Liebe Kolleginnen und Kollegen
In der Schweiz leben rund 150`000 Sans-Papiers. Vergleichbar sind die Zahlen für Deutschland, Frankreich usw.. Es sind Menschen ohne Aufenthaltsbewilligung, aber auch ohne sozialrechtlichen und arbeitsrechtlichen Schutz. In allen Ländern arbeiten sie vorab in der Landwirtschaft, im Gastgewerbe, im Reinigungsgewerbe, auf dem Bau und in privaten Haushalten. Sie leisten Schwerarbeit zu niedrigsten Löhnen, haben keine Rechte. Und damit sind sie der Willkür der Arbeitgeber, der Nachbarn, der Vermieter schutzlos ausgeliefert. Sie sind ohne Menschen- und Grundrechte. Und dies ausgerechnet in den Ländern, die glauben, sie seien die Verteidiger der Demokratie, und die glauben, sie müssten andern Lektionen über die Einhaltung der Menschenrechte erteilen.
Kolleginnen und Kollegen
Eine Randerscheinung, mit der wir leben müssen? Bei 150 Tausend alleine in der Schweiz? Wohl kaum. Wer also profitiert davon? Rechtlose Arbeiter und Arbeiterinnen, die sich nicht wehren können, kann man auspressen bis sie nicht mehr können, um sie dann wegzuwerfen. Es gibt ja auf der ganzen Welt noch Milliarden Ersatz. Wer sie beschäftigt, macht extreme Sonderprofite. Aber damit das auch klappt, braucht es noch eine Komponente mehr im System: Die Polizei und Behörden müssen kräftig mitspielen. Es funktioniert nur, wenn ein gewisser Prozentsatz regelmässig verhaftet, gebüsst und im Schnellstverfahren ausgewiesen wird. So schnell wie möglich, sonst müsste man ja noch den Arbeitgeber eruieren und bestrafen. Der aber ist sicher eine Stütze der Gesellschaft. Ich glaube, weiter im Süden würde man von mafiösen Verhältnissen sprechen und wäre entsetzt. Eine böse Karrikatur? Vielleicht, aber die andere mögliche Erklärung ist nicht netter: unsägliche Dummheit und Ignoranz! Wer aber dreht und profitiert mit? Die ganze Wirtschaft und der Staat. Alle betroffenen Bereiche wie Reinigung, Verpflegung sind aus der Grossindustrie und aus dem Staat ausgegliedert worden, um zu sparen. Beispiel gefällig: Die Reinigung: was heute bezahlt wird an die Reinigungsunternehmen ist weniger, wie man früher allein für die Löhne bezahlt hat. Ein Wunder der Marktwirtschaft? Wohl kaum! Wenn man sich mit der Materie befasst weiss man, auch wenn es absurd tönen mag, dass die Wahrscheinlichkeit, dass die Amtsstube von RR Schild von einem Sans-Papier gereinigt wird ziemlich gross ist.
Ins System passt auch die Behandlung der Menschen, die aus Ländern ausserhalb der Europäischen Union stammen. In der Schweiz leben und arbeiten heute rund 560`000 davon. Der grösste Teil davon kommt aus der BR Jugoslawien, aus Bosnien und Herzegowina, aus Makedonien, aus Albanien und der Türkei. Wenn sie vorübergehend in ihre Heimat zurückreisen, um Verwandte zu besuchen, brauchen sie für die Durchreise durch Italien oder Oesterreich ein Visum. Das muss beantragt und dann - manchmal Wochen später- abgeholt und bezahlt werden. Es sind zum Beispiel Menschen, die am Rhein vor dem italienischen Konsulat Schlage stehen. Sie werden schikaniert und durch die Amtsmühlen gedreht, damit sie am Schluss bezahlen können.
Ausserdem sind sie eigentlich unerwünschte Menschen 2. Klasse, die keine Arbeitsbewilligung mehr erhalten dürfen, gemäss der Immigrationspolitik der Schweiz. Wahrscheinlich will man die so gut florierende Sans-Papiers-Ausbeutung auch noch auf sie ausdehnen, das System hat sich ja bewährt.
Kolleginnen und Kollegen
Wir wollen an eine europäische Traditionen anknüpfen . An die Tradition der internationalen Solidarität einer kämpferischen Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung. Es gibt nicht nur die düstere Schweiz der Blochers. Es gibt eine offene Schweiz - offen für die Menschenrechte und eine wirkliche Demokratie. Wir kämpfen so heute zum Beispiel:
- Für die kollektive Regularisierung der Sans-Papiers. Für die Abschaffung der Sklaverei des 21. Jahrhunderts Wir setzen uns für eine Nichtrassistische Immgrationspolitik ein, in der nicht zwischen erwünschten und unerwünschten Nationen unterschieden wird.
- Wir setzen uns ein für die Abschaffung der schikanösen Visumspflicht für unsere immigrierten Kolleginnen und Kollegen bei der Durchreise ins Heimatland
Wir pfeifen auf diese Art der Modernisierung und der Globalisierung, welche die Grenzen für das Kapital öffnet und für die Menschen schliesst. Wir pfeifen auf die Festung Europa und auf Schengen.
Eine andere Schweiz, ein anderes Europa, eine andere Welt ist möglich - wenn wir dies wollen.
Jost Arnet