Liebe Kolleginnen und Kollegen
In der Schweiz leben rund 150`000 Sans-Papiers. Und Vergleichbares gilt für Länder wie Frankreich, Deutschland oder auch die USA. Es sind Menschen ohne Aufenthaltsbewilligung aber auch ohne sozialrechtlichen und arbeitsrechtlichen Schutz. In allen Ländern arbeiten sie vorab in der Landwirtschaft, im Gastgewerbe, im Reinigungsgewerbe und auf dem Bau. Und viele tausende Frauen sind in diesen Ländern als Hausangestellte tätig. Sie leisten Schwerarbeit zu niedrigsten Löhnen, haben aber kein Recht auf Arbeit und auch sonst keine Rechte. Und damit sind sie der Willkür der Arbeitgeber, der Nachbarn, der Vermieter und natürlich auch der Behörden und der Polizei schutzlos ausgeliefert. Sie sind die modernen Sklaven in einer Welt der Modernisierung und Globalisierung. Sie sind die Sklaven des 21. Jahrhunderts. Sie sind ohne Menschen- und Grundrechte. Und dies ausgerechnet in den Ländern, die glauben sie seien die Verteidiger der Demokratie, und die glauben, sie müssten andern Lektionen über die Einhaltung der Menschenrechte erteilen.
In der Schweiz leben und arbeiten heute rund 560`000 Menschen, die aus Ländern ausserhalb der Europäischen Union stammen. Der grösste Teil davon kommt aus der BR Jugoslawien, aus Bosnien und Herzegowina, aus Makedonien, aus Albanien und der Türkei. Wenn sie vorübergehend in ihre Heimat zurückreisen, um Verwandte zu besuchen, brauchen sie für die Durchreise durch Italien oder Oesterreich ein Visum. Das muss beantragt und dann - manchmal Wochen später- abgeholt und bezahlt werden. Es sind zum Beispiel Menschen, die am Rhein vor dem italienischen Konsulat Schlage stehen. Sie werden schikaniert und durch die Amtsmühlen gedreht, damit sie am Schluss bezahlen können.
Kolleginnen und Kollegen
Dies sind offenbar die Vorteile der Modernisierung und der Globalisierung, auf welche die Regierungen der europäischen Länder so stolz sind. Für die einen bringt sie Möglichkeiten der schamlosen Bereicherung - für die andern Schikanen und zunehmende Rechtlosigkeit. Seit 1980 wir unsere Wirtschaft und Gesellschaft nach dem Modell der Neoliberalen umstrukturiert modernisiert und globalisiert. Dies heisst mehr Freiheit für das Kapital, mehr Freiheit für Abzocker und Geldsäcke - für andere mehr Ausgrenzung und mehr Diskriminierung. Es heisst offene Grenzen für Waren, Kapital, Steuerflüchtlinge und korrupte Politiker. Für andere heisst es geschlossene Grenzen, mehr Kontrollen und mehr Demütigung. Dass dies in der Schweiz einer Tradition entspricht, können wir im Flüchtlingsbericht der Bergier-Kommission nachlesen. Auch in den dreissiger und vierziger Jahren hiess es: Offene Grenzen für Rüstungsgeschäfte, für Finanzgeschäfte und für Raubgold. Geschlossene Grenzen für Flüchtlinge und Verfolgte. Unsere Bundesrätin, Ruth Price-Watherhouse Metzler, und unser scheinbar so liberaler Regierungsrat, Peter Schild, führen diese Tradition der Herren von Steiger, Etter und Rothmund weiter.
Kolleginnen und Kollegen
Wir knüpfen an eine andere europäische Traditionen an. An die Tradition der Aufklärung, der Französischen Revolution und an die Tradition der internationalen Solidarität einer kämpferischen Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung. Es gibt nicht nur die düstere Schweiz der von Steigers, der Rothmunds, der Blochers und Zanolaris. Es gibt eine offene Schweiz - offen für die Menschenrechte und eine wirkliche Demokratie. Wir kämpfen so heute zum Beispiel:
- Für die kollektive Regularisierung der Sans-Papiers. Für die Abschaffung der Sklaverei des 21. Jahrhunderts
- Wir setzen uns ein für die Abschaffung der schikanösen Visumspflicht für unsere immigrierten Kolleginnen und Kollegen bei der Durchreise ins Heimatland
Wir pfeifen auf diese Art der Modernisierung und der Globalisierung., welche die Grenzen für das Kapital öffnet und für die Menschen schliesst. Wir pfeifen auf die Festung Europa und auf Schengen.
Eine andere Schweiz, ein anderes Europa, eine andere Welt ist möglich - wenn wir dies wollen.
Hans Schäppi, Präsident Basler Gewerkschaftsbund
14.6.2001