"Die Frauen entscheiden den Match"(1), hiess es im August letzten Jahres während der Abstimmungskampagne zur 18%-Initiative. Eben hatten sich die SVP-Frauen für die Initiative zur Begrenzung der ausländischen Wohnbevölkerung auf 18% ausgesprochen. Viele Frauen "sähen sich immer stärker Druck, Aggressionen und Konfrontationen durch Ausländer ausgesetzt"(2), war damals die gängige Analyse. Bereits im Juli wurden wir durch die Meldung des GfS-Forschungsinstituts aufgeschreckt: Die Frauen stimmten gemäss einer Anfang Juli 2000 durchgeführten Umfrage mit 43% , die Männer bloss mit 38% der Initiative zu.
"Auch die Macho-Anmache ist ein Problem. Ausländer mit ganz anderer Mentalität sind es nicht gewohnt, sich von selbstbewussten Frauen etwas sagen zu lassen", schrieb Sylvia Flückiger, SVP-Frau des Kantons Aargau(3).
Die "selbstbewussten Frauen" mit Schweizer Pass haben aber, entgegen allen Unkenrufen, die 18%-Initiative stark verworfen: Gemäss der Vox-Analyse legten 71% der stimmenden Frauen ein Nein ein ; bei den Männern waren es bloss 59%. Dieses Ergebnis entspricht auch meinen Erfahrungen im Abstimmungskampf. Es waren besonders Frauen und Frauenorganisationen, die sich aktiv gegen die 18%-Initiative einsetzten.
Weniger zukunftsfroh stimmt die Vox-Analyse zum Stimmverhalten der jungen Bevölkerung. Zwar befürworteten die 30- bis 39-Jährigen die Begrenzungsinitiative bloss zu 20%, die 18- bis 29-Jährigen stimmten ihr aber mit 45% zu, weit stärker als die älteren Generationen bis zu 69 Jahren. Lediglich die über 69-Jährigen überboten die ganz Jungen mit ihrem Ja-Stimmenanteil (49%). Diese Haltung wird durch die kürzlich veröffentlichte Jugendbefragung "ch-x" 2000 bestätigt, die sich allerdings zu etwa 90% an männliche 20-Jährige richtete. Die Skepsis gegenüber "AusländerInnen" nimmt gemäss dieser Untersuchung mit zunehmender Bildung ab(4). Dieser Befund deckt sich nur zum Teil mit dem Abstimmungsverhalten der Stimmpopulation vom 24. September letzten Jahres. Die grösste Unterstützung erfuhr die "Überfremdungs"-Initiative von Stimmenden mit dem Abschluss einer höheren Berufsschule oder einer HTL (54%); diejenigen mit nur obligatorischem Schulabschluss zeigten der Initiative gegenüber weit mehr Zurückhaltung (nur 33% Ja), stärker noch als diejenigen mit einer Lehre oder Berufsschulausbildung (37% Ja). Jedenfalls lässt sich aufgrund des Abstimmungsverhaltens die These nicht aufrechterhalten, dass mit zunehmender Bildung die Fremdenangst abnimmt. Ebenso wenig korrespondierte die soziale Stellung mit dem Stimmverhalten. Die Stimmenden der freien und der akademischen Berufe befürworteten die 'Überfremdungs'-Initiative, gemäss Vox-Analyse zu 40%, die "höheren Kader" zu 36%, während die "unqualifiizierten Arbeitskräfte" sie bloss mit 29% unterstützten.
Von grösstem Interesse für die AktivistInnen der Kampagne gegen die 18%-Initiative sind die Argumente, die bei der Stimmbevölkerung Anklang gefunden haben. Die hochdotierte Wirtschaftskampagne gegen die 18%-Initiative (die Initiative schade der Schweizer Wirtschaft) überzeugte weit weniger als das Argument, die Initiative widerspreche der humanitären Tradition. Das Argument, dass "AusländerInnen zum sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Reichtum der Schweiz beitrügen", motivierte ebenfalls sehr stark zu einem Nein, war aber auch den BefürworterInnen bewusst; ihr Gefühl, dass es zu viele "AusländerInnen" in der Schweiz gebe, überwog jedoch bei weitem.
Die Sprachregionen sowie die städtische oder ländliche Herkunft spielten beim Stimmverhalten keine ausschlaggebende Rolle; grossen Einfluss hatte hingegen die "Parteinähe". Nur 12% der SP-Nahen stimmten, so die Vox-Analyse, der "Überfremdungs"-Initiative zu, während es bei den SVP-Sympis 67% waren. Einige Überzeugungsarbeit wäre noch bei denjenigen zu leisten, die sich von den Grünen angesprochen fühlten. Ihre 33% Ja-Stimmen entsprechen ungefähr denjenigen der FDP- und CVP-Zugewandten.
Welche Schlüsse lassen sich aus der Abstimmungskampagne zur 18%-Initiative für die Kampagne gegen den Entwurf zum neuen AusländerInnen-Gesetz (AuG) ziehen? Die Abstimmungskampagne des Komitees "Appell für eine tolerante Schweiz" hat wohl in SP-nahen Kreisen verfangen, sorgte hingegen unter den beteiligten NGOs für heisse Kontroversen. Der AuG-Entwurf beruht auf dem ökonomistisch-ausgrenzenden Konzept der verworfenen 18%-Initiative. Angesichts der nun auch in der Schweiz allmählich durchsickernden Einsicht, dass wir zu wenig "AusländerInnen" haben, könnten wir mit unseren Gleichstellungsforderungen - analog derjenigen der Frauenbewegung - für die ausländische Bevölkerung mehr Durchschlagskraft gewinnen(5). Mit weit grösseren Schwierigkeiten werden wir bei der Teilrevision des Asylgesetzes konfrontiert sein. Die bürgerlichen GegnerInnen der Initiative haben ihre Kampagne auf Kosten der Asylsuchenden geführt und diese zum Sündenbock gemacht, der an allen Missständen Schuld trägt. Die im Sommer einsetzende Teilrevision erfordert unsere breite Präsenz. Wichtig ist, dass wir wiederum mit möglichst vielen Frauen und Frauenorganisationen zusammenarbeiten.
1 Neue Luzerner Zeitung, 11.8.00
2 Der Bund, 10.8.00
3 Neue Luzerner Zeitung, 9.9.01
4 Tages-Anzeiger, 10.12.00
5 NGOs der Romandie und der Deutschschweiz treffen sich rund alle zwei Monate, um eine Kampagne zum AuG vorzubereiten.