"Seit Jahren sind wir fremdenfeindlichen Parolen, fremdenfeindlichen Parteien, fremdenfeindlichen Gesetzen und fremdenfeindlichen Behörden ausgesetzt. Wir wollen uns nicht an sie gewöhnen. Sie spielen die sozial Schwächsten gegeneinander aus und brutalisieren unsere Gesellschaft. Schluss mit der Fremdenfeindlichkeit.
Schluss mit der Blocherpolitik. Blochers Gesellschaftsprojekt muss blossgestellt werden: Rassistische Stimmungsmache war immer auch die Hintertür für rücksichtslosen Sozialabbau und einen autoritären Überwachungsstaat. Wer aus fremdenfeindlicher Politik Kapital schlägt, gehört nicht in den Bundesrat.
Wir alle, die in der Schweiz leben, sind die Schweiz, unabhängig von unserer Herkunft, unserem Pass und von unserem Aufenthaltsstatus. Eine Schweiz, die ihre Identität im Streben nach Demokratie, im Ideal der Menschenrechte und in der Vielfalt ihrer Kulturen sieht."
Mit diesen Worten ruft ein breit abgestütztes Organisationskomitee von MigrantInnenorganisationen, Gewerkschaften, Globalisierungskritikern, BürgerInneninitiativen, kritischen Hilfswerken bis hin zu Parteien wie Grüne und SP zu einer gesamtschweizerischen Grossdemonstration am 18. Juni 2005 gegen Fremdenfeindlichkeit auf. Es wurde höchste Zeit.
Seit dem Ende der sechziger Jahre wird die Migrationspolitik der Schweiz von fremdenfeindlichen Kreisen dominiert. Die Überfremdungsängste, die damals James Schwarzenbach, ein glühender Verehrer des Generalismo Franco, mit seiner "Nationalen Aktion gegen die Überfremdung von Volk und Heimat" schürte, wurden in den 80-er Jahren von der politischen Propaganda der Schweizer SVP übernommen. Mit ihrer Hetze gegen Ausländer und Minderheiten, begleitet von isolationistischer Demagogie, machte die ehemalige Bauernpartei in einer Zeit der wirtschaftlichen Unsicherheit ihre Stimmenverluste mehr als wett.
Die Umorientierung der SVP im Sinne der ideologischen Offensive der "neuen europäischen Rechten", welche die Überlegenheit der europäischen Kultur predigte, haben zwei Personen wesentlich geprägt: Dr. Christoph Blocher, Rechtsaussen der Partei und umtriebiger Verfechter des südafrikanischen Apartheidsystems, und der Zürcher SVP Nationalrat Dr. Ulrich Schlüer. Als ehemaliger Privatsekretär Schwarzenbachs und Redaktor seiner Zeitungen verfügte letzterer über das nötige Handwerk.
Die bürgerlich dominierten Parlamente der Schweiz, Nationalrat und Ständerat, haben Jahre später gegenüber diesem fremdenfeindlichen Populismus definitiv kapituliert. Der Unternehmer Blocher, wurde im Dezember 2003 von einer Mehrheit der Abgeordneten mit der Wahl in den Bundesrat (Schweizer Regierung) "belohnt" und ist inzwischen nicht nur verantwortlich für Polizei- und Justiz, sondern auch der Migrationsminister des Landes. Die Wahl des fremdenfeindlichen "Bocks" zum Gärtner der Schweiz hatte ihre Folgen...
Die beschlossenen Verschärfungen im Ausländerrecht werden noch schlimmere Zustände schaffen. Sie werden zwar, wie man heute weiss, den Gesamtumfang der Einwanderung kaum beeinflussen, aber immer mehr Menschen zu Sans Papiers machen, zu Menschen ohne geregelten Aufenthalt, die keine Rechte haben und die man beliebig ausbeuten, herumschieben oder ausschaffen kann. Die Gesetz gewordene Fremdenfeindlichkeit im Bundeshaus hat zum Glück bei einem wachsenden Teil der Bevölkerung der Schweiz Widerstand hervorgerufen. Dieser Widerstand braucht einen öffentlichen Ausdruck. Die Phase der nationalistischen "Besoffenheit", die heute die Migrationspolitik der Schweiz dominiert, muss so schnell wie möglich beendet werden. Die gesamtschweizerische Demonstration gegen Fremdenfeindlichkeit am 18. Juni 2005 (Flüchtlingstag) soll ein erster Schritt in diese Richtung sein.
Hannes Reiser