Ich möchte etwas zu den Tätigkeiten der Polizeien im Dreiländerecke sagen.
Wir kennen es inzwischen alle: tägliche Routinekontrollen in den Zügen, Ausweiskontrollen auf den Strassen, Videoüberwachung in den Städten und an den Grenzen, verdeckte Ermittlungen, Aufenthaltsverbote, Telefonabhör-Aktionen, und viele andere Kleinigkeiten. Das Gebäude und die Tätigkeit des Bundesgrenzschutz stehen beispielhaft für diese Methoden. "Nacheile" und gemeinsame Kontrollen sind inzwischen an der Tagesordnung. Der BGS wird aufgerüstet, zur nationalen Polizei verwandelt. Die Mehrheit lässt es über sich ergehen. Sie geht davon aus, nicht davon betroffen zu sein. Das ist allerdings eine Illusion.Flughäfen, Autobahnen, Eisenbahnstrecken, Züge, Bahnhöfe, ja selbst Feldwege und fliegende Kontrollen sind heute üblich. Verdachtsunabhängige Kontrollen. Grenzüberschreitende Kriminalität. Drogentransporte. Und viele andere Stichworte.
Man hörte schon vor zehn Jahren, wie die neuen Feindbilder beschrieben werden:
Menschenschmuggler, unkontrollierte Einwanderer, und die Armutsflüchtlinge aus den Drei Kontinenten, die sich nicht mit ihrem Schicksal abfinden wollen. Parallel wird bekanntlich die Gesellschaft umgebaut. Eine Sicherheit für alle existiert schon lange nicht mehr.
Gewiss ist dies heute grenz-überschreitend festzustellen. Die Aufhebung der nationalen Grenzen fand zuerst im Bereich der Kontrollen und Überwachungsmassnahmen statt. Inzwischen gibt es mit der Schweiz sogar ein Pilot-Abkommen, das über die bisherigen Schengen-Regelungen hinausgeht. In der nächsten Woche wird in Sevilla weiter am Konzept gearbeitet. Im letzten Jahr ist europaweit die erschreckende Diskussion zur Verschärfung der "Sicherheitsordnung" hinzugekommen. Auf die Einzelheiten möchte ich hier nicht eingehen. Wir erleben zugleich noch eine Medienberichterstattung, in der das alles nicht vorkommt.
Was wird damit bezweckt, was können wir dagegen tun?
Wir werden alle als potentielle Gefahrenquellen definiert. Wir sind verdächtig in jeder Hinsicht. Nicht nur nach der Hautfarbe, der Herkunft, der Sprache wird ausgesiebt - auch nach der Verlässlichkeit, der richtigen Gesinnung und der aktiven Teilnahme am gemeinsamen Ziel. Folglich gibt es auch die sogen. Erfolge bei diesen Kontrollen. Die richtige Gesinnung ist die Voraussetzung dafür. Die Polizei nennt dies in ihren Statistiken "Treffer". Der Innenminister aus Baden-Württemberg sagt, die sogen. Schleierfahndung habe sich "sehr bewährt". Die im Schleppnetz hängen bleiben, sind bis zu 82 % Migrantinnen und Migranten.
Das ganze wird inzwischen umgedreht. Neben den sogen. Kontroll-erfolgen gibt es auch eine Erfolgskontrolle. Für die Landespolizeidirektion in Baden-Württemberg heisst dies beispielsweise, dass neben den vielen Grossraumfahndungen pro Monat mind. eine Sonder-Fahndung nach illegalen Ausländern durchgeführt werden muss. Man nennt dies auch "in die Ausländer gehen". Auch so kommt man dann auf die statischen Erfolge. Und sichert sich unter Umständen auch noch seinen Arbeitsplatz, da man ja erfolgreich war:
- Wenn man herausfindet, dass derartige polizeistaatliche "Massnahmen" sehr viel mit gesellschaftlicher Regulierung, mit Disziplinierung zu tun haben;
- wenn man herausfindet, dass immer mehr die globalen Kapitalinteressen geschützt werden, hingegen die davon betroffenen Menschen verfolgt werden;
- wenn man herausfindet, dass die Freiheit immer eine Freiheit zur übermässigen Kontrolle und Gefahrenabwehr ist;
- wenn man weiss, dass die Politik immer weniger die Probleme löst, sondern sie administrativ verwaltet und polizeilich sortiert;
dann ist auch hier die Frage offensichtlich:gelten Grundrechte und Menschenrechte eigentlich grenzenlos, oder sind sie blosse Verschiebemasse, eingesetzt zum Machterhalt einer politischen Klasse?Mit all diesen offenen und verdeckten Massnahmen wird offenkundig, dass es bislang nicht gelungen ist, wesentliche Konflikte der Gesellschaft zu lösen, auch nicht weltweit. Allenfalls haben sie mehr Unsicherheit, eine Abnahme von humanen Prinzipien und eine erschreckende Armut an Vorstellungen von Freiheit gebracht.
Es ist - auch das wissen viele - der völlig falsche Weg.Ist es zu weit, hier eine Verbindung nach Porto Alegre zu schlagen?
Dort wurde erklärt, eine Politik von Krieg und organisiertem Hunger, eine Politik der Beschädigung von Lebensbedingungen kann nicht fortgesetzt werden.
Das Modell der neo-liberalen Herrschaft zerstört die Rechte der Menschen, die Lebensbedingungen und fordert die aufgerüsteten Polizeien (wie in Genua), um den Protest zu zerschlagen.Es gibt hiergegen ein Recht auf Kritik, ein Recht auf Information, ein Recht auf Frieden, auf soziale Gerechtigkeit, auf Humanität. Ein Recht der Zusammenarbeit und Solidarität.Genau dies wollen wir hier demonstrieren und uns dabei auch nicht von den rassistisch geprägten Kontrollen und Polizei-Einsätzen behindern lassen.Eine andere Welt ist möglich, so hiess es in Porto Alegre. Gewiss ist dies ein weiter Weg. Aber der jetzige Weg führt nur in die Sackgasse.
Daher ist bei aller Verschiedenheit die globale Solidaritätsbewegung wichtig, die immer - wie hier auch - vor Ort angebunden sein muss. Der Ausdruck der Verschiedenheit bildet die Kraft und Basis der Einheit.