In seiner Oktober-Ausgabe dokumentiert die linke Gewerkschaftszeitung «Express» ein Papier von Hamburger Betriebsräten der Industriegewerkschaft Bauen – Agrar – Umwelt (IG BAU). Sie kritisieren die von ihrer Gewerkschaft im Frühjahr gestartete Kampagne «Ohne Regeln geht es nicht». Gemeinsam mit Polizei und Zollfahndung macht die IG BAU vermehrt Baustellenkontrollen, zudem lädt eine telefonische Hotline zur Denunziation illegaler Beschäftigung ein. Diese Strategie halten die Hamburger Kollegen für ein Armutszeugnis: Die Gewerkschaft fordere ihre Mitglieder zur Denunziation auf und organisiere dann, «dass die – in der Regel ausländischen – Opfer skrupelloser Unternehmer vor den Augen der – in der Regel deutschen – Legalen abgeführt werden. ‚Ausländer raus’ braucht da nicht mehr ausgesprochen zu werden: Für jene Kollegen sind wir nur der verlängerte Arm der Strafverfolgungsbehörden und damit zurecht: Gegner.» Betrug gemeinsam bekämpfen
Die Zusammenarbeit mit Polizei, Zoll, Arbeitsämtern und Ausländerbehörden sei darüber hinaus erfolglos: 130 Millionen Euro Bussgelder, die etwa im Jahr 2000 verhängt wurden, seien gemessen an den Gewinnen aus Lohndumping-Geschäften lächerlich, die meisten dieser Bussen hätten ausserdem die Arbeitnehmer zahlen müssen. Parallel zur Zahl der Razzien sei in den vergangenen Jahren auch der Dumpinglohn-Sektor gewachsen. Allerdings hätten cirka neunzig Prozent der Dumpinglohn-Arbeitsverhältnisse einen legalen Anstrich und seien damit razzienresistent: «Der klassische Betrug: Die KollegInnen erhalten für 40 Stunden wöchentlich den gesetzlichen Mindestlohn, arbeiten aber tatsächlich 65 Stunden.»
Gegen diese Form des Betrugs komme man nur gemeinsam mit den Betroffenen an. Die kritischen Hamburger Bau-Gewerkschafter fordern deshalb Alternativen zur bisherigen Strategie. «Die von den Mitgliedern her grösste Baugewerkschaft der Welt kennt zwar sämtliche Telefonnummern aller Strafverfolgungsbehörden, hat aber bis 2003 keinen einzigen qualitativen Versuch unternommen, mit den Kollegen zu arbeiten und zu kämpfen.» Wie dies gehen kann, hätten jüngste Beispiele in Hamburg und Berlin, aber auch der Bau-Arbeitskampf 2002 gezeigt, bei dem insbesondere polnische und portugiesische Arbeiter die gewerkschaftlichen Forderungen unterstützt hätten.
Kontakt zu ausländischen KollegInnen
Statt Kontakte zu Polizei und Behörden brauche es konkrete Mittel, um die Verbindung mit den ausländischen KollegInnen herzustellen: «Wir brauchen Broschüren, Flyer, Dolmetscher jeder Bau-Sprache, und wir brauchen die Rückendeckung unserer Gewerkschaft. (…) Wir fordern regelmässige, aggressive Kampagnen gegen die bekanntesten Dumping-Betriebe zum Zwecke der Rufschädigung und Schliessung. Es wäre ein schlechter Scherz, wenn eine der grössten Baugewerkschaften der Welt nicht einzelne Unternehmen vom Markt kämpfen könnte.»
Heiner Busch
Weiteres zur Diskussion in der IG BAU unter: www.labournet.de