Wir klagen an! – Strafanzeige gegen die Verantwortlichen der Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich, das kantonale Sozialamt und der Firma ORS Service AG
In der Schweiz wurde in den letzten Jahren ein System aufgebaut, das geflüchtete Menschen isoliert, prekarisiert und fremdbestimmt. Die prekären Lebensumstände, die dieses System hervorbringt, haben sich während der Corona-Pandemie nochmals drastisch verschärft: Während der Bundesrat die Bevölkerung dazu anhält, Abstand zu halten und weitere Massnahmen zu befolgen, um Ansteckungen zu vermeiden, leben die Menschen in den Asyl-Zentren weiterhin unter unwürdigen Bedingungen und auf engstem Raum. Wie auch diversen Medienberichten zu entnehmen ist, herrschen dort während der Pandemie Bedingungen, die es verunmöglichen, die Massnahmen des BAG zu befolgen.
In Bezug auf die Nothilfeunterkünfte des Kantons Zürich wurde dokumentiert, dass die Bewohner*innen kaum Informationen erhalten haben und oftmals keine Seifen oder Hygieneartikel vorhanden waren. Sie wurden weiterhin in Mehrbettzimmern untergebracht, auch Erkrankte oder Angehörige einer Risikogruppe wurden nicht verlegt. Die weiterhin bestehende Anwesenheitspflicht hat diese Menschen dazu gezwungen, in den Zentren zu verbleiben; ein Social Distancing wurde verunmöglicht. Damit gefährden die Verantwortlichen die Bewohner*innen der Zentren und nehmen in Kauf, dass sich das Virus weiter verbreitet.
Solidarité sans frontières (Sosf), die Demokratischen Jurist_innen der Schweiz (DJS) und verschiedene Geschädigte, die in den Nothilfeunterkünften des Kantons Zürich untergebracht sind, haben am 27. Mai 2020 eine Strafanzeige eingereicht. Diese richtet sich gegen die verantwortlichen Personen der Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich, den kantonalen Sozialamt und die Firma ORS Service AG, die für die Führung und Organisation der Zentren des Kantons Zürich verantwortlich sind. Es wird ihnen vorgeworfen, ihre Schutz- und Handlungspflicht, die Empfehlungen des Bundes zur Eindämmung der Corona-Pandemie in den Nothilfeunterkünften nicht oder nur ungenügend befolgt und dabei verschiedene Bestimmungen des Strafgesetzbuches und der COVID-19-Verordnung verletzt zu haben. Angezeigt wird die Aussetzung (Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit), Körperverletzung durch Unterlassen, Nötigung und eine Verletzung des Epidemiengesetzes.
Auch in einem am 18. Mai 2020 erschienenen Artikel in der juristischen Fachzeitschrift „Jusletter“ wird festgehalten, dass die Umstände, unter denen abgewiesene Asylsuchende, insbesondere im Kanton Zürich, während der COVID-19-Pandemie leben müssen, grundrechtswidrig sind. Das verfassungsmässige Recht auf Hilfe in Notlagen beinhaltet unter anderem auch die Pflicht zur Bereitstellung einer medizinischen Grundversorgung und zum Schutz der Gesundheit.
Gleichzeitig mit der Einreichung der Strafanzeige wird eine Kampagne lanciert, die von zahlreichen Organisationen unterstützt wird. Sie kritisieren damit, dass die Behörden das repressive Asylregime um jeden Preis aufrechterhalten wollen und die erforderlichen Massnahmen des Gesundheitsschutzes unterlassen haben. Es ist nicht nachvollziehbar, dass Geflüchtete nach wie vor unter prekären Bedingungen auf engstem Raum leben müssen und das, was aus Gründen der Gesundheit Schweizer Personen nicht zugemutet werden darf, bei abgewiesenen Asylsuchenden unproblematisch sein soll. Es zeigt sich einmal mehr, dass geflüchtete Menschen als Menschen zweiter Klasse behandelt werden.
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