Zwei aus Marokko geflüchtete junge Männer, Hamza Haddi und Mohammed Haddar, standen am 4. Februar 2020 in Komotini (Griechenland) vor Gericht. Sie wurden beschuldigt, zwei weitere Marokkaner, darunter Hamzas Bruder, illegal ins Land geschleust zu haben.
Als erschwerende Umstände nannte die Anklage Gewinnabsicht (wofür es in den Ermittlungsakten jedoch keinen einzigen Beweis gab) und Handeln in einer Gruppe. Tatsächlich haben die Beschuldigten und die zwei transportierten Personen von der Türkei aus versucht, die griechische Grenze zu überqueren, um in Europa ein Asylgesuch zu stellen. Als sie von der Küstenwache aufgegriffen wurden, hielten Hamza und Mohammed die Ruder des Bootes, weshalb das Strafverfahren gegen die beiden eröffnet wurde.
Der einzige Zeuge der Anklage, ein Polizeibeamter, erschien nicht zur Verhandlung.
Der Saal war voll von Personen, die den beiden Angeklagten und deren Familie solidarisch zur Seite standen. Einige Tage zuvor war eine von «borderline-europe» initiierte und von 46 Organisationen, darunter Solidarité sans frontières, unterstützte Solidaritätserklärung veröffentlicht und der Richterin übergeben worden. Der Anwalt der Angeklagten plädierte auf Freispruch. Der Staatsanwalt liess zwar die «erschwerenden Umstände» fallen, forderte aber dennoch für die beiden Angeklagten Freiheitsstrafen von vier Jahren und einem Monat. Die Richterin ist dieser Forderung gefolgt. Die effektive Haftdauer wird allerdings kürzer sein, da das griechische Gesetz eine bedingte Haftentlastung nach zwei Fünfteln der verbüssten Strafe vorsieht und sich zudem Arbeit im Gefängnis haftverkürzernd auswirkt.
Der Druck der internationalen Solidaritätskampagne auf die griechische Justiz hat zwar das Schlimmste verhindert: In dem ursprünglich angeklagten «schweren» Fall wäre eine Strafe von 20 Jahren Gefängnis möglich gewesen. Der Fall steht dennoch exemplarisch für die Art und Weise, in der Geflüchtete durch die willkürliche Anwendung der Gesetze gegen den Menschenhandel kriminalisiert werden.
Amanda Ioset