Das Dublin-System erweist sich täglich als menschenverachtend, ungerecht und unsolidarisch. Trotzdem hält der Bundesrat am Dublin-System fest und will es weiterentwickeln. Das geht aus einem heute herausgegeben Bericht hervor. Dem Bericht ist auch zu entnehmen, dass kein anderes Land mehr Dublin-Ausschaffungen durchführt als die Schweiz. Auch daran will der Bundesrat freiwillig nichts ändern.
Kein anderes Land führt mehr Dublin-Ausschaffungen durch als die Schweiz
2016 schafften die schweizer Behörden 3750 in einen anderen Dublin-Staat aus. 2015 waren es 2461. Das sind im Schnitt sieben bis zehn Menschen pro Tag. Das sind systematisch zerstörte Lebensperspektiven, auseinander gerissene Familien, verlorene Lebenszeit und unendlich viel Gewalt, Leiden und Unsicherheit. Das extreme Gewaltausmass der schweizer Ausschaffungsmaschinerie zeigt sich auch im Vergleich mit dem weitaus grösseren Nachbarstaat Deutschland. Dort schoben die Behörden 2015 rund 2000 Personen ab. 2015 trug die Schweiz insgesamt die Verantwortung für 20% der 13 348 Ausschaffungen im gesamten Dublin-Raum.
Die Schweiz missachtet die Dublinprinzipien
Die Schweiz verstösst in zweierlei Punkten gegen die systemimmanenten Dublinprinzipien: Erstens basiert das Dublin-System darauf, dass die Dublin-Staaten allesamt über vergleichbare Asylstandards verfügen. Die Schweiz gegen dieses Gleichheitsprinzip, in dem sie repressiver ausschafft als alle anderen Staaten. Zweitens schafft die Schweiz auch in Staaten wie beispielsweise Ungarn aus, die Geflüchtete systematisch internieren und unterdrücken. Auch damit verstösst sie gegen die Prinzipien.
Migration trotz Gewalt
Trotz extremer Ausschaffungsgewalt sind die Dublin-Ausschaffungsquoten tief. Europaweit lag diese 2015 bei 0,96%, in der Schweiz bei 6.2%. Das heisst, das unsolidarische Dublin-Grundprinzip wird nicht eingehalten. Geflüchtete bleiben nicht in peripheren Dublin-Staaten wie Griechenland, Italien oder Ungarn, wo sie als erstes registriert wurden. Wenn immer möglich migrieren sie in die Staaten ihrer Wahl. Die meisten entziehen sich der Gewalt des Dublin-Systems offenbar. Vermutlich, indem sie in den nächsten Dublin-Staat weiterreisen und/oder untertauchen. Wer untertaucht, ist jedoch entrechtet und ist als Sans-Papiers in vielen Fällen Ausbeutung, Sexismus und Rassismus (schutzlos) ausgesetzt.
Entmündigung ist keine Perspektive
Im Bericht anerkennt der Bundesrat gewisse Misstände in der Umsetzung des Dublin-System. Insbesondere die Situation in Griechenland und Italien erachtet er als besorgniserregend. Dies weniger aus Solidarität gegenüber diesen im Vergleich prekäreren Staaten, sondern aufgrund der eigenen Interessen. Er schlägt einen neuen innereuropäischen Verteilschlüssel vor. Geflüchtete sollen nicht wie heute an jenen Dublin-Staat gekettet sein, in dem sie als erstes registriert wurden. Neu sollen sie einem willkürlich bestimmten Staat zugeordnet werden. Damit gingen dann die Dublin-Ausschiffungen wohl noch effizienter.
Der Vorschlag des Bundesrates entmündigt somit Menschen weiterhin massiv und schlägt eine systematische Missachtung des (Menschen-)Rechts auf freie Niederlassung vor.