"Die Grenzen zwischen der Schweiz, Deutschland und Frankreich stellen für viele Menschen unüberwindbare Hindernisse dar. Wir wollen die Grenzen durch elsässisch-badisch-schweizerische Zusammenarbeit auflösen", hatten die aufrufenden Organisationen in ihrem Dreiländer-Manifest proklamiert. Am Samstag machten sich die Dreiland-DemonstrantInnen mit oder ohne Pass auf einen langen und symbolischen Marsch über diese Barrieren hinweg. Sie passierten - für einmal ohne Kontrolle - die Aussengrenze der EU zur Schweiz und die EU-Binnengrenze zwischen Frankreich und Deutschland, um an den traurigen Monumenten des Grenzregimes ihre Solidarität mit Flüchtlingen und MigrantInnen zu zeigen.
Letzte Station auf diesem Weg und zugleich markantestes Zeichen der Ausgrenzung war das mit mehreren Absperrzäunen und Hochsicherheits-Stacheldraht abgeschirmte Ausschaffungsgefängnis neben der Basler Flüchtlingsempfangstelle in unmittelbarer Nähe zur schweizerisch-deutschen Grenze. "Hier werden Menschen gefangen gehalten, die nichts verbrochen haben, ausser dass sie unerwünscht sind und den richtigen Stempel auf dem richtigen Papier nicht vorweisen können", erklärte Dieter Bäumli von augenauf Basel den DemonstrantInnen.
Die zahlreichen Redebeiträge auf der Demoroute richteten sich gegen die schrankenlose Überwachung im Grenzraum, gegen die Verschärfung der Asyl- und Ausländergesetze sowie gegen die Ausbeutung und Kriminalisierung der EinwanderInnen von ausserhalb der EU, insbesondere der Sans-papiers. Die DemonstrantInnen schickten eine Grussbotschaft an die Sans-papiers, die die Universität von Sevilla besetzt haben. In dieser Stadt findet vom 21.-22. Juni 2002 der EU-Gipfel "gegen die illegale Migration" statt. Sans-papiers, die Sklaven des 21. Jahrhunderts, würden ausgerechnet in jenen Länder benutzt und kriminalisiert, die glauben, sie seien die Verteidiger der Demokratie und der Menschenrechte, hielt Hans Schäppi des Basler Gewerkschaftsbundes (BGB) fest.
"Grenzen auf für die Polizei, verstärkte und erweiterte Grenzkontrollen für alle, die 'fremdländisch' aussehen - das kann nicht unsere Version von Europa sein", rief Heiner Busch von Solidarité sans frontières den Versammelten auf dem Basler Claraplatz zu: "Wenn die Bürger- und Menschenrechtsorganisationen diesem Wettlauf zu einem Europa der Polizeien und Abschottung etwas entgegen setzen wollen, müssen sie selbst grenzüberschreitend handeln."
Vom Claraplatz bis kurz vor dem Friedlinger Zoll war der Basler Demonstrationszug eigentlich ein Demonstrations-Tram - behängt mit Transparenten und gelenkt von Trämli-Führer und Journalist Beat Leuthardt (Verfasser diverser Bücher zur Grenzproblematik). Der anschwellende Demozug überquerte die Grenze und traf im Rheinpark, bei brütender Hitze, auf die DemonstrantInnen von Frankreich und Deutschland. Die fliegende Beiz von Stefan erlöste vom Durst. Hannes Reiser vom Sans-papiers Kollektiv kommentierte das Grenzregime in Europa und an Ort. In Weil am Rhein war der Demo-Zug auf 2'000 Personen mit unzähligen farbigen Transparenten angewachsen. "Wer Sans-papiers beschäftigt, macht extreme Sonderprofite" sagte Jost Arnet von der GBI vor den schwitzenden, im Schatten kauernden DemonstrantInnen auf dem Marktplatz in Weil, und führte die Sklaverei des 21. Jahrhunderts vor Augen. Das erpresserische System funktioniere aber nur, wenn Polizei und Behörden kräftig mitspielen, wenn ein Teil der Rechtlosen regelmässig verhaftet und ausgewiesen werde. Arnet und Schäppi prangerten zudem die Visumspolitik für die rund 560'000 in der Schweiz Arbeitenden aus Nicht-EU-Ländern an: Um Verwandte in der Heimat zu besuchen, müssten sie sich für die Durchreise durch Italien und Österreich einem zeitraubenden und aufreibendem Visumsprozedere unterziehen.
130 Tote habe das deutsche Grenzregime im letzten Jahr gefordert, viele Hundert MigrantInnen seien verletzt worden oder verletzten sich selbst aus Angst vor Abschiebungen, erläuterte Walter Schlecht vom südbadischen Aktionsbündnis gegen Abschiebungen (SAGA): "Für Personen und ihre Bewegungen, für Migration und die Flucht vor Ausbeutung und Unglück existiert keine Freiheit." Und Christian Möller ergänzte vor dem Gebäude des Bundesgrenzschutzes (BGS) und den davor positionierten Grenzschützern: "'Nacheile' und gemeinsame Kontrollen sind inzwischen Tagesordnung. Der BGS wird aufgerüstet, zur nationalen Polizei verwandelt. Die Bevölkerungsmehrheit lässt es über sich ergehen. Sie geht davon aus, nicht davon betroffen zu sein. Das ist allerdings eine Illusion." Der Erfolg der Dreiländer-Demonstration liege in der Verbindung über die Grenzen hinweg. Bei aller Verschiedenheit sei die globale Solidarität wichtig, die immer vor Ort angebunden sein müsse.
Nach den Strapazen der sechstündigen Demo unter praller Sonne bot das Basler Sans-papiers-Kollektiv in den schattigen Langen Erlen Speis und Trank an.
a.l. und h.b.