von Peio M. Aierbe, Redakteur der in San Sebastiàn/Donstia erscheinenden Zeitschrift "Mugak"
Im Herbst 2005 begannen viele BürgerInnen Europas zu verstehen, worum es tatsächlich geht, wenn offiziell die Rede ist von der "Kontrolle der Migrationsströme aus Afrika im Bereich der Meerenge von Gibraltar". Die offiziellen Verlautbarungen präsentieren die angebliche Abschirmung der Grenzen durch das Integrierte Überwachungssystem SIVE, das scheinbar völlig schmerzfrei den Zugang nicht erwünschter Einwanderer verhindere. In die technische Ausgestaltung dieses Systems mit akustischen Sensoren, Videound Infrarotkameras etc. wurden seit 2003 insgesamt 113 Millionen Euro investiert (2003: 29 Mio., 2004: 32 Mio., 2005: 52 Mio Euro). Das verharmlosende Bild ist in seine Einzelteile zersprungen.
An seine Stelle sind Bilder und Nachrichten ganz anderer Art getreten:
- afrikanische Menschen, die versuchten, die Sperrgürtel rund um Ceuta und Melilla zu überwinden und dabei im Stacheldraht der Zäune hängen blieben - Zäunen, die jenen gleichen, die die Konzentrationslager umgaben, an die sich Europa mit Trauer erinnert.
- der Aufmarsch spanischer und marokkanischer Truppen an diesen Zäunen
- Tote und Verletzte, die der Einsatz dieser Truppen hinterliess (fünf Erschossene in Ceuta am 2. Oktober, weitere sechs in Melilla vier Tage später, zusätzlich zahlreiche Personen mit Schuss- und anderen Verletzungen)
- die Übergabe Dutzender Personen, darunter politische Flüchtlinge, von Spanien an Marokko
- der Versuch der marokkanischen Behörden, sich dieser Personen zu entledigen, sie in der Wüste auszusetzen, wo viele von ihnen den Tod gefunden haben dürften.
Die Bilder und Nachrichten haben den Kern der Politik, die Spanien und die EU auf diesem Gebiet praktizieren, auf brutale aber klare Art und Weise offen gelegt: Die Verhinderung des Zugangs nach Europa, die Abschottung der Grenzen, bringt Leid, Ungerechtigkeit, Gewalt, den Tod von Tausenden und Abertausenden von Personen. Der gerade veröffentlichte Bericht der andalusischen Menschenrechtsvereinigung "APDHA" über die klandestine Einwanderung (siehe unter www.apdha.org) dokumentiert, dass im Jahre 2005 mindestens 368 Menschen beim Versuch gestorben sind, die spanischen Küsten in Booten zu erreichen. Die Dunkelziffer dürfte bei etwa 700 Toten liegen.
Europa von links unten (3) - Mugak
SOS Rassismus im Baskenland
"Mugak", das baskische Wort für Grenzen, ist gleichzeitig der Titel einer Zeitschrift und der Name des Studien- und Dokumentationszentrums über Einwanderung, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, in dem diese Zeitschrift produziert wird. Hinter beiden steht die Organisation SOS Rassismus im Baskenland. Die Zeitschrift erscheint seit mittlerweile zehn Jahren jeweils vierteljährlich und kostet im Jahresabonnement 19 Euro (22 Euro für Institutionen). In einigen Monaten soll ihr Inhalt auch auf dem Internet abrufbar sein.
Das Zentrum führt eine umfangreiche, seriös katalogisierte bibliographische Dokumentation. In der eigenen Bibliothek finden sich neben Zeitschriften und Videos rund tausend Bücher. Mit Seminaren, Vorträgen, Ausstellungen, Film- und Diskussionsabenden betreibt das Zentrum eine Sensibilisierungsarbeit. Sein "Observatorium der Unterschiedlichkeit" analysiert das Bild, das die Medien über die eingewanderte Bevölkerung verbreiten. Das seit 1995 betriebene Pressearchiv ist die Grundlage einer täglichen Presseschau (in Spanisch), die via Internet an alle Interessierten verbreitet wird.
Mugak, Peña y Goñy, 13 - 1º E - 20002 Donostia/San Sebastian, Tel: 0034-943-32 18 11, E-Mail; Webadresse (derzeit nur in baskisch, in einigen Monaten auch spanisch): www.mugak.eu