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Die institutionellen Treffen bis und mit 14.7. haben wir von der Schweiz aus organisiert. Es stellte sich jedoch heraus, dass weitere Organisationen wie Arci con Fraternità und Caritas Rom für uns aufschlussreicher wären. Es war aber etwas aufwändig und stressig, die Treffen mit diesen Institutionen innerhalb unserer kurzen Aufenthaltszeit an Ort zu organisieren. Wir waren sehr froh, dass sich deren Vertreterinnen trotz überfüllter Agenden die Zeit für ein Gespräch mit uns genommen haben.
Es war noch schwieriger, ohne Vermittlung durch Vertrauenspersonen mit Flüchtlingen in Kontakt zu treten. Die LeiterInnen der Mensen akzeptierten es nicht, dass wir uns unter die Kundschaft mischten. Wir versuchten, am Ausgang mit Flüchtlingen Kontakt aufzunehmen. Eine grosse Hilfe war M., ein Freund eines Eritreers, dem ich in der Schweiz geholfen habe. Durch dessen Vermittlung bestand bereits ein Vertrauensvorschuss.
Aufenthaltszentren und andere institutionalisierten Treffpunkte für Rifugiati (nachfolgend nenne ich alle, unabhängig von ihrem Status "Rifugiati") sind für Aussenstehende schlecht zugänglich. Überhaupt keinen Zugang gibt es zu den Centren für Identifizierung und Ausschaffung (CIE). Man müsste eine Bewilligung beim Innenministerium einholen, wenn man eine Person dort besuchen möchte. Die Insassen in den CIE sind eingeschlossen, können aber, gemäss Arci c.f. telefonieren. Natürlich konnten wir die Rifugiati, die wir zufällig trafen, nicht beliebig ausfragen und uns ihre Unterlagen zeigen lassen. Sie wären sonst sehr misstrauisch geworden. Wir waren ja nicht ihre RechtsberaterInnen. So blieb denn die eigentliche Kernfrage unserer Recherchen, nämlich was mit den Dublin-II-Zurückgewiesenen effektiv und genau passiert – nur unvollständig beantwortet (siehe unten).
Überlebensstrukturen der Rifugiati
Die CARA („Centri di Accoglienza per i Richiedenti Asilo“) sind die offiziellen Zentren, wo sich Flüchtlinge bis zum Abschluss ihrer Asylverfahren aufhalten (www.interno.it). Es gibt jedoch, gemäss einigen GesprächspartnerInnen, auch noch privat geführte Parallelstrukturen dazu sowie von den Behörden eingerichtete Zeltstätten. SPRAR (Protection Service for Asylum seeker and refugees) sind eine Art Integrationsprojekt mit Unterbringung, das Asylsuchenden für 6 Monate nach abgeschlossenem Verfahren den Zugang zu Arbeit und Landessprache erleichtern soll (www.serviziozentrale.it).
Frau Ngô Dình Lê Quyên von Caritas Rom stellte die Flüchtlingssituation folgendermassen dar: Bis 1998 war Italien bloss ein Durchwanderungsland für MigrantInnen (Asylsuchende u. andere), die in die nördlicheren Länder reisen wollten. Dies änderte sich grundlegend, als Italien Mitglied des Schengensystems wurde. Plötzlich hatte Italien eine grosse Anzahl von MigrantInnen aufzunehmen, und musste dafür neue Rechts- und Aufnahmestrukturen aufbauen. Der Staat schoss Geld in das SPRAR-System ein, doch hinkte dessen Aufnahmekapazität stets weit hinter der Anzahl der Einwandernden hinterher. Italien begann mit wenigen SPRARPlätzen (heute ca. 3'000 Plätze). 2007 brauchten jedoch ca.14'000 Asylsuchende einen Platz, 2008 waren es bereits rund 30'000. Die Rifugiati bleiben 6 Monate im SPRAR. Die grosse Mehrheit der Rifugiati leben somit ungeschützt, also ohne Obdach und Integrationshilfe in Italien. Allein in Rom gibt es bloss etwa 200 SPRARPlätze, rund 2'300 Personen warten auf einen Platz.
Das Innenministerium hat im letzten Jahr, als die Situation dramatisch war, riesige Zentren um Rom herum errichtet (die 100 oder bis zu 600 Personen aufnehmen). Solche Grosszentren der Massenversorgung vermögen jedoch keine Integrationswirkung zu entfalten. Dies hat nicht zuletzt dazu geführt, dass vermehrt Rifugiati in der Hoffnung auf einen Platz nach Rom gereist sind Es herrscht heute eine dramatische Situation der obdachlosen MigrantInnen in Rom - Ngô Dình Lê Quyên spricht von der schlimmsten Situation seit 20 Jahren - und es sollten keinesfalls Asylsuchende/Flüchtlinge nach Rom zurückgeschickt werden. Es gibt zwar nach dem Gesetz eine Garantie einer sozialen Betreuung von vulnerablen Personen, doch existiert diese in der Realität nicht. Vulnerable Personen werden bevorzugt in die SPRAR-Strukturen aufgenommen, aber die Strukturen reichen auch für sie nicht aus. Es fliesst zu wenig Geld, um den neuen Anforderungen gerecht zu werden.
Rom übt eine gewisse Anziehungskraft für obdachlose MigrantInnen aus, weil man klimamässig nicht nur im Sommer, sondern auch im Winter ohne Haus überleben kann. Es kommen auch viele MigrantInnen/Flüchtlinge aus Süditalien nach Rom. Aber Unterkunft oder Arbeit ist kaum zu finden. Es gibt einige "squatted houses" in Rom.
Das Aufnahme- und Rechtsberatungssystem könnte ohne Freiwilligenarbeit gar nicht funktionieren. Allein in der Caritas Rom arbeiten neben ca. 200 Professionellen rund 1'000 Ehrenamtliche. Ohne eine bessere Kostenverteilung unter den EU-Staaten ist die dramatische Situation kaum zu lösen.
In Italien wird, wie wir unseren verschiedenen Gesprächen entnommen haben, die Flüchtlingsbetreuung fast ausschliesslich von privaten Hilfsorganisationen geleistet, die (teilweise) vom Staat dafür finanzielle Mittel erhalten. Aber das staatliche Geld ist ungenügend und es gibt, so unser Eindruck, auch gewisse Rivalitäten zwischen den Hilfsorganisationen, da die zu geringen Mittel nicht dem Einsatz entsprechend verteilt werden.
Es gibt auch für die Rifugiati mit Aufenthaltsbewilligungen (die meisten haben eine PSub, die alle 3 Jahre erneuertwerden kann) keine minimale Unterstützung, also nicht einmal eine staatliche Nothilfe. Es gibt lediglich eine private Überlebenshilfe- Struktur. Sant’Egidio hat eine Art Führer durch das soziale Rom herausgegeben, in welchem die Flüchtlinge über die vielen Mensen und Esspaketabgabestellen, über Dormitorien, medizinische Hilfe, Rechtsberatungsmöglichkeiten, Kurse, Orte zum Waschen und Duschen und deren Erreichbarkeit informiert werden. Auch wir haben uns bei unseren Recherchen an diesem Führer orientiert. Die Anzahl der Hilfsprojekte allein in Raum von Roms Stadtzentrum ist sehr gross (gegen 50). Aus unseren Gesprächen mit Rifugiati haben wir entnommen, dass ihre eigenen informellen Beziehungsnetze die wichtigste Überlebenshilfe sind. Die afghanischen Flüchtlinge im Park bei der Mensa an der Via delle Sette Sale (fast alle mit PSub) berichteten uns, dass sie gemeinsam auf einem Platz bei den Zuggeleisen übernachteten und auch tagsüber in der Gemeinschaft verbrächten. Alle waren Hazaras. B. kam bereits vor 18 Jahren als 3-jähriges Kind nach Italien. Letztes Jahr reiste er in die Schweiz, stellte ein Asylgesuch und hielt sich rund 2 Monate in einem Asylheim bei Bern auf. Dann wurde er zwecks Ausschaffung nach Italien rund einen Monat in Ausschaffungshaft genommen und von dort aus zurückgeschickt. C ist seit 6 Jahren in Europa, wurde mehrmals nach Deutschland zurückgeschickt, ist jetzt seit 6 Monaten in Italien und lebt nun in einem CARA. Er denkt, dass er eine Aufenthaltsbewilligung bekommen wird. D. spricht sechs Sprachen und konnte zeitweilig als Übersetzer arbeiten. Vom Arbeitsmarkt her gesehen sei Mailand etwas besser, da es dort mehr Fabriken gibt. Die ganze Gruppe isst regelmässig bei der Caritas, erhält dort auch notfalls medizinische Betreuung, hat aber keine Möglichkeit, sich zu duschen oder die Kleider zu waschen – auch nicht Bustickets zu lösen. Eine etwas anders strukturierte Flüchtlingsgemeinschaft lernten wir in der modernen Bauruine ("Palazzo") bei Ananigna kennen. In einem sehr grossen Saal waren unzählige Matratzen mit Decken aufgereiht; die Familien mit Kindern hatten sich mit Tüchern in kleine Schlafzellen abgegrenzt. Einige wohnten aber zu zweit oder zu dritt in eigenen Räumlichkeiten. Wie wir verstanden haben, sind die "Vermieter" fünf Personen, die selber als Flüchtlinge nach Italien gekommen sind. Die Räume im "Palazzo" seien vor drei Jahren übernommen (besetzt?) worden. Die Gemeinschaftsstruktur schien uns aber hierarchisch, da einige besser untergebracht sind als andere. Ethnisch ist die Gemeinschaft etwas durchmischter als die Afghanigruppe. Als wir im Palazzo waren, waren nur wenige Bewohner anwesend. Wir sprachen mit einem Eritreer, einem Äthiopier, aber auch mit zwei Personen aus Ländern südlich der Sahara. Im "Palazzo" hat einer einen hausinternen Laden mit Lebensmitteln für den alltäglichen Bedarf eingerichtet. Es gibt jedoch keine Waschmaschinen, keine Duschen und die sanitären Anlagen sind katastrophal, ähnlich wie in der besetzten Klink in Turin.
Wir trafen dort auch D., der vor zwei Monaten aus der Schweiz zurückgeschoben worden war. Er hatte sich 5 Monate in der Empfangsstelle Basel aufgehalten, wurde von dort aus für einen Tag ins B’Gut-Gefängnis und für einen Tag ins Flughafengefängnis Kloten verbracht und anschliessend mit einer Gruppe anderer Dublin-II-"Fällen" nach Italien ausgeschafft. Über Freunde fand er die Unterkunft im "Palazzo". D. habe eine PSub, sagte er. Sein Kollege E. ist Äthiopier und war vorher in Süditalien, lebte 5 Monate in einem CARA.
Wie wichtig die Gemeinschaft für das Überleben der Rifugiati ist, erlebten wir am Beispiel von P., den wir am Mittwoch Abend mit seinen zwei Plastiksäcken vor dem von der Caritas betriebenen Ostello an der Marsala-Strasse trafen. Er war am Vortag von einer nördlicheren Region, wo er das CARA verlassen musste, nach Rom gereist, und hatte kein Bett im Ostello gefunden. Er trug bloss ein Schreiben von Astalli, aber keinen Aufenthaltsausweis auf sich. Er hatte sichtlich Angst, allein im Freien zu übernachten. Ohne Freunde war er völlig aufgeschmissen, wehrlos. Wir redeten mit den Caritas-Leuten am Eingang des Ostellos, die den Andrang von Obdachlosen (auch Einheimischen) abwehrten. Sie sagten, es gäbe 3'000 Personen, die wie P. in Rom lebten. Sie aber hätten nur 200 Plätze.
Dublin-II-RückkehrerInnen
Der CIR arbeitete bis im März 2008 am Flughafen Fiumicino/Rom, wurde dann von Roten Kreuz abgelöst. Seit dem 1.1.09 hat Arci con Fraternità (Arci c.f) den staatlichen Vertrag für die Flüchtlingsarbeit dort. Arci c.f. erteilt dort legal Assistance. Die VertreterInnen von Arci c.f durften uns keine statistischen Angaben machen. Die Rifugiati, die in Rom/Fiumicino ankommen, werden zuerst von der Polizei in Empfang genommen. Erst nachher gelangt Arci c.f in Kontakt zu ihnen. Diejenigen, die direkt in die CIE geschickt werden, bekommt Arci c.f nicht zu Gesicht. Arci c.f hat jedoch Zugang zum CIE. Einer Broschüre einer CIR-Mitarbeiterin entnehmen wir, dass früher die Kontaktnahme des CIR der Polizeikontrolle vorgelagert war, was als sehr wichtig erachtet wurde, damit die Polizei keine Vorselektion vornehmen und Rifugiati umgehend zurückschicken konnte (siehe Beispiel von Lampedusa). Es kommen mehr "Dubliner" nach Rom/Fiumicino als nach Mailand/Malpensa. CIR und Arci c.f betonten, dass es sehr wichtig sei, dass sich die "Dubliner" nach Fiumicino umgehend bei ihrer Questura melden. Die Questura ist der Ort der Asylgesuchstellung, der Registrierung, der Adressverwaltung (für die Zustellung der Verfahrenskorrespondenz) und der Verlängerung der Aufenthaltsbewilligungen. Viele melden sich jedoch nach ihrer Ankunft nicht bei der Questura und suchen ohne Anmeldung Unterschlupf in den informellen Überlebensstrukturen, sagte Daniela di Rado vom CIR.
Offene Fragen:
Welches sind die Gründe dafür und welches sind die Konsequenzen? Was riskieren
die Rückkehrenden bei ihrem Gang zur Questura? Obwohl die meisten
Organisationen dagen, dass Aufenthaltsbewilligungen in der Regel verlängert
werden, muss davon ausgegangen werden, dass für manche der Betroffenen ein
Risiko besteht, denn viele melden sich nicht bei der Questura. Werden sie
weggeschickt, allenfalls mit der Auflage, Italien binnen 5 Tagen zu verlassen? Wird
ihnen u.U. eine Einreisesperre ausgehändigt? Können Rifugiati mit Einreisesperre für
Italien von einem anderen Schengener Land wieder nach Italien zurückgeschickt
werden?
Die zurückgeschickten Rifiugiati ("Dubliner"), die vor ihrer Ausreise eine Aufenthaltsbewilligung in Italien hatten, verlieren diese gemäss Arci c.fr. durch ein Asylgesuch in einem anderen Land nicht. Auch Asylsuchende, die in Italien ihren Anhörungstermin wegen ihrer Ausreise verpassten, können nach ihrer Rückschaffung einen neuen Termin beantragen. Diese Auskunft von Arci c.f steht im Widerspruch zur Information von Frau Parisi von ASTALLI: Sie sagte, dass diejenigen, die bei der Kommission nicht zur Anhörung erscheinen, definitiv aus dem Asyl-System herausfallen. Auch das behördliche Vademecum für Asylsuchende (Guida alla procedura per il riconoscimento dello status di protezione internationale) betont, dass ein Asylsuchender, der auf den Entscheid wartet, Italien nicht verlassen dürfe. Die Juristin von Caritas Rom jedoch sagte, "Dubliner" ohne abgeschlossenes Asylverfahren, können nach ihrer Rückkehr die Neuaufnahme ihres Asylverfahrens beantragen. Nach einem rechtskräftigen negativen Asylentscheid in Italien kann jedoch kein zweites Asylgesuch gestellt werden (es sei denn, eine erneute Verfolgung im Herkunftsland könne anhängig gemacht werden). Diejenigen, die bereits eine Aufenthaltsbewilligung in Italien haben, müssen kein neues Verfahren durchlaufen.
Offene Fragen:
Von Eritreern habe ich andere – allerdings vage - Auskünfte erhalten. Sie sind
insofern aufschlussreich, als sie ja in Italien in der Regel - einmal im Inland und im
ordentlichen Verfahren – nicht nach Eritrea ausgewiesen werden. Gehört habe ich,
dass "Dubliner" von der Polizei befragt werden, weshalb sie Italien verlassen hätten.
Ihnen würde gesagt, sie hätten Italien binnen 5 Tage zu verlassen. Allerdings weiss
ich nicht, welchen Status solche Eritreer besessen hatten. Ihre Aussagen stehen
jedenfalls teilweise im Widerspruch zu denjenigen der von uns angefragten
Institutionen.
Wie läuft dies in der Schweiz? Wenn ein Asylsuchender während seinem Asylverfahren ausreist, wird er vom Verfahren definitiv ausgeschlossen? Was passiert, wenn er im Rahmen von Dublin-II wieder in die Schweiz zurückgeschickt wird? Was passiert mit seiner B- oder F-Bewilligung, wenn er nach einem Jahr und mehr aus einem Schengener Land in die Schweiz zurückgeschoben wird? Bei "Dublinern", deren Asylgesuch in Italien bereits abgelehnt worden war, gibt es kaum Rechtsmittel für eine Wiederaufnahme eines Verfahrens. Sie gelangen bei einer Rückweisung nach Italien mit grosser Wahrscheinlichkeit nach in ein CIE. Im CIE, dem Identifikations- und Abschiebezentrum leben die Insassen für maximal 30 Tage in Gefangenschaft. Wenn die Abschiebung nicht gelingt, werden sie mit der Auflage entlassen, innerhalb von 5 Tagen Italien zu verlassen. Werden sie erneut aufgegriffen, gelangen sie erneut maximal 30 Tage in ein CIE. Die A’Haft wurde kürzlich mit dem "Pacchetto Siccurezza" von den bisher zwei auf neu 6 Monate verdreifacht. Organisationen haben Zweifel geäussert, wie dies praktisch (und finanziell) bewerkstelligt werden kann: Bereits jetzt sind die CIE überfüllt, und die Haftbedingungen sind prekär.
Arci c.f ist bereit mit uns zusammenzuarbeiten, wenn wir Mandate von "Dublinern" haben, die nach Rom/Fiumicino ausgeschafft werden und wir die rechtliche Hilfe von Arci c.f. brauchen (E-Mail siehe oben), besonders in jenen Fällen, denen der Entscheid erst auf dem Weg zum Flughafen eröffnet worden ist.
Unbegleitete Minderjährige und andere verletzliche Personen
Unbegleitete Minderjährige, wenn sie als solche anerkannt werden, unterstehen nach dem Gesetz einem besonderen Schutz. Sie erhalten einen Beistand (Sozialarbeiter). Sie (und auch die begleiteten Kinder) müssen die Schule besuchen und erhalten besondere Unterstützung. Als verletzliche Personen (Vulnerable) gelten neben den unbegleiteten Minderjährigen schwangere Frauen, Kranke, Betagte, Behinderte, Traumatisierte und von sexueller Gewalt Betroffene.
Doch in der Realität fehlt es an Ressourcen und Räumlichkeiten, um diesen Schutz für alle verletzlichen Personen zu gewährleisten. Kürzlich wurde ein Fall von einem unbegleiteten Minderjährigen bekannt, der im Kanalsystem hauste. Vielleicht, so fragen wir uns, hatte auch er den Behördenkontakt und die Identifizierung vermieden (siehe oben, offene Fragen).
Manchmal werden, gemäss Cecilia Pani, bloss die Mütter mit Kindern in Zentren aufgenommen und der Vater muss sich allein durchschlagen. Eine solche Trennung nehmen Familien oft nicht hin.
Kinder von Asylsuchenden dürfen/müssen die Schule besuchen. Die privaten Hilfsorganisationen versuchen, ergänzende Unterstützung anzubieten, doch sind auch diese Strukturen unzureichend. Es gibt verschiedene Angebote von Hilfsorganisationen für Jugendliche, Frauen und Kinder, die jedoch den Bedarf nur unzureichend abdecken.
Private Hilfsstrukturen
Während die Obdachlosen im schattigen Innenhof auf die Mahlzeit warten, geben im festlich gedeckten Speisesaal die Ehrenamtlichen von Sant'Edigio den neuen jugendlichen Volontären Service-Anweisungen. "Mit der zuvorkommenden Bedienung zeigen wir unseren Gästen unsere Wertschätzung", sagt Cecilia, die uns durch die Mensa und Kursräume führt. Unzählige Freiwillige in Rom verpflichten sich zu regelmässigen Einsätzen im Rahmen privater Organisationen, die mit beschränkten Mitteln versuchen, das Überleben der Obdachlosen zu erleichtern. Unter der internationalen Gästeschaft entdecken wir auch verwahrloste RömerInnen. Centro Astalli (Jesuiten), Sant'Egidio, Caritas Roma (und noch einige weitere private Organisationen) bieten den Rifugiati rechtliche Beratung, Verpflegung, Deutschkurse und andere Dienstleistungen an. Astalli führt auch Unterkünfte für Männer (30 Betten), für Frauen (35 Betten) und für Familien (100 Betten). Sant'Edigio führt ein Haus mit 86 Betten, Küche und Waschgelegenheiten, wo die Obdachlosen, vor allem Familien, einen Monat (oder auch länger) bleiben können. Auch medizinische Versorgung ist garantiert, ebenso für Sans-papiers (die auch verpflegt werden). Sant'Egidio hat eine Waschküche für Kleiderwäsche und Duschmöglichkeiten eingerichtet. In einem als Arztpraxis eingerichteten Raum nebenan bietet ein Arzt seine Dienste unentgeltlich an. Die Verpflegungsarbeit wird mit unzähligen Ehrenamtlichen aufrecht erhalten; die Begegnung mit den MigrantInnen, wie immer auch ihr Aufenthaltsstatus ist, ist sehr respektvoll und offen. Nur deckt das Angebot die Nachfrage bei weitem nicht ab. Die Organisationen erhalten Zuschüsse von der Stadtgemeinde.
Eine wichtige Dienstleistung dieser Hilfswerke ist das zur Verfügungstellen einer Adresse. Wer in einem Asylverfahren ist oder eine Residenza braucht, benötigt eine feste Adresse. Astalli und Sant'Edigio nehmen die Post der bei ihnen Gemeldeten entgegen, die so über eine feste Adresse verfügen. Das System ist ziemlich aufwendig, da die Post sorgefältig sortiert werden muss. Bei Sant'Edigio sahen wir grosse Listen aufgehängt mit der Mitteilung (nach Nummern) wer Post erhalten hat. Die Obdachlosen müssen sich somit regelmässig zu Ihren Organisationen begeben und ihre Post abholen. Es ist wichtig, den "Dublinern" die Adressen dieser Stellen mitzugeben. Allerdings sprechen sie sich auch unter den Rifugiati herum, die sehr gut über alle Angebote Bescheid wissen. Hat ein Zurückgekehrter die Postadresse einer dieser Stellen, kann ihm auch von der Schweiz aus Post nachgeschickt werden.
Rechtsstrukturen
Es gibt ein grosses Netz von RechtsanwältInnen, die Asylsuchenden helfen. Gemäss einigen Auskünften werden die Anwaltskosten für Rekurse im Asylverfahren vom Staat übernommen. Es gibt, gemäss dem Vademecum zwei Rekursinstanzen: Gegen den Entscheid der (Territorial-) Kommission kann innerhalb von 30 Tagen ans "Tribunale" rekurriert werden, und gegen dessen Entscheid kann an den "Corte d’appello" appeliert werden. Danach kann immer noch ein "Ricorso per Cassazione" gemacht werden.
Die "Commissione" (Anhörungskommission) besteht aus einem Vertreter des UNHCR, zwei Vertretern des Innenministeriums sowie einem Gemeindevertreter. Es gibt drei Bewilligungsarten:
- Status als "Rifugiati" – 5 Jahre gültiger Ausweis, wird problemlos verlängert
- Status "di protezzione sussidaria" – Dauer: 3 Jahre
- Status "permesso di soggiorno per motivi umanitari" – Dauer 1 Jahr
Während des Asylverfahrens besitzen die Asylsuchenden eine temporäre Aufenthaltsbewilligung. Wer nach 6 Monaten keinen Entscheid erhalten hat, soll für weitere sechs Monate eine temporäre Bewilligung erhalten (siehe Vademecum).
Die Erneuerung des Aufenthaltsstatus ist schwierig, vor allem für die humanitär und temporär Aufgenommenen. Eine solche Erneuerung kann zwei Jahre und mehr dauern, und es liegt in der Entscheidungskompetenz der Questura, ob die humanitäre Bewilligung (nach einem Jahr) erneuert wird. Bei den P.Sub ist die Kommissionsempfehlung bindend.
Wer einen rechtskräftigen negativen Entscheid bekommt, erhält 5 Tage Zeit, um Italien zu verlassen. Die aufschiebende Wirkung der Beschwerden ist an Bedingungen geknüpft. Bei Straffälligkeit beispielsweise wird keine aufschiebende Wirkung gewährt.