111 im Asyl-, Migrations- und Menschenrechtsbereich engagierte Organisationen, Gewerkschaften, Kirchen und Parteien hatten zu der Demo aufgerufen. Ebenso vielfältig wie die Liste der unterstützenden Organisationen war denn auch die Demo selber. Gruppen aus der ganzen Schweiz machten auf ihre lokalen Kämpfe aufmerksam und setzten gemeinsam ein Zeichen gegen die Fremdenfeindlichkeit im Bundeshaus und anderswo.
Auf dem Waisenhausplatz rief Graziella de Coulon, Aktivistin der Coordination Asile Vaud, dazu auf, den "Waadtländer Sonderfall" auf die ganze Schweiz auzuweiten und überall koordiniert für "ein würdiges Leben für alle" zu kämpfen. Etienne Epengola nutzte die Demonstration, um von seinem absurden Kampf mit den Behörden zu erzählen. Seit 17 Jahren lebt der Flüchtling aus dem Kongo nun in der Schweiz, hat seine eigene kleine Firma aufgebaut und musste diese aufgrund eines Nichteintretensentscheid (NEE) letztes Jahr schliessen. Heute ist er abhängig von wohltätigen Organisationen wie der Passantenhilfe, da er sich weigert, auf der Stafelalp im Minimalzentrum dahinzuvegitieren. Neben den Flüchtlingen waren aber auch "klassische" MigrantInnen stark vertreten. Rita Schiavi von der Gewerkschaft Unia taufte den Waisenhausplatz in "Platz der MigrantInnen" um, denn es sei ein Skandal, dass die Arbeit von Millionen von AusländerInnen ignoriert und heruntergespielt werde.
Als sich in der brütenden Hitze der Demozug in Richtung Altstadt in Bewegung setzte, wurde klar, dass Tausende Migrantinnen, Sans-Papiers, Flüchtlinge und BesitzerInnen eines Schweizer Passes nach Bern gekommen waren. Die Demo war bunt, an einigen Stellen laut und entschlossen, an anderen kreativ bis witzig. Unüberhörbar waren beispielsweise die Sprechchöre für die Regularisierung der Sans-Papiers. Leiser und irritierender wirkte der Bünzliblock, der sich hinter einem Gartenhag mit Geranien verschanzte und alles besser wusste.
Die Demo wurde auch medial wahrgenommen. In einigen Medien entstand sogar der Eindruck, Alt-Bundesrätin Ruth Dreifuss habe an der Demo teilgenommen und zum zivilen Ungehorsam aufgerufen. Auch dieses Missverständnis reichte allerdings nicht aus, um eine kritische Diskussion über die Scharfmacher im Bundeshaus auszulösen. Im Herbst, wenn die Verschärfungen der Gesetze in den Nationalrat kommen, gilt es an diesen Mobilisierungserfolg anzuschliessen und ein weiteres Mal in Erinnerung zu rufen, dass wir alle die Schweiz sind und dass wir genug haben von rassistischer Stimmungsmache, welche den Abbau von unseren Grundrechten beschleunigen soll.
Dinu Gautier