Vorlage für die Landsgemeinde der MigrantInnen, 13. Dezember 2009
Vorschläge von Bleiberecht Bern für einheitliche Forderungen, die aus der Landsgemeinde der MigrantInnen resultieren könnten und zur öffentlichen Stellungnahmen und Aktionen führen sollen.
Forderungen
Die grundlegende Forderung ist ein Bleiberecht für alle, denn nicht die Forderung nach einem Bleiberecht ist naiv, sondern der Versuch, die Migration zu verhindern. Dass beim Versuch der Verhinderung der Migration Menschenrechte mit Füssen getreten werden, beweist natürlich nur, dass die Motivation im Rassismus und in der absoluten Ignoranz der sogenannten „ersten Welt“ begründet liegt und daher nur eine logische Folge dieses Denkens ist. Gründe und Zwischenschritte sind wie folgt anzugehen:
1. Abschaffung des NEE-Status (Personen, auf deren Asylgesuch nicht eingegangen wurde) und der damit verbundenen „Scheinnothilfe“.
Durch den NEE-Status geraten die Menschen in die Nothilfe. Diese verhindert jedoch ein würdiges Leben. Deshalb soll allen Asylsuchenden ein reguläres Verfahren gewährleistet werden, in dem ihre Fluchtgründe detailliert geprüft werden und die Argumentation:
- 8 Franken pro Tag sind zuviel zum Sterben und zuwenig zum Leben
- Verletzung der fundamentalen Menschenrechte von Personen, deren Asylgesuch abgelehnt wurde. Die Lebenssituation in Nothilfezentren führt zu gravierenden psychischen Problemen und zwingt die Personen zur Bettelexistenz (Verweis: UNO-Menschenrechstausschuss HCR, 3. Periodischer Bericht über die Schweiz bezüglich der Einhaltung des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte, Oktober 2009)
- Das Recht auf Leben in Würde wird durch die Gewährung einer Nothilfe von 8 Franken/Tag nicht respektiert. Menschenrechte wie das Recht auf Gesundheit, Unversehrtheit oder auf Bildung werden verletzt.
- Dem Konstrukt und Unwort „in der Schweiz unerwünscht und daher auszureisen“ muss ein Ende gesetzt werden. Es gibt keine unerwünschten oder erwünschten Menschen, es gibt nur Menschen.
2. Familiennachzug und Heiratsgesetz
Das Recht auf Ehe und Familie ist nur ungenügend respektiert (Verweis: ZGB, Art. 98: Verlobte, die nicht Schweizerbürgerinnen oder Schweizerbürger sind, müssen während des Vorbereitungsverfahrens ihren rechtmässigen Aufenthalt in der Schweiz nachweisen.)
- Familien werden getrennt ins Asylverfahren aufgenommen und die Möglichkeit auf ein Zusammenbleiben wird nicht respektiert
- Das Recht auf Eheschliessung wird bei ‚rechtswidrigem Aufenthalt’ sehr schwer gewährleistet und soll demnächst ganz verboten werden.
- Die Rechte der Kinder werden im jetzigen Asylverfahren nicht genügend wahrgenommen (Verweis: UNO-Menschenrechstausschuss HCR, 3. Periodischer Bericht über die Schweiz bezüglich der Einhaltung des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte, Oktober 2009)
3. Die Umsetzung des Härtefallartikels
- Erfahrungen aus der Praxis, dass die Chancen mittels eines Härtefallgesuchs ein Bleiberecht zu erhalten, gegen null tendieren (Verweis: www.bleiberecht.ch)
- Verhinderung der Teilnahme am gesellschaftlichen Leben
4. Wirtschaftsflucht als legitimer Fluchtgrund
- Bis Ende der 1950er Jahre sind SchweizerInnen aufgrund schlechter wirtschaftlicher Bedingungen im eigenen Land ausgewandert. Sie sahen hier keine Zukunft mehr – so wie viele Flüchtlinge aus denselben Gründen nun bei uns ein Leben unter besseren Bedingungen suchen. Schon daher ist es unverständlich die Wirtschaftsflucht so negativ zu benennen und die eigene Geschichte nicht mit einzubeziehen.
- Auch eine Flucht aus wirtschaftlichen Gründen ist legitim, logisch und richtig. Es kann nicht sein, dass Menschen, die sich in ihrem Land keine Existenz aufbauen können, hier von Beginn an als asylunwürdig angesehen werden
5. Austritt aus dem Dublin-Abkommen
- Faktisch können Menschen in der Schweiz kein Asylgesuch stellen, ausser sie kommen mit dem Flugzeug (was in vielen Fällen und Ländern nicht möglich ist) oder sie fallen vom Himmel. Ein Austritt aus diesem Abkommen nimmt die Schweiz in die Verantwortung, wirkliche humane Hilfe zu leisten. Daneben ist festzuhalten, dass Menschen auf Grund des Dublin Abkommens in Länder zurück geschafft werden, in denen ihre Chancen auf Asyl sogar geringer sind als in der Schweiz. Dazu kommt noch, dass bei solchen Rückführungen die Betroffenen erst mit dem Entscheid konfrontiert werden, wenn die Polizei sie abholt und auch erst dann der Anwalt oder die Anwältin per Fax über die schon vollzogene Ausschaffung informiert wird. Somit wird die Möglichkeit der Einsprache umgangen.
6. Recht auf Asyl
- insbesondere auch für verletzliche Personen, in der Regel Frauen, die durch Zwangsheirat, religiöse Gewalt, Ehrenmord, konservative Umwelt oder durch andere Unterdrückungsformen bedroht sind.