Kola Bankole wurde auf dem Frankfurter Flughafen ermordet. Dies war im August 1994. Er war nicht der erste Tote. Von einer juristischen Verfolgung der Verantwortlichen ist nichts bekannt. In Belgien wurde Semira Adamu am 22.9. 1998 bei der Abschiebung mit einem Kissen erstickt. In Belgien wurde bislang vergeblich versucht, die Verantwortlichen vor Gericht zu bringen. In Zürich wurde Khaled Abuzarifa am 3. März 1999 erstickt. Der Prozess vor dem Kantonsgericht in Zürich wurde der Arzt zu einer Strafe auf Bewährung verurteilt. In Wien wurde Marcus Omofuma zwei Monate später ebenfalls mit einem Klebeband erstickt. Auch hier sitzen die Verantwortlichen nicht vor Gericht.
In Frankfurt wird im Herbst der Prozess um den Tod von Amir Ageeb eröffnet. Dieser starb am 28. Mai 1999.
Es ist offenkundig: es kann nicht nur tödlich sein, in die Festung Europa zu gelangen. Es ist offenbar auch tödlich, aus ihr wieder heraus zu fliegen.
Die Antirassistische Initiative in Berlin hatte in ihrem Jahresbericht für 2001 nur einen kleinen Ausschnitt dokumentieren können.
Danach ist allein ihr bekannt geworden:
- 130 Tote an den Grenzen in die Bundesrepublik Deutschland.
- 343 Körper-Verletzungen beim Grenzübertritt, davon mehr als 200 an den deutschen Ost-Grenzen.
- 99 Personen töteten sich angesichts der drohenden Abschiebung, davon 45 allein in Abschiebehaft.
- 338 Personen haben sich aus Angst vor Abschiebung verletzt, davon 227 in Abschiebehaft.
- 58 Menschen starben seit 1993 bei Bränden in Lagern und unwürdigen Unterkünften. Mehr als 500 Personen wurden hierbei erheblich z.t. verletzt.
Das sind nur einige Zahlen, das ist nur ein Ausschnitt aus dem Grenzregime in Deutschland.
Wir wissen nicht, wie viele Menschen auf dem Weg von Marokko nach Spanien ertrinken.
Wir wissen nicht, wie viele Schiffe im Mittelmeer auseinanderbrechen, Menschen ins Wasser geworfen werden, oder von den italienischen Grenzbehörden nicht an Land gelassen werden.
wissen nicht, wie viele Menschen von Schüssen in Griechenland wieder vertrieben werden.
Die Küstengrenze zwischen Spanien und Marokko - die Strasse von Gibraltar - wird inzwischen mit einem elektronischen Überwachungssystem kontrolliert. Grenztürme, z.b. in Tarifa, werden errichtet. Mobile Radarstationen und Aufklärungsflugzeuge werden eingesetzt - man kann das inzwischen bei uns in Fernsehen alles sehr gut verfolgen.
Auf eine Entfernung von 5 km lassen sich mit diesen Observationssysteme bereits zwei Menschen voneinander unterscheiden. Sie erscheinen auf dem Bildschirm als Leuchtpunkte. Dann wird per Funk die Guardia verständigt. Sie können angeblich schon den Auffangort und -zeitpunkt vorausberechnen.
Die technischen Anlagen stellen Konzerne wie Thomson oder Carl Zeiss her. Geld kostet das natürlich auch. Eta 150 Mio Euro - das bezahlt z.t. die Europäische Union.Das Ganze bildet - zukünftig auch für die osteuropäischen Länder - die Voraussetzung für die Eintrittskarte in die EU.
Soweit nur ein kleines Detail, was in den letzten 5 bis 10 Jahren gemacht wurde, und für die nächsten Jahre alles zu erwarten ist.Das dies auch innereuropäisch einen ‚richtigen Sinn' macht, zeigten bereits die letzten Jahre.
Da war die propagierte Freizügigkeit so richtig zu spüren.
In Göteborg kam nur infolge glücklicher Umstände trotz Schusswaffeneinsatz der schwedischen Polizei keiner ums Leben. In Genua wurde Carlo Giuliani dann erschossen. Hunderte wurden z.t. schwer verletzt, andere wurden auf Polizeistationen -in Erinnerung an die faschist. ital. Polizei- gefoltert.
Die Eskalationsstrategie der europäischen Länder war vorbereitet. Sie wurde auch heftig applaudiert.
Man hatte Berlusconi bereits damals insoweit informiert, als wäre Osama bin Laden auf dem Weg nach Genua. Das rechtfertigt zusätzlich alles weitere.Vor genau einem Jahr war es auch an dieser Grenze, dass bereits die ersten Demonstrationsteilnehmer durch den deutschen BGS ausgesiebt worden sind. Die Fahndungsdateien verzeichneten dann üble Informationen. Beteiligung an Göteborg, an Hausbesetzungen oder an anderen staatsfeindlichen Aktivitäten.
Manche mussten sich gleich zu Hause bei der Polizei melden; eingeführt wurde das - ganz unverdächtig - anlässlich der Fussballereignisse in Frankreich, als deutsche Hooligans einen französischen Polizisten lebensgefährlich verletzten.
Es gibt kein Grundrecht, auch nicht auf Freizügigkeit. So wurde diese Regelung damals begründet.
Gibt es zwischen den Toten an den Grenzen und diesen inneren Abwehr-Apparaten einen Zusammenhang?
Das dürfte auf der Hand liegen. Der reale Zustand einer Demokratie (oder wie das heute heisst) lässt sich kaum besser ablesen als am Umgang mit den GegnerInnen der eigenen Politik. Grenzenlos freizügig, für Waren und sogen. Dienstleistungen, d.h. für Ausbeutung und militärische und polizeiliche Dienstleistungen.
Für Personen und ihre Bewegungen, für Migration und die Flucht vor Ausbeutung und Unglück existiert keine Freiheit.
Wer nach Europa flieht, hat hier nichts zu lachen. Das möchte auch die Botschaft der EU sein.Dagegen ist unser Anliegen, sich unabhängig von diesen staatlichen Autoritäten zu organisieren. wir möchten eine Freizügigkeit haben, die für Veränderungen und Bewegungen offen ist.
- Wir möchten Projekte fördern, die Gastfreundlichkeit und Aufnahme bietet.
- Wir möchten Verbindungen herstellen.
- Dies gilt für viele Bereiche: für Bildung, Erholung, Gesundheit, Kultur, soziale Sicherheit, gesellschaftlich sinnvolle Tätigkeiten.
- Hier haben keine Lager Platz, keine Entrechtung und Diskriminierung. Aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Dennoch ist diese Demonstration über die Grenzen hinweg auch ein kleiner Schritt dorthin.