Es ist Zeit, dass Euch jemand Dank sagt. Meistens werdet Ihr unwillkommen geheissen, beargwöhnt, beschimpft, schikaniert, geschlagen. Jetzt soll Euch öffentlich gedankt werden: Euch Frauen, Männern, Kindern mit und ohne Papiere, die Ihr von weit her oder aus der Nähe in dieses Land gekommen seid, die Ihr jetzt hier lebt, arbeitet, träumt, leidet und liebt. Es sei Euch jetzt besonders gedankt dafür, dass Ihr den Mut habt, Euch heute hier auf diesem Platz sichtbar zu machen. Die offizielle Politik will Euch unsichtbar machen und unsichtbar halten. Sie tut dies dadurch, dass sie Euch gegeneinander ausspielt und Euch einteilt in Rechtlose und fast Rechtlose. Und sie spielt uns, die wir die ganze Palette der Recht beanspruchen können, gegen Euch aus. Die offizielle Politik, das heisst die Scharfmacher in diesem Haus, möchten, dass wir mit Euch und Ihr mit uns, dass wir miteinander nichts zu tun haben. So solltet Ihr als Nichtexistente und Unpersonen in diesem Land existieren.
Doch wir lassen uns nicht gegeneinander ausspielen. Das ist es, was wir alle heute auf diesem Platz öffentlich bekannt machen: Das Ausspielen von Menschen gegen Menschen muss ein Ende haben. Wir lehnen im Kopf und im Herzen dieses unfaire Spiel ab. Denn wenn wir die Ideologie des Ausspielens und der Konkurrenz mitmachen, und sei es auch nur unbewusst, dann gewöhnen wir uns daran, dann finden wir es langsam normal, dass es in diesem Land Menschen ohne und fast ohne Rechte gibt. Und dann werden auch die Rechte der Leute mit Schweizerpass ausgehöhlt. Denn Grundrechte gelten für alle, auch für Sans-Papiers, auch für Menschen, auf deren Existenz die Behörden gar nicht eintreten wollen, oder sie gelten für niemanden.
Zum Zeichen dafür, dass wir uns nicht gegenseitig ausspielen lassen, spielt Ihr jetzt Fussball. Es ist Spitzenfussball, was Ihr jetzt spielt. Ihr spielt nicht um Spitzensaläre. Ihr spielt für die höchsten Güter und Errungenschaften der Menschheit: nämlich für die Bewahrung und Bekräftigung der Grundrechte und der Gerechtigkeit. Mit eurem Spiel zeigt Ihr die Wirklichkeit, die die Politik oft verhüllt. Das ist die Wirklichkeit: Ohne Euch geht nichts. Nicht nur im Fussball ginge ohne Euch nichts, auch in den Restaurants, Spitälern, Heimen, Fabriken und Werkhallen ginge nichts. Also, alles in allem: Herzlichsten Dank für Eure Präsenz und euer Spiel, mit dem Ihr die Einsicht von Nobelpreisträger Eli Wiesel bestätigt: Kein Mensch ist illegal.
Chers amis et chères amies. Un grand merci pour votre jeu et votre volonté de confirmer les droits de l'homme, merci pour votre jeu de proteste contre les jeux injustes et déloyaux qu'on veut continuer à jouer ici à côté dans le palais fédéral, merci pour votre courage de vous faire visible et de témoigner de cette manière que la Suisse c'est nous tous et toutes qui vivent, travaillent, songent, souffrent et aiment dans ce pays.
Jacob Schädelin