehindert werden, wurde im Kanton Genf genau dokumentiert.

 

Es ist wichtig, daran zu erinnern, dass diese Verschärfung der Schweizer Praxis in keiner Weise einer Veränderung der Menschenrechtssituation in Eritrea entspricht. Der UNO-Sonderberichterstatter bestätigt noch im Juni 2023, dass der Nationaldienst mit Zwangsarbeit gleichzusetzen ist. Die Schweizer Praxis wurde übrigens Anfang des Jahres vom CAT (UN-Ausschuss zur Abschaffung der Folter) an den Pranger gestellt. Das Urteil sagt ganz klar: «Asylsuchende, die nach Eritrea zurückkehrten, waren bei ihrer Rückkehr schweren Bestrafungen ausgesetzt, einschließlich lang andauernder geheimer Inhaftierung, Folter und Misshandlung, und Frauen waren vielfältigem Missbrauch ausgesetzt, einschließlich sexueller Gewalt, Vergewaltigung oder Androhung von Vergewaltigung und sexueller Belästigung, und dies bei Straflosigkeit für die Täter.»

 

Die Behandlung der exilierter Eritreer:innen steht sinnbildlich für die bürgerliche Asylpolitik: Trotz der Expertise anerkannter BeobachterInnen des internationalen Rechts scheint ihr Fokus nur auf Ausgrenzung um jeden Preis zu liegen. Abschiebungen von Schutzsuchenden aus Eritrea sind nach wie vor nicht möglich: Das Regime in Asmara akzeptiert keine Zwangsrückführungen. Personen, deren Asylantrag in der Schweiz abgelehnt wurde, sind deshalb zum Nothilferegime verurteilt.

 

Das Beispiel Eritrea zeigt, dass das von der bürgerlichen Rechten beklagte Asylchaos sehr oft von ihnen selbst geschaffen wird. Wäre das Schutzbedürfnis der eritreischen Menschen von Anfang an ernst genommen und respektiert worden, hätten sie sich schon lange niederlassen, ausbilden und arbeiten können. Sie würden nicht mehr unter das Asylsystem fallen. Die bürgerlichen Ausgrenzungsbemühungen erzeugen nicht nur Leid bei den Betroffenen, sondern binden auch grosse parlamentarische, administrative und finanzielle Ressourcen, die viel besser in die viel besser in Massnahmen und Programme investiert würden, die es Menschen erlaubt, Teil dieser Gesellschaft zu werden investiert wären.