Die schwierige Realität von geflüchteten Frauen: Von einem Trauma zum nächsten

Artikel
Photo de couverture de l'édition spéciale sur la grève féministe

Wir mögen von Stabilität träumen, dabei kann sich unser Leben von einem Tag auf den anderen total verändern. Ich weiss das, weil ich nun schon seit fünf Jahren weit weg von meinem Land und meinem vertrauten Umfeld bin. Die Beobachtungen, die ich gemacht habe, als ich in die Schweiz kam, und die ich immer noch mache, haben mir durch verschiedene Erfahrungen gezeigt, dass es die Schwierigkeiten, die mit einem bereits sehr belastenden Status verbunden sind, sich noch verschärft darstellen, wenn man Geflüchtete und Frau ist. Niemand kann die Tatsache in Frage stellen, dass es aus vielen Gründen schwierig ist, eine geflüchtete Person zu sein. Wenn wir uns genauer ansehen, was das für uns als Frauen bedeutet, werden wir direkt mit den dunkelsten Schattenseiten des Geflüchtetenstatus‘ konfrontiert.

 

Konkret beginnen die Schwierigkeiten von Frauen bereits in dem Moment, in dem sie ihre Reise antreten. Frauen sind auf den Migrationsrouten verschiedenen Gefahren ausgesetzt: Misshandlung, Gewalt, Menschenhandel, Folter, Vergewaltigung etc. Darüber hinaus haben Migrantinnen bei ihrer Reise Schwierigkeiten, ihre Grundbedürfnisse zu befriedigen, und ihr Zugang zu medizinischer Versorgung ist eingeschränkt. All dies führt zu tiefgreifenden körperlichen und seelischen Traumata. Die Heilungsprozesse sind langwierig und können ein ganzes Leben beeinträchtigen. Manchmal müssen die Frauen aus verschiedenen Sicherheitsgründen ihre Kinder zurücklassen und allein ins Ungewisse aufbrechen, in der Hoffnung, eine bessere Zukunft für ihre Familie zu schaffen. Im umgekehrten Fall sind sie zusätzlich zu ihrer eigenen, ohnehin schon schwierigen Sicherheitslage,uch noch für die ihrer Kinder verantwortlich. Sicherheit ist an sich schon ein grosses Problem; Migrantenfamilien reisen in der Regel auf beschwerlichen Routen und sind mit sehr gefährlichen Situationen konfrontiert. Da die Sicherheit der Kinder Priorität hat, müssen Migrantinnen ihre Anstrengungen verdoppeln, um sie zu schützen. Sie sind eine sehr verletzliche Bevölkerungsgruppe, die mit Gefahren konfrontiert ist, die schon für eine Einzelperson schwer zu bewältigen sind. Im Falle eines Unfalls ist es nicht möglich, Zugang zu einem Gesundheitsdienst zu erhalten. Flüchtlinge sind an Grenzen und speziellen Grenzübergängen oftmals lebensbedrohlichen Gefahren ausgesetzt. Wir wissen, dass die Reisebedingungen hart und manchmal unbarmherzig sind.

 

Was passiert in den Aufnahmezentren für Flüchtlinge in der Schweiz?

Es wird oft fälschlicherweise angenommen, dass der Weg in die Schweiz der schwierigste Teil der Flucht war und dass wir uns nun endlich in einer "sicheren Zone" befinden. Meine Erfahrung hat mir jedoch gezeigt, dass es noch viele andere Schwierigkeiten gibt.

 

Zentren für Asylsuchende sind vorübergehende Orte, an denen sie ein Bett, Essen, Wasser und Gesundheitsversorgung finden. Die in diesen Lagern lebenden Frauen sind jedoch mit einer Reihe von Problemen konfrontiert.

 

Frauen, die in Flüchtlingslagern leben, sind häufig sexuellem Missbrauch, Vergewaltigung und anderen Formen sexueller Gewalt ausgesetzt. Diese Fälle werden systematisch totgeschwiegen, und den Frauen wird oftmals zum Schweigen geraten. Die Institutionen, die für die Sicherheit in den Lagern verantwortlich sind, entmutigen häufig die Anzeige von Gewalt, indem sie die Täter schützen und die Opfer tadeln. Wir können uns daher die Frage stellen: „Wer schützt wen?“ Dies lässt sich zum Teil dadurch erklären, dass die Lager oft überfüllte, isolierte und daher unsichere Orte sind.

 

Das weitgehende Fehlen von Gesundheitsdiensten in den Aufnahmezentren verhindert eine würdige Lebensqualität, insbesondere für Frauen. Beispielsweise benötigen Frauen während der Schwangerschaft, der Geburt und der Zeit danach eine spezielle medizinische Versorgung. Der Mangel an Gesundheitspersonal und medizinischer Ausrüstung in den Zentren kann dazu führen, dass Frauen dafür kämpfen müssen, obwohl es sich dabei um ein Grundrecht handelt. Darüber hinaus haben Menschen ohne Aufenthaltsgenehmigung in der Schweiz keinen Zugang zu angemessenen Behandlungen, Medikamenten und effektiven und schnellen medizinischen Leistungen. Sie müssen monatelang warten, um einen Termin für eine Konsultation zu erhalten.

 

Die Lebensbedingungen in den Lagern sind oft zu prekär. Die Menschen leben in überfüllten Umgebungen und teilen sich begrenzte Räume, was ernsthafte Auswirkungen auf ihre emotionale und körperliche Gesundheit haben kann.

 

Weiter oben habe ich auf die "temporäre" Dimension von Lagern und Heimen hingewiesen. Diese Zeitlichkeit ist jedoch sehr oft zu subjektiv. Wie wir wissen, sind diese sogenannten temporären Orte der erste Ort, an dem die Ungewissheit beginnt. Niemand weiss wirklich, wie lange er/sie dort bleiben wird.

 

Die meisten Angestellten dieser Zentren sind überhaupt nicht qualifiziert, die Menschen auf ihrem Weg zu begleiten, und sie sind manchmal auch die Ursache für bestimmte Probleme in den Lagern. Ich habe sehr oft demütigendes Verhalten von ihnen erlebt. Wenn zum Beispiel eine Mutter um ein Stück Brot für ihr Kind bittet und man es ihr sofort verweigert, ist das eine Machtdemonstration, die verdeutlichen soll, wer herrscht und somit auch wer entscheidet. Oder ich erinnere mich, dass eine Frau im Lager um einen Platz gebeten hatte, der weit weg von den anderen Männern lag, wo sie ab und zu ihre Ruhe haben konnte. Ihr hat man geantwortet, man sei „hier nicht in einem Hotel“.

 

Einige männliche Geflüchtete, die in denselben Zentren leben, können Frauen sexuell belästigen, ohne Angst haben zu müssen, da deren Bedürfnisse nicht ernst genommen werden. Ich musste schon viele ekelhafte Kommentare mit sexuellen Anspielungen anhören, wie "Wann hast du das letzte Mal eine Banane gegessen? Möchtest du eine Banane essen?"

 

Die Angestellten dieser Zentren reagierten nicht darauf, da es sich ihrer Meinung nach nur um Worte oder Spass handelt und man sowieso "nichts tun könne...". Niemand will sich also um das Gefühl der Sicherheit kümmern, das jeder Mensch braucht.

 

Ich verbrachte ein Jahr meines Lebens in einem Bunker und wartete darauf, dass sich die Dinge änderten, in der Hoffnung, dass es besser werden würde, weil eine Frau die Verantwortung für das Lager hatte. In den folgenden Jahren wurde ich von einem Lager zum anderen gebracht.

 

Folgende Argumente wurden gegen mich verwendet, um die ständigen Ortswechsel zu rechtfertigen: Ich wurde als eine Person abgestempelt, die sich nicht an die Regeln des Zentrums hält und nach Luxus strebt. Manchmal traf ich ORS-Mitarbeiter, deren Familien einen Migrationshintergrund hatten, allerdings konnte ich bei ihnen keinerlei Fähigkeit zur Empathie feststellen. Diese Personen behandelten uns genauso schlecht wie alle anderen. Als ich einmal von einem anderen Flüchtling, mit dem ich im selben Haus wohnte, körperlich angegriffen wurde, sagte eine diensthabende Assistentin zu mir: „Wir haben viel über Sie gehört und gelesen, jetzt sehen wir sie zum ersten Mal“. Mir wurde also klar, dass ich Teil ihres Klatsches war und dass mein Ruf als Geflüchtete, die Luxus sucht, mir folgte. Dabei war alles, was ich wollte, alles, was wir wollten, ein Leben unter grundlegenden menschlichen Bedingungen und ein wenig Verständnis. Für die Assistent*innen, die für ORS arbeiteten, waren wir nichts als Probleme, ich hatte das Gefühl, Robotern ohne menschlichen Werte gegenüberzustehen.

 

Schliessen Sie nun Ihre Augen und stellen Sie sich vor, dass Sie in einem Bunker leben

Ohne Sicherheit, mitten in einem Wald mit einer einzigen weiblichen Leiterin, die sechs geflüchtete Frauen unter 60 bis 70 Männern beaufsichtigt, ohne Türen oder Schutz. Fügen Sie nun hinzu, dass die Leiterin diese sechs Frauen allein lässt, verlassen inmitten von Schwierigkeiten, ohne zu versuchen, ihnen zu helfen oder ihnen einen sicheren Raum zu bieten, da sie sie als nicht existent ansieht. Was denken Sie über dieses Bild? Kann man sagen, dass es sich um einen Albtraum handelt? Ich denke schon. Ich habe diesen Albtraum ein Jahr lang erlebt. Ich hatte kein Geld, um in die Stadt zu gehen, ich kannte niemanden, aber ich habe überlebt. Ich musste reden, ich musste soziale Kontakte knüpfen. Wissen Sie, wie ich das tat? Ich verliess mein Zimmer, das durch einen einfachen roten Samtvorhang abgegrenzt war, und ging in den Wald. Dort sprach ich mit den Bäumen, erzählte ihnen, was ich an diesem Tag erlebt hatte, tanzte mit ihnen und küsste sie. Wir schmiedeten Pläne, wie wir fliehen konnten, denn niemand konnte uns hören.

 

Wir wurden an einen unterirdischen Ort gebracht, der von der Gesellschaft isoliert war, um die Schweizer*innen nicht zu stören. An diesem versteckten Ort störten wir nicht nur niemanden, sondern wir lernten auch, unsere Identität als Frauen zu verbergen, um nicht gestört zu werden.

 

Sind wir tatsächlich unsichtbar?

Warum sind wir so unsichtbar? Warum helfen uns die feministischen Bewegungen, Vereine und aktivistischen Einzelpersonen, die wir in den Streiks und am 8. März auf den Strassen gesehen haben, nicht dabei, unsere Stimmen zu erheben? Warum marschiert niemand an unserer Seite? Warum werden unsere Bedürfnisse ständig unsichtbar gemacht?

 

Eine weitere Frage, die ich mir stelle, ist: Wo sind die Flüchtlingsfrauen, die einen Asylantrag gestellt haben? Und wo sind die Frauen, die eine Aufenthaltsbewilligung erhalten haben? Was machen sie? Mit welchen Problemen sind sie konfrontiert? Wie lösen sie ihre Probleme? Was tun sie, wenn sie mit häuslicher Gewalt, Arbeitslosigkeit oder sprachlicher Isolation konfrontiert sind? Wie fühlen sich Frauen, die keine Sprachkurse besuchen können oder Frauen, die aufgrund des sozialen Drucks in ihrer eigenen Gemeinschaft nicht am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können, die manchmal gezwungen sind, allein für ihre Familie zu sorgen? Was tun Frauen, die sich nicht in den Arbeitsmarkt integrieren können, die durch Gerüchte und Verleumdungen von Mitgliedern ihrer eigenen Gemeinschaft bedroht werden. Ob innerhalb oder ausserhalb ihres eigenen Haushalts, sie stehen unter ständigem Druck.

 

Warum sind geflüchtete Frauen allein? Gründe dafür sind Sprachbarrieren, Rechtsunsicherheit, soziale Diskriminierung, wirtschaftliche Schwierigkeiten oder Druck in der Familie. Aber auch die Sicherheit der Kinder, Bildung, Gesundheit, Armut, Trennung, soziale Isolation oder Probleme bei der Kinderbetreuung. Hinzu kommen Obdachlosigkeit, kulturelle Konflikte, Gewalt oder psychologische Probleme – die Liste könnte endlos weitergeführt werden. Warum finden all diese Schwierigkeiten, mit denen migrierende Frauen zu kämpfen haben, in den feministischen Kämpfen nicht genügend Raum? Warum werden sie oft ignoriert?

 

In vielen Teilen der Welt kämpfen Frauen immer noch gegen reaktionäre, feudale und rechtsextreme Politik. Man könnte sagen, dass „Frau“ fast schon ein Synonym von „kämpfen“ ist. Frauen haben oft mutig die Führung im Kampf um soziale und politische Gleichheit, die Verteidigung ihrer Freiheiten und das Streben nach Gerechtigkeit übernommen. Der Kampf der Frauen ist immer ein Hoffnungsträger und erinnert uns jeden Tag an den Wert von Kämpfen und kollektiver Organisation.

 

Aber wird die Stimme der migrierenden Frauen auch genügend gehört in den feministischen Kämpfen?

 

Untersuchungen zeigen, dass geflüchtete Frauen in der feministischen Bewegung nicht ausreichend vertreten sind und dass es viele Hindernisse für ihre Teilnahme am Aktivismus gibt. Zum Beispiel betont Tavakoli (2019), dass ihre Beteiligung Aktivismus in Australien durch Faktoren wie, Sprache, Rasse und soziale Klasse behindert wird. Außerdem betont Tavakoli, dass geflüchtete Frauen zögern, Aktivistinnen zu werden, weil sie einerseits von der Familie unter Druck gesetzt werden und andererseits wegen der unterschiedlichen sozialen Normen, die sie im Aufnahmeland antreffen.

 

Diner (2018) stellt Beispiele für die Unterrepräsentation von geflüchteten Frauen in feministischen Bewegungen vor, insbesondere in Westeuropa, wo diese ihnen nicht genügend Raum geben, um ihre Erfahrungen und Perspektiven zu teilen.

 

Yegenoglu (2018) führt Beispiele für die eingeschränkte Beteiligung von geflüchteten Frauen an feministischen und antirassistischen Bewegungen an. Insbesondere wird angemerkt, dass einige Bewegungen, indem sie sich auf die kulturellen Unterschiede von geflüchteten Frauen konzentrieren, diese eindimensional darstellen und ihre Erfahrungen ignorieren. Diese Beispiele zeigen verschiedene Perspektiven auf die Repräsentation von Flüchtlingsfrauen in feministischen Bewegungen und die Hindernisse, die ihrer Teilnahme am Aktivismus im Wege stehen.

 

Ebenso stellt eine vom Europarat durchgeführte Studie fest, dass Frauen auf der Flucht in den feministischen Bewegungen nicht ausreichend vertreten sind. Die Studie weist auch darauf hin, dass feministische Bewegungen die Prioritäten von Flüchtlingsfrauen nicht ausreichend berücksichtigen, zusätzlich zu den Schwierigkeiten wie Diskriminierung, Einsamkeit und soziale Isolation, mit denen Flüchtlingsfrauen aufgrund ihres Status konfrontiert sind. (Europarat (2019). Flüchtlingsfrauen und feministische Bewegungen: Interaktion und Herausforderungen. Straßburg: Europarat.)

 

Eine ähnliche Studie aus Australien untersucht die Hindernisse, die der Organisation und Beteiligung von Flüchtlingsfrauen am Aktivismus im Wege stehen. Laut dieser Studie erschweren Sprachbarrieren, kulturelle Unterschiede, Schwierigkeiten während des Asylverfahrens und Diskriminierung geflüchteten Frauen die aktive Teilnahme. Die Studie unterstreicht ausserdem, dass Flüchtlingsfrauen in feministischen Bewegungen nicht ausreichend vertreten sind ( Gower, K., McCallum, C., & Hopkins, J. (2017). Women refugees and/as activists in Australia: An exploration of the challenges and possibilities of political participation. Australian Feminist Studies, 32(91), 403-419).

 

Feministinnen und „andere Frauen“

Die Berücksichtigung der Stimme von immigrierten Frauen würde es ihnen ermöglichen, sich zu äussern und ein besseres Verständnis für ihre Probleme zu erlangen, um Lösungen zu finden. Da Immigrantinnen in den feministischen Bewegungen nicht angemessen vertreten sind, sind die Lösungsvorschläge oft unzureichend und deren Erfahrungen werden nicht berücksichtigt. 

 

Die mangelnde Beteiligung von Frauen an diesen Kämpfen ist häufig auf sexistische und rassistische Einstellungen in der Gesellschaft sowie auf die Unzulänglichkeiten der feministischen Bewegungen und der Bewegungen für die Rechte von Migrantinnen und Migranten zurückzuführen. Feministische Organisationen und Organisationen für Flüchtlinge sollten den Problemen von geflüchteten Frauen mehr Aufmerksamkeit schenken. Besondere Aufmerksamkeit sollte Themen wie den Schwierigkeiten von Flüchtlingsfrauen, die in Lagern leben, physischer und psychischer Gewalt, sexueller Belästigung und dem Zugang zu Gesundheitsdiensten, Bildung und Arbeit gewidmet werden.

 

Dabei sollten feministische Organisationen nicht nur mit den Werten ihres eigenen Landes als Massstab handeln; sie müssen unterschiedliche Sensibilitäten berücksichtigen, unterschiedliche Erwartungen abwägen, Sprachbarrieren überwinden und eine korrekte und effektive Kommunikation mit den Betroffenen aufbauen, integrativer sein und sich auf aktuellere Probleme konzentrieren.

 

Es sollten konkretere Formen der Kommunikation entwickelt werden. Zum Beispiel ist der feministische Streik am 14. Juni für uns alle sehr wertvoll, wir müssen dafür kämpfen, dass er mehr Reichweite bekommt. Ich denke, dass die gleiche Energie für den Kampf für eine menschenwürdige Aufnahme von Geflüchteten und insbesondere von Frauen notwendig ist, denn dies ist ein dringendes Anliegen.

 

Wir müssen militant sein, inklusiv für Alle, furchtlos und mutig. Wir brauchen nichts zu fürchten, wir haben nichts zu verlieren. Niemand sollte die Macht haben, Frauen, die schon viel verloren haben, einzuschüchtern, und schon gar nicht über ihr prekäres Statut.

 

Was kann man tun und wie kann man es tun?

Um die Vertretung von Migrantinnen in feministischen Bewegungen und ihre Teilnahme am Aktivismus zu fördern, können folgende Massnahmen ergriffen werden:

 

Einen inklusiven Ansatz verfolgen: Feministische Bewegungen müssen einen inklusiven Ansatz verfolgen, indem sie die Prioritäten in Bezug auf geflüchtete Frauen berücksichtigen. Es ist wichtig, deren Sichtbarkeit in den feministischen Bewegungen zu erhöhen, indem die Schwierigkeiten und Bedürfnisse, mit denen sie konfrontiert sind, berücksichtigt werden.

 

Räume schaffen: Die Schaffung von Räumen ist wichtig, um die Organisation und die Teilnahme von geflüchteten Frauen am Aktivismus zu fördern. Flüchtlingsfrauen können sich treffen, um Selbsthilfegruppen zu bilden und Kontakte zu knüpfen. Darüber hinaus können Mentoring- und Führungsprogramme sowie Praktika für die Frauen angeboten werden, damit sie sich aktiv an feministischen Bewegungen beteiligen.

 

Sprachenlernen, Bildung und Beschäftigungsmöglichkeiten: Die Unterstützung von geflüchteten Frauen beim Sprachenlernen, bei der Bildung und bei Beschäftigungsmöglichkeiten kann zu ihrer Ermächtigung und aktiven Beteiligung beitragen. Feministische Bewegungen sollten sich bemühen, Flüchtlingsfrauen in diesen Bereichen zu unterstützen und bei Bedarf Bildungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten bereitzustellen. 

 

Psychologische Unterstützung: Es ist wichtig, dass geflüchtete Frauen aufgrund der Schwierigkeiten, Traumata und Diskriminierungen, die sie während ihres Asylverfahrens und insgesamt während ihrer gesamten Reise erfahren haben, psychologische Unterstützung erhalten. Feministische Bewegungen sollten die notwendigen Ressourcen bereitstellen, um ihnen den Zugang zu psychologischer Unterstützung zu erleichtern.

 

Schliesslich ist es von entscheidender Bedeutung, dass sich feministische Bewegungen und andere aktivistische Gruppen stärker auf die Probleme von geflüchteten Frauen konzentrieren und für ihre Rechte kämpfen. Dies wird dazu beitragen, die Vertretung von Flüchtlingsfrauen zu erhöhen, ihre Beteiligung am Aktivismus fördern und die Entstehung einer Bewegung für eine gerechtere Gesellschaft unterstützen.

 

Mit den richtigen Werkzeugen können sich geflüchtete Frauen ein menschenwürdiges Leben finden. Sie können sich wieder aufbauen, sich wohlfühlen und Räume schaffen, in denen sie sich ausdrücken können. Sie können ein sichereres Leben führen, ohne Angst vor der Zukunft. Sie sollten Zugang zu Arbeit und Bildung haben, fernab von Traditionen und rückwärtsgewandten Ideologien, die sie belasten. Geflüchtete Frauen haben das gleiche Recht, sich auszudrücken, zu wählen und ihr eigenes Leben zu bestimmen, wie jeder andere auch.

 

Bildung ist ein wichtiges Instrument für geflüchtete Frauen. Feministische Kämpfe können sich daran beteiligen, einige der verfügbaren Bildungsmöglichkeiten und -chancen zu entdecken, um ihnen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.

 

Beschäftigungsmöglichkeiten sind wichtig für das Überleben und die finanzielle Sicherheit von geflüchteten Frauen sowie für ihre Zukunft. Es könnte ein Leitfaden erstellt werden, um sie bei der Arbeitssuche zu unterstützen.

 

Weibliche Geflüchtete müssen an der Gesellschaft teilhaben und im sozialen Leben präsent sein. Daher ist es sehr wichtig, dass sie die gleichen Möglichkeiten wie jede andere Frau haben.

 

Abschliessend möchte ich über einen sehr wichtigen Ort sprechen, den ich für wesentlich halte: den "sicheren Raum". Uns  fällt es aus verschiedenen Gründen manchmal schwer, über unsere Erfahrungen zu sprechen, und wir werden manchmal von der Last unserer Schwierigkeiten erdrückt, auch untereinander. Manchmal sprechen wir zwar miteinander, aber es fällt uns schwer, allein Lösungen zu finden. Die Gründe dafür sind vielfältig: Sprache, Sicherheit, Traumata, Unwissenheit über politische und soziale Strukturen oder auch Identitätsverlust und die Unmöglichkeit, einen Aufenthaltstitel zu erhalten.

 

In meiner eigenen Erfahrung habe ich immer einen sicheren Raum gebraucht. Dort kann ich mich ausdrücken, fühle mich weniger allein, wir kämpfen gemeinsam gegen Probleme, unterstützen uns gegenseitig oder trinken manchmal einfach nur einen Kaffee zusammen, denn wir alle wissen, wie wichtig es ist, jemanden zu haben, mit dem man einen Kaffee trinken und einen einfachen Moment teilen kann.

 

Die Schaffung solcher Räume ist daher sehr wichtig. Warum ist das so? Weil wir gemeinsam stärker sind, daran glauben wir. Ausserdem helfen diese Räume den Frauen, ihre Stimme lauter zu erheben und ihre Probleme zu bekämpfen. Sie bieten auch eine sichere Umgebung, in der die Frauen zusammenkommen, ihre Erfahrungen austauschen und Unterstützung erhalten können.

 

Wie können wir diese Räume schaffen?

Um "sichere Räume" zu schaffen, können lokale Organisationen der Zivilgesellschaft, Aktivist*innengruppen und feministische Organisationen zusammenarbeiten. Diese Räume müssen auch auf die Sicherheit und das Bedürfnis der geflüchteten Frauen nach Vertraulichkeit achten. Darüber hinaus sollten sie so gestaltet sein, dass sie den ihren unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht werden. Beispielsweise können Übersetzungsdienste für Frauen mit Sprachbarrieren und eine Kinderbetreuung für Kinder angeboten werden.

 

All diese Aktivitäten sind insofern wichtig, als sie uns ermöglichen, uns "zusammen" zu fühlen, gemeinsam zu handeln und zu kämpfen. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass wir uns dauerhaft unterstützen.

 

Sevda Güney

Fragen oder Anmerkungen zu diesem Text können direkt an die Autorin gerichtet werden: sevdaguney21@gmail.com.
 


Bibliografie

Conseil de l'Europe. (2019). Les femmes réfugiées et les mouvements féministes: L'interaction et les défis. Strasbourg: Conseil de l'Europe.

 

Gower, K., McCallum, C., & Hopkins, J. (2017). Women refugees and/as activists in Australia: An exploration of the challenges and possibilities of political participation. Australian Feminist Studies, 32(91), 403-419

 

Diner, A. (2018). The political activism of refugee women: opening a space for the feminist collective in Europe. Journal of Gender Studies, 27(3), 342-354. 

 

Tavakoli, S. (2019). From Refugee Women to Political Activists: A Case Study of the Intersection of Gender, Race, and Class. Journal of Refugee Studies, 32(2), 290-309

 

Yegenoglu, M. (2018). Refugee women and the feminist critique of multiculturalism. In K. Linder, M. Tamboukou, & B. Sünker (Eds.), Feminist research practice: A primer (pp. 173-191). Los Angeles, CA: Sage.