Im Sommer vor zwei Jahren sah ich am Fernsehen die Fribourger Bewegung der Sans-papiers. Ich sagte mir, das müsse es in Basel bestimmt auch geben. So machte ich mich auf die Suche. Und wer sucht, der findet. Ich entdeckte ein Interview in der Wochenzeitung WoZ, in welchem angekündigt wurde, dass es in Basel bald auch eine solche Gruppe geben werde. Ich suchte weiter und stiess endlich auf eine kleine Gruppe von Engagierten in Basel. Nach einer Woche fanden die ersten Sitzungen statt; immer mehr Sans-papiers und UnterstützerInnen stiessen dazu. Dann zogen wir in die Antonius-Kirche ein, es waren viele Leute da, auch Medienvertreter; ich fasste grossen Mut. «Ist es wirklich wahr?»
Bis die Behörden mir zusagten, dass ich und meine Frau legal in der Schweiz bleiben durften, ging es dann trotzdem ein ganzes Jahr. Zuerst wurden 60 anonymisierte Dossiers – darunter auch meines – eingereicht. Später machte ich eine namentliche Eingabe im Kanton Solothurn. Reto, der unser Dossier geschrieben hat, ist ein sehr naher Freund geworden. Gute Freunde sind auch die anderen Komitee-Miglieder. Grossartig finde ich meine Sans-papiers-Kollegen, die unter grossen Risiken beharrlich mitgekämpft haben. Sie alle hätten eine Aufenthaltsbewilligung mehr als verdient, doch ist sie ihnen bisher mehrheitlich versagt geblieben. Es ist schade, dass die Kriterien so eng sind. Die vorausgesetzten Aufenthaltsjahre müssten erheblich reduziert werden. Unsere Arbeit und unsere zahlreichen Freundschaftsdienste werden von SchweizerInnen sehr geschätzt.
Als mich die Kantonsrätin, Fatma Tekol, die mein Dossier eingereicht hatte, anrief, um mir den positiven Entscheid mitzuteilen, war ich gerade im Bus. Ich musste vor Freude schreien und stieg sofort aus. Aus der nächsten Telefonkabine rief ich sie zurück und fragte: Ist es wirklich wahr? Mit diesem Entscheid öffnet sich für uns die Zukunft: für meine Frau, die als Chemikerin über all die Jahre als Putzfrau arbeiten musste; für mich, der als Elektriker und Stadtmensch seit vielen Jahren bei einem Bauern arbeitete.
Die permanente Angst
Als Sans-papiers wohnten wir eine Zeitlang in einem kleinen Dorf. Alle kannten uns, wir hatten ein sehr gutes Verhältnis zur Dorfbevölkerung, aber sie wusste nicht, dass wir Sans-papiers waren. Eine unerträglichen Vorstellung plagte mich: Eines Tages käme die Polizei ins Dorf und fragte nach uns, ich sässe auf dem Traktor und dann führte sie uns wie Kriminelle in Handschellen ab. Meine Frau litt unter panischer Angst vor einer Polizeikontrolle. Als wir in einer Kleinstadt wohnten, verteilte die Polizei auf dem Parkplatz vor unserem Wohnblock Parkbussen. Meine Frau, die den Vorgang hinter dem Vorhang verfolgte, war noch völlig ausser sich vor Angst, als ich spät abends nach Hause kam.
Das gute Verhältnis zu unserer Umgebung stellte uns auch vor Probleme. Die Leute stellten mit ihrer freundlichen Anteilnahme Fragen, die wir nicht beantworten konnten. Sie wollten zum Beispiel wissen: «Wo arbeitest Du, wieso arbeitest Du so lange, wieso nimmst Du Dir mit Deinen Fähigkeiten nicht eine andere Arbeit?» Als unsere Papierlosigkeit wegen des Umweltabos für den öffentlichen Verkehr aufflog, mussten wir unsere Wohnung fluchtartig verlassen. Unsere Nachbarn verstanden überhaupt nicht, weshalb wir auszogen, und fragten: «Ihr seid so gute Nachbarn, wieso geht Ihr denn?»
Sobald wir unseren Ausweis haben, können wir endlich, nach über sieben Jahren, meinen kranken Vater in der Heimat besuchen. Er hat vor drei Monaten einen Hirnschlag erlitten.
Viroslav