Diesen Samstag hat der Staatssekretär vom Staatssekretariat für Migration (SEM), Mario Gattiker in einem Interview mit dem Blick, die Einstellung der Asylanhörungen während einer Woche angekündigt. Diese Woche soll genutzt werden um die dafür vorgesehenen Räume mit Plexiglaswänden auszustatten, um die anwesenden Personen vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus zu schützen. Zur Erinnerung: Bei einer Asylanhörung kommen mindestens fünf Personen (asylsuchende Person, befragende Person, Jurist*in, Dolmetscher *in und Protokollführer*in) für mehrere Stunden in einem kleinen Raum zusammen.
In einigen Medien kursieren bereits falsche Informationen, die besagen, dass die Asylverfahren ausgesetzt wurden. Das ist falsch. Gemäss den Antworten von Mario Gattiker (im Interview mit dem Blick), gehen die Asylverfahren weiter, ebenso wie die Entscheide, einschliessich der Dublin-Entscheide.
Solidarität sans frontières und rund 50 Organisationen haben letzte Woche einen Appell veröffentlicht, in dem sie diese Situation anprangern. Amnesty International und das Schweizerische Flüchtlingshilfswerk SFH taten dasselbe. Nach Ansicht all dieser Organisationen steht die aktuelle Situation im Widerspruch mit der Achtung der Rechtsstaatlichkeit und dem Asylgesetz. Dies hat folgende Gründe:
1) Der Einsatz der Ärzt*innen wird derzeit für die Pflege der Kranken, die Erkennung schwerer Fälle und die Kommunikation mit der Bevölkerung mobilisiert. Es ist für sie im Moment unmöglich, auf die Anfragen des SEM zu reagieren und medizinische Gutachten im Rahmen der Asylverfahren zu erstellen. Die Feststellung des medizinischen Sachverhalts ist jedoch eine grundlegend Aufgabe der Behörde im Rahmen des Asylverfahrens.
2) Nach dieser einwöchigen Pause möchte das SEM die Vorladung von Asylsuchenden zu den Anhörungen wieder aufnehmen. Dies steht im Widerspruch zu den Schutzmassnahmen. Den Asylsuchenden stehen in dieser Situation zwei Möglichkeiten zur Verfügung: entweder setzen sie sich und andere in Gefahr, indem sie der Vorladung Folge leisten oder sie verweigern die Teilnahme an der Anhörungen und behindern somit ihr Asylverfahren.
3) Das Recht auf einen wirksamen Rechtsbeistand ist nicht garantiert, da viele Rechtsberatungstellen schliessen mussten, um den kollektiven Bemühungen zur Bekämpfung der Ausbreitung der Pandemie Folge zu leisten.
Aus all diesen Gründen fordert Solidarité sans frontières das SEM und das Bundesverwaltungsgericht (BVG) auf alle Anstrengungen zu unternehmen, um die Bemühungen der gesamten Bevölkerung im Kampf gegen den Coronavirus zu unterstützen. Der Bundesrat und die Kantone fordern laufend die Menschen dazu auf zu Hause zu bleiben, um die Ausbreitung der Pandemie einzudämmen. Gleichzeitig will das SEM weiterhin Asylsuchende in Gefahr bringen. Das ist unverantwortlich.
Asylsuchende zu schützen bedeutet auch, die gesamte Bevölkerung zu schützen.
Das gesamte Asylverfahren muss bis zum Ende der Ausnahmesituation eingestellt werden.