Frontex weitet Operationen in EU-Nachbarländern aus
Stück für Stück schliesst die EU-Kommission Abkommen über den Einsatz der Grenzagentur Frontex in den Nicht-EU-Staaten auf dem Balkan ab. Die erste Operation der EU-Grenztruppe in Albanien wurde mittlerweile aufgestockt.
Im November 2019 hat die EU-Kommission nun auch mit Serbien eine Vereinbarung über die «Zusammenarbeit beim Grenzmanagement» unterzeichnet. Das sogenannte Statusabkommen regelt die Durchführung «Gemeinsamer Aktionen» (Joint Operations) mit der EU-Grenzagentur Frontex: Kontrollen und «Soforteinsätze zu Grenzsicherungszwecken» an den Grenzen zwischen Serbien und der EU, aber auch «Rückkehraktionen», mit denen – koordiniert durch Frontex – serbische Bürger*innen oder Drittstaatsangehörige, die sich zuvor in Serbien aufgehalten haben, dorthin zurückgeschafft werden.
Ziel des Abkommens sei die Bekämpfung irregulärer Migration und grenzüberschreitender Kriminalität. Die EU verspricht der serbischen Grenzpolizei außerdem eine «verstärkte technische und operative Unterstützung».
Musterstatusabkommen für «vorrangige Drittländer»
Der Vereinbarung mit Serbien sind nahezu wortgleiche mit Albanien (im Oktober 2018) und mit Montenegro (im Oktober 2019) vorausgegangen. Sie folgen einem Musterabkommen, auf das sich die EUKommission im November 2016 im Rahmen der «Europäischen Migrationsagenda» für die operationelle Zusammenarbeit mit «vorrangigen Drittländern» festgelegt hat. Statusabkommen mit Bosnien-Herzegowina und Nordmazedonien sind ebenfalls schon ausgehandelt, müssen aber noch von den Parlamenten der beiden Staaten und vom EU-Parlament ratifiziert werden. Nur mit Kosovo soll es eine solche Vereinbarung nicht geben, weil das Land keine Grenzen mit der EU habe.
Dennoch: nach Abschluss aller fünf Abkommen könnten Frontex-Teams fast auf dem gesamten Westbalkan eingesetzt werden – und das mit weitreichenden Vollmachten: Die von der Agentur entsandten Grenzpolizist*innen aus den EU-Mitgliedstaaten erhalten einen Sonderausweis des jeweiligen Einsatzstaates und tragen dort ihre eigenen Uniformen mit einer blauen Frontex-Armbinde. Sie führen außerdem Dienstwaffen, Munition und Ausrüstung ihres Herkunftsmitgliedstaats mit sich und dürfen Gewalt anwenden. Sie genießen im Rahmen der Frontex-Einsätze Immunität. Bei strafrechtlichen Verstössen wird die Handlung von der Gerichtsbarkeit des Herkunftsmitgliedstaats verfolgt. Die Frontex-Teammitglieder genießen zudem «uneingeschränkten Schutz» vor zivil und verwaltungsrechtlicher Verfolgung im Einsatzstaat.
Einsatzplan mit Griechenland abgesprochen
Im Mai 2019, rund ein halbes Jahr nach Abschluss des Statusabkommens mit Albanien, startete Frontex dort seine bislang erste «Gemeinsame Aktion» auf dem Hoheitsgebiet eines benachbarten Drittstaates. Laut Frontex haben zwölf EU-Staaten anfangs insgesamt 50 Beamt*innen entsandt, 16 Streifenfahrzeuge und ein Wagen mit Wärmebildkameras sollten eingesetzt werden. Stellt Frontex «plötzliche Veränderungen der Migrationsströme» in Albanien fest, können weitere «Soforteinsatzteams für Grenzsicherungszwecke» entsandt werden.
Der Einsatzplan ist laut Frontex mit der Regierung Griechenlands abgesprochen. Die Operation findet demnach entlang der gesamten «grünen» Grenze zwischen den beiden Staaten statt und umfasst neben der Grenzüberwachung in den Abschnitten Sopik, Çarçovë, Leskovik, Shtikë, Kapshticë und Livadhja auch die Grenzkontrolle an den albanischgriechischen Übergangsstellen Kakavija, Tre Urat (Çarçovë), Kapshticë, Rips und Qafe Bote. Für die Koordinierung des Einsatzes hat Frontex Unterstützungsbüros in Gjirokaster, Kakavija und Kapshticë eingerichtet.
Mittlerweile ist die Operation auf 66 Einsatzkräfte angewachsen. Ein Sechstel stammt von der deutschen Bundespolizei, die auch sechs der zwölf Streifenfahrzeuge mitgebracht hat. Neben der operativen Grenzkontrolle sind in Albanien auch Ausbildungsmaßnahmen geplant. Die Mission soll außerdem den Austausch von operativen Informationen und «bewährten Verfahren» erleichtern.
Keine albanischen Menschenrechtsgruppen eingebunden
Am 4. Dezember 2019 ist die neue FrontexVerordnung in Kraft getreten. Die Grenzagentur hat mehr Kompetenzen erhalten und baut eine Grenztruppe mit 10 000 Einsatzkräften auf. Die Maßnahmen von Frontex sollen nun unter anderem von einer Grundrechtebeauftragten beobachtet werden. Frontex hat außerdem ein Konsultativforum mit Nichtregierungsorganisationen eingerichtet, das die Agentur zur Vermeidung von Verstößen beraten soll. Für die «Gemeinsamen Operationen» in Drittstaaten empfiehlt dieses Forum, dort tätige Menschenrechtsgruppen in den Einsatzplan zu involvieren. Das deutsche Bundesinnenministerium, das mit elf Grenzpolizist*innen in Albanien präsent ist, hat von einer Einbindung albanischer NGOs allerdings «keine Erkenntnisse». Welche albanischen Organisationen hierfür angefragt werden könnten, weiß die Bundesregierung auch nicht. Menschenrechte sind halt nicht vorrangig im Kontakt mit den «vorrangigen Staaten».
Matthias Monroy, Wissensarbeiter, Aktivist und Mitglied der Redaktion der Zeitschrift Bürgerrechte & Polizei/CILIP.