Am Dienstag 29.11.2016 schafften die Schweizer Behörden eine eritreische Familie unter Zwang von Bern via Genf nach Italien aus. Seit der Ausschaffung sind die geflu¨chtete Mutter und ihre drei minderjährigen Kinder auf sich selbst gestellt. Die Schweiz wäre verpflichtet gewesen, von den italienischen Behörden eine Zusicherung fu¨r eine altersgerechte Unterbringung der Kinder einzuholen. Da die Schweiz ihrer Pflicht nicht nachgekommen ist, hat sie mit der Ausschaffung der Familie A. den Art. 3 EMRK verletzt. Der EGMR hat mit dem Urteil Tarakhel gegen die Schweiz beschlossen, dass Ausschaffungen von Familien nach Italien nur dann in Übereinstimmung mit der EMRK sind, wenn entsprechende Zusicherungen eingeholt wurden. „Die Schweiz muss die Familie unverzu¨glich wieder zuru¨ckholen und in das Asylverfahren aufnehmen“, fordern das Solidaritätsnetz Bern, Augenauf Bern und das Bleiberecht Kollektiv Bern.
Die alleinerziehende Mutter floh mit ihren drei minderjährigen Kindern in die Schweiz, wo bereits drei erwachsene Kinder leben und hier einen Aufenthaltsstatus erhalten haben. Dies nachdem der Vater aufgrund politischer Verfolgung an der eritreischen Grenze erschossen worden war. Die Flucht fu¨hrte sie u¨ber Italien in die Schweiz. In Italien wurde ihnen unter Zwang die Fingerabdru¨cke abgenommen. Die Schweizer Behörden traten unter Verweis auf das Dublinabkommen nicht auf das Asylgesuch der Familie ein und machten eine Zuständigkeit Italiens geltend. Der Migrationsdienst des Kantons Bern und das Staatssekretariat fu¨r Migration vollzogen die Ausschaffung der Familie, obwohl eine kindergerechte Unterbringung in Italien nicht organisiert war.
Die Familie wurde morgens um 6:30 Uhr aus dem Bett geholt und im als Linienflug getarnten Sonderflug nach Mailand ausgeschafft. Die Familie wurde beim Flughafengelände von den begleitenden Beamten an einer Bushaltestelle ausgeladen und angewiesen dort zu warten. „Die Beamten sagten, sie wu¨rden sich gleich wieder bei uns melden“, erklärt Warsay, der 15-jährige Sohn der Familie auf Schweizerdeutsch. Nach sechs Stunden Warten meinte eine Polizeipatrouille am Flughafen lakonisch, dass die Familie sich irgendwo einen Platz zum Übernachten suchen solle. Um 21 Uhr gab die Familie auf, obwohl sie ohne Papiere und Kontakte kaum eine Chance hatten eine Unterkunft fu¨r die Nacht zu finden. Nur dank rasch organisierter Hilfe von solidarischen Personen wurde verhindert, dass die Mutter mit ihren minderjährigen Kindern die Nacht im Freien verbringen musste. Der sich so zugetragene Sachverhalt lässt sich anhand des Chatprotokolls und Tonaufnahmen mit Unterstu¨tzer_innen in der Schweiz nachweisen.
Die Familie fordert von der Schweiz, dass sie ihren Pflichten nach Art. 3 EMRK und der Rechtsprechung des EGMR nachkommt und sie unverzu¨glich in das Schweizer Asylverfahren aufnimmt. Das Solidaritätsnetz, das Bleiebrecht-Kollektiv Bern und Augenauf Bern fordern von den Schweizer Behörden, dass sie vom Recht auf Selbsteintritt nach Dublinverordnung Gebrauch machen.