Drei Monate lagen spanische Erdbeeren im Angebot der hiesigen Supermärkte, meist als Aktionsangebot: 3.20 für eine 500-Gramm Schale. Jetzt werden sie von den einheimischen verdrängt. Das hat direkte Konsequenzen im spanischen Anbaugebiet. In der Region Huelva in Andalusien, woher praktisch die gesamte spanische Erbeerproduktion stammt, werden daher die 7'000 ha Anbaufläche umgepflügt, obwohl die Pflanzen noch voll reifer Früchte sind. Der Verkauf rentiert nicht mehr. Damit endet auch die dreimonatige Anstellung der 22'000 ErntearbeiterInnen aus Osteuropa. Sie sind verpflichtet, Spanien unverzüglich zu verlassen. Ihr Traum, etwas Geld für die Familie oder das Studium nach Hause zu bringen, erfüllt sich kaum. Die spanischen und portugiesischen ArbeiterInnen ziehen weiter zur Feldarbeit in andere Landesteile. Schwierig wird es für die vielen papierlosen Tagelöhner aus dem Maghreb und Westafrika, in kleinem Masse auch Lateinamerika.
400 Kilometer östlich in der Region Almería erstreckt sich über 320 Quadratkilometer das Plastikmeer der Gewächshäuser für europäisches Wintergemüse: Tomaten, Peperoni, Zucchini. Ab Februar geht es hier weniger geschäftig zu und her. Die Pflanzen des Wintergemüses werden durch Melonen ersetzt, mit denen die Spanier wieder die ersten auf dem Markt sein werden. Die Melonen wachsen fast von alleine, es gibt keine Arbeit mehr. Die Papierlosen von Almería wissen nicht mehr, wovon sie leben sollen. Sie sind übers Meer gekommen und haben für die Reise viel bezahlt; 1800 Euro für Bamako Almería einfach. "Mein Dorf hat dafür zusammengelegt. Ich kann nur zurück, wenn ich Erfolg habe, oder wenn ich sterbe", sagt der junge Student aus Mali.
Jetzt leben sie in Plastikhütten, die sie aus Abfällen der Gewächshäuser herstellen oder in überbelegten und überbezahlten Zimmern unter unmenschlichen Bedingungen. Die wenigsten bekommen eine feste Anstellung bei einem Gemüseproduzenten. Sie müssen froh sein, hin und wieder Arbeit für einen Tag oder einige Stunden zu erhalten.
Trotz "Normalisierung": Illegale bleiben illegal
Die von den grossen europäischen Vermarktungsketten - für die Schweiz Migros und Coop, bald Aldi - beherrschte Agrarproduktion in Südspanien kann ohne billigste Arbeitskräfte (aktueller Lohn höchstens 30 Euro für einen Achtstundentag) und damit Papierlose nicht auskommen. Die kapitalistische Landwirtschaft produziert so die "illegale Immigration". Die spanische Regierung führt aktuell eine "Normalisierung " durch. Papierlose ImmigrantInnen können sich nach bestimmten Kriterien regularisieren lassen. 700'000 Anträge wurden in ganz Spanien bis am 7. Mai gestellt, allerdings wurde diese Zahl erst in den letzten Tagen erreicht, als die Bestimmung fallengelassen wurde, wonach die Antragstellenden seit mindestens einem halben Jahr in einer Gemeinde registriert sein mussten. Grösstes Hindernis für eine umfassende Regularisierung ist jedoch, dass ein gültiger Arbeitsvertrag vorliegen muss. Eine Normalisierung des Aufenthaltsstatus hängt damit vollständig vom Arbeitgeber ab. Die grosse Mehrheit der Papierlosen von Almería und Huelva kann keiner der beiden Bestimmungen erfüllen. Sie werden "Illegale" bleiben, jederzeit bereit, als Arbeitskräftereserve die Nachfrage der ungezügelten Warenproduktion zu erfüllen.
Urs Sekinger
Urs Sekinger nahm als SOLIFONDS-Koordinator und Präsident vpod-ngo anfangs März an einer Delegation des Europäischen BürgerInnenforums nach Andalusien teil. Neben der Information demonstrierte die Delegation ihre Solidarität mit der Landarbeitergewerkschaft SOC, die sich für die Papierlosen einsetzt und gegen den Rassismus ankämpft. Das Europäische BürgerInnenforum hat eine dringliche Unterstützungskampagne für den SOC lanciert: Europäisches BürgerInnenforum / C.E.D.R.I. Postfach, 4004 Basel; Tel.: 061/262 01 11 www.forumcivique.org; Konto: PC 40-8523-5