Dublin-Rückschaffungen nach Ungarn jetzt definitiv stoppen
Am 7. März 2017, hat das ungarische Parlament mit großer Mehrheit für die Festsetzung von Flüchtlingen in Transitzonen gestimmt. Künftig sollen alle Asylsuchenden nahe der Grenze zu Serbien in Containersiedlungen untergebracht werden, die sie bis zum Entscheid über ihr Asylgesuch nicht verlassen dürfen. Das Asylverfahren kann sofort und ohne Anfechtungsmöglichkeit beendet werden, wenn eine asylsuchende Person nicht mit den Behörden kooperiert oder die Transitzone verlässt.
Diese neuen Regelungen sollen für alle derzeit in Ungarn lebenden Flüchtlinge und alle zukünftig eintreffenden gelten. Einzige Ausnahme sind Minderjährige unter 14 Jahren. Konkret werden in Ungarn in Zukunft alle Asylsuchenden eingesperrt und sind vom gesellschaftlichen Leben völlig ausgeschlossen.
Die neuen Gesetze verstossen ohne Zweifel gegen europäisches und internationales Recht und vertragen sich nicht mit unseren Vorstellungen eines fairen Asylverfahrens. Sie belasten alle Asylsuchenden massiv, besonders aber die besonders verletzlichen Personen wie unbegleitete Minderjährige, allein erziehende Mütter und ältere Menschen.
Sosf ist verurteilt diese einschneidenden Massnahmen, die das Grundrecht auf Asyl angreifen und den Grundsatz des non-refoulement aushebeln, aufs Schärfste.Auch in der Schweiz setzen wir uns seit Jahren für offen zugängliche Asylzentren und für die Teilhabe der Asylsuchenden am gesellschaftlichen Leben ein.
Schon im vergangenen Jahr war klar, dass die ungarische Asylpolitik menschenrechtlichen Minimalia nicht mehr entsprach. Im Februar 2016 hatte deshalb das Bundesverwaltungsgericht entschieden, «bis auf Weiteres keine Abweisungen in Dublin-Verfahren betreffend Ungarn» vorzunehmen. Asylsuchende, die gegen ihre Ausschaffung nach Ungarn Rekurs einlegten, sollten vorerst in der Schweiz bleiben können. Ausweislich der Asylstatistik des SEM führt das Staatssekretariat aber nach wie vor Dublin-Out-Verfahren betreffend Ungarn durch. Seit Jahresbeginn hat Ungarn in 17 Fällen seine Zustimmung zu einem Rückführungsgesuch erteilt oder die Frist für eine Ablehnung verstreichen lassen, was nach der Dublin-Verordnung als Zustimmung gewertet wird. Fünf Personen wurden im Januar und Februar nach Ungarn ausgeschafft. Vor dem Hintergrund der aktuellen Asylrechtsänderung in dem Land fordert Solidarité sans frontières jetzt endlich Klarheit und Rechtssicherheit für die Betroffenen zu schaffen. Die Schweiz muss Dublin-Rückführungen nach Ungarn definitiv stoppen und auf die Gesuche von Asylsuchenden, die über Ungarn in die Schweiz gekommen sind, selbst eintreten. Eine solche Entscheidung ist nach der Dublin-Verordnung ohne Weiteres möglich, insbesondere wenn es sich wie im Falle Ungarn um «sytemische Schwachstellen» handelt, die «die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU–Grundrechtecharta mit sich bringen».
Bern, 5.4.2017, sosf