Bekanntlich will die Volksinitiative "für eine Regelung der Zuwanderung", dass "der Bund dafür sorgt, dass der Anteil der ausländischen Staatsangehörigen an der Wohnbevölkerung der Schweiz 18 Prozent nicht übersteigt". Was bedeuten 18%? Welche Botschaft vermitteln die Initianten mit einer solchen Zahl?
Zuerst doch sicher: 18% ist viel. Wenn die Zahl wächst, haben "wir" bald einen Viertel von solchen, die nicht sind wie "wir". 18%, das ist die Notbremse, ist der Wall, der errichtet werden muss, der Damm, wenn "wir" nicht überflutet werden sollen.
In der Zahl 18% steckt eine doppelte Botschaft, ein Double-bind. Double-binds kommen immer dann an, wenn man mit der Angst rechnen kann. Und man rechnet mit der Angst, auch bei der xten Überfremdungsinitiative. Man rechnet raffiniert, hoffentlich noch einmal ohne Erfolg. Denn die Angst des "Volks" soll gebunden bleiben an dieses Thema. Es gibt in der schweizerischen Politik ein paar Themen, die von gewissen Kreisen unbedingt am Kochen gehalten werden. Ein anderes heisst "Sicherheit" und arbeitet psychopolitisch im selben Umfeld. Mit den neuen Verhältnissen nach dem Zusammenbruch des Kommunismus, des "Reichs des Bösen", scheint die holzschnittartige Argumentation in diesem Feld etwas mehr Mühe bekommen zu haben. Wer und wo ist der Feind? Ist er abhanden gekommen? Ein Feind kommt nie abhanden, der "Ausländer". Der 2. Abschnitt des von der Initiative vorgeschlagenen neu zu formulierende Art. 69quater zählt genau auf, welche Kategorien Mitbewohner dieses Landes als "Ausländer" anzusehen - und dem entsprechend zu behandeln sind, sollten sich von ihnen mehr als 18% bei "uns" aufhalten. Interessant ist, wie der Abschnitt 3 darlegt, wer alles, obwohl Ausländer, dann doch nicht als solche behandelt werden soll; darunter fallen so unterschiedliche Arten wie "Saisonniers ohne Familiennachzug" einerseits oder andererseits z.B. "qualifizierte Wissenschafter und Führungskräfte" oder etwa "Kurgäste", "sowie Touristen". Ich verzichte in diesem kurzen Text darauf, die von der Initiative vorgenommene Trennung von Spreu und Weizen weiter auszuführen, obwohl eine genaue Analyse des Initiativtextes noch ganz andere Hintergründe als juristisch kritisierbare an den Tag brächte. Nur noch ein kurzer Hinweis auf die Uebergangsbestimmungen: Wenn (bei einer Annahme der Initiative) die 18% überschritten würden und nicht "freiwillig" (!) ausgewandert würde, müsste bei einem "allfälligen Geburtenüberschuss" (man weiss bei denen ja nie) zwar "ein Überschreiten der 18-Prozent-Grenze befristet möglich" sein, aber nur "sofern keine neuen Aufenthaltsbewilligungen" - nach der neuen Regelung "erteilt werden".
Der ganze Text der Initiative enthält natürlich einen Subtext, und auf den kommt es politisch im Abstimmungskampf an. Ich habe immer häufiger das Gefühl, wir sollten von unserer Seite aus, gerade diese Subtexte solcher Zumutungen an eine Zivilgesellschaft, wie sie die Initiative darstellt, wesentlich offensiver angehen. Überlassen wir die "Psychopolitik" (wie das ein österreichischer Analytiker der Haider-Show nennt) ruhig den "Populisten"; sie beherrschen sie inzwischen professionell. Aber decken wir auf, wie da gespielt wird, um noch deutlicher zu machen, was auf dem Spiele steht. Gespielt wird mit Ängsten, indem diesen erlaubt wird, einen Feind zu haben. Vor diesen umgeleiteten Ängsten ist in Zukunft womöglich auch kein und keine "Inländerin" sicher, wenn er oder sie genau in das passen sollte, wovor man/frau im Interesse gewisser Kreise nicht nur Angst haben darf, sondern haben soll. Auch UnschweizerInnen wurden hierzulande in den letzten Jahren immer zügiger ausgemacht …
Manfred Züfle
Schriftsteller und
Vorstandsmitglied von Solidarité sans frontières