In der Wintersession 2014 ist der Ständerat dem Vorschlag des Nationalrates gefolgt und hat die Durchsetzungsinitiative teilweise ungültig erklärt. Er verweigerte jedoch die Schlussabstimmung, bis die Umsetzung der Ausschaffungsinitiative beschlossen ist. Diese will er mit einer Härtefallklausel entschärfen und schafft so eine Differenz zur grossen Kammer, die inhaltlich wenig bringen wird, es dem Parlament jedoch ermöglicht, das Geschäft auf die Zeit nach den Wahlen zu verschleppen.
Auch vier Jahren nach der verheerenden Abstimmung über die Ausschaffungsinitiative lässt sich die sogenannte bürgerliche Mitte von den Rechtskonservativen rund um die SVP vor sich her treiben. Am 10. Dezember, dem Tag der Menschenrechte, durfte die kleine Parlamentskammer am Morgen über die Umsetzung dieser Initiative debattieren – und damit über die Abkehr vom Verhältnismässigkeitsprinzip, einer der tragenden Säulen unserer Verfassung. Neben einigen Ergänzungen beim Deliktskatalog schaffte der Ständerat dabei auf Geheiss seiner Kommission eine allseits als bedeutend erklärte Differenz, womit das Geschäft nun wieder zum Nationalrat geht.
Die neu geschaffene Differenz besteht in einer Härtefallklausel, wonach das «Gericht (…) ausnahmsweise von einer Landesverweisung absehen» kann, «wenn diese für den Ausländer einen schweren persönlichen Härtefall bewirken würde und die öffentlichen Interessen an der Landesverweisung gegenüber den privaten Interessen des Ausländers am Verbleib in der Schweiz nicht überwiegen.» Diese Klausel soll vor allem eine drohende Verurteilung durch den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof in Strassburg verhindern, der einen strikten Ausweisungsautomatismus, wie ihn die InitiantInnen und der Nationalrat vorsehen, niemals akzeptieren dürfte.
Allerdings kann hier nicht darüber hinweggesehen werden, dass es bei dieser neuen Bestimmung um eine Kann-Formel handelt: Das Gericht kann, ausnahmsweise, muss aber nicht. Die/der Verurteilte ist also auf dessen Gnade angewiesen. Das hat aber nichts mit Rechtsstaatlichkeit zu tun und ändert kaum etwas am Automatismus und auch nur wenig an der grundsätzlichen Verschärfung des Ausländer-Strafrechts. Nur zur Erinnerung: Das Ausländergesetz ermöglicht schon heute eine Ausweisung im Falle einer Verurteilung zu einer längerfristigen Haftstrafe. Längerfristig – das hiess anfangs: länger als zwei Jahre. 2009 entschied das Bundesgericht, dass bereits eine Verurteilung zu einem Jahr Haft für einen Rauswurf aus der Schweiz reicht. Der Bundesrat schlug 2011 in seiner Botschaft zur Umsetzung der Ausschaffungsinitiative vor, dass im Regelfall eine Landesverweisung ab einer Strafe von sechs Monaten erfolgen solle. Der Nationalrat schlug sich dank der «Mitte»-Parteien auf die Seite der SVP und akzeptierte den Automatismus – ohne Abstriche.
Die jetzt vom Ständerat eingefügte Formulierung eines schweren persönlichen Härtefalls erinnert stark an die Härtefallklauseln in Art. 30 AuG und Art. 14 AsylG, die Fachleuten allzu gut bekannt sind als Papiertiger. Sie verhindert weder, dass in Zukunft mehr Menschen ohne Schweizer Pass auch wegen Bagatelldelikten das Land verlassen müssen, noch wird sie die Schweiz vor weiteren peinlichen Rügen aus Strassburg bewahren.
Am Nachmittag des Menschenrechtstages hat der Ständerat darüber hinaus die letzten Differenzen mit dem Nationalrat in Sachen «Durchsetzungsinitiative» bereinigt. Dieses Geschäft wäre damit eigentlich abstimmungsreif. Die kleine Kammer beschloss jedoch einstimmig, die Abstimmung darüber erst durchzuführen, wenn die Beratung über die Umsetzung der Ausschaffungsinitiative abgeschlossen ist. Somit bleibt vier Jahre nach der Abstimmung über die Ausschaffungsinitiative vorerst alles beim Alten. Mit einem nicht zu unterschätzenden taktischen Vorteil: 2015 wird dieses Thema kaum in die Parlamentswahlen reinfunken.