Eindrücke einer ausserordentlichen Session

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zeichnung ven schwarz/weissen Regenbogen, der eine ist pink

Auf Antrag der SVP haben beide Räte am 10. und am 13. März 2025 im Rahmen einer ausserordentlichen Session zahlreiche asyl- und migrationspolitische Vorstösse diskutiert und entschieden. Über die anstehenden Geschäfte hat Sosf im Rahmen seines Parlamentsmonitorings bereits ausführlich berichtet.

 

Ich habe die ausserordentlichen Asyl-Sessionen teilweise live mitverfolgt. Für mich lehrreich war einerseits die Mechanik des Parlaments. Das Parlament debattiert strikt entlang den Nummern der verschiedenen Geschäfte. Gleichlautende und ähnliche Anträge werden von der Sitzungsleitung zusammengeführt und miteinander diskutiert. Zuerst werden die Sprecher:innen der zuständigen Kommission angehört. Danach findet – je nach Gewicht des Vorstosses – allenfalls eine zusätzliche Diskussion statt. Dann kann der zuständige Bundesrat die Vorstösse kommentieren und Antrag auf Annahme oder Ablehnung stellen. Parlamentarier:innen können anschliessend einzeln je eine Frage (aber keinen Kommentar!) an den Bundesrat richten. Dann folgt die Abstimmung über das einzelne Geschäft. 

 

Das Niveau der Debatten war sehr unterschiedlich. Wenige Voten waren tiefschürfend, mehrere waren schockierend frei von Kenntnissen der Materie oder gar unbedarft. Immer wieder wurde auf die Beunruhigung in der Bevölkerung verwiesen. Damit diese nicht noch grösser werde, müsse man jetzt zum Schutz der asylberechtigten Geflüchteten griffige Massnahmen ergreifen. Dass diese zum grösseren Teil nur symbolischen Charakter haben, kaum realisierbar oder gar völkerrechtswidrig sind, fand zum Teil offen Anerkennung. Nonchalant zugestimmt wurde aber in der Abstimmung dennoch… 

 

Bewusst wurde mir einmal mehr, welch grossen Einfluss die Kommissionssitzungen haben. Von den Ergebnissen jener Beratungen wird im Gesamtrat meistens nicht mehr abgewichen, ausser es kommen massive Zweifel von bürgerlicher Seite. So konnte Mitte-Ständerat Würth SVP-Ständerat Germann dazu bewegen, seine Motion zur Änderung von Art. 22 AsylG (Flughafenverfahren) zurückzuziehen, wonach geschlossene Asylzentren an der Grenze entstehen sollten. Würth verwies dafür auf die Geografie (anders als in Deutschland gibt es Platzmangel in der Rheinebene) und auf die tatsächliche Unmöglichkeit, die ankommenden Geflüchteten wochenlang bis zum Entscheid einzusperren. Jeweils am Schluss der Diskussion hatte Bundesrat Jans das Wort. Er nahm sich jeweils viel Zeit und hielt engagierte Voten, wobei er die Sicherheit der Gesellschaft in den Vordergrund rückte und ausführlich darlegte, was die Behörden im Migrationsbereich heute schon tun. Im Nationalrat musste er sich von vielen SVP-Vertreter:innen kritische Fragen und Kommentare anhören, die er aber kurzerhand parierte. In seinen Referaten bezeichnete er zahlreiche Vorstösse als völkerrechtswidrig und/oder nicht realisierbar. 

 

Immerhin hat der Ständerat keine weiteren Einschränkungen des Familiennachzugs angenommen. Dennoch hat auch der Ständerat Vorstösse gutgeheissen, die eindeutig zu weit gehen. So wurden die Motion Friedli 24.4429 «Kein Asylverfahren und kein Bleiberecht für Verbrecher. Bevölkerung endlich schützen!» mit 30 Ja gegen 10 Nein und die Motion Schwander 24.4495 «Bevölkerung schützen. Bewegungsfreiheit von Asylkriminellen konsequent einschränken» mit 28 Ja gegen 11 Nein angenommen. Weiter will der Ständerat vom Bundesrat ein Beschleunigungspaket für das Asylwesen. Und er hat auch die Motionen Salzmann 24.3498 und der SVP-Fraktion 24.3059 «Datenaustausch bei illegalen Migranten systematisieren» angenommen, obwohl entsprechende Gesetze, so sie denn erlassen werden, Sans-Papiers in völlige Prekarität treiben könnten. Weiter hat die kleine Kammer die Motion Schwander 24.3515 «Asylsuchende, die ein sicheres Land durchqueren, sind keine Flüchtlinge» abgelehnt und damit erledigt. Es bestanden Bedenken, dass sie das Dublin-System aushebeln würde. Angenommen hat der Rat schliesslich die Motion Fässler 24.3937, wonach Wegweisungsverfügungen rascher und konsequenter zu vollziehen sein sollen. Die angenommenen Vorstösse gehen nun an den jeweils anderen Rat oder an dessen zuständige Kommission. Fertige Gesetze wurden also noch nicht beschlossen.