Wenn Migrantinnen sich von ihrem gewalttätigen Ehemann trennen, gefährden sie ihre Existenz in der Schweiz. Seit Jahren setzen sich Frauen- und Migrantinnenorganisationen dafür ein, dass Migrantinnen sich schützen können, ohne ihr Aufenthaltsrecht verlieren. Der Entwurf zum neuen AusländerInnengesetz (AuG) droht diese Bemühungen zunichte zu machen. Auch die im Entwurf festgeschriebenen Verbesserungen für Opfer von Frauenhandel werden kaum zum Tragen kommen.
Migrantinnen, die sich in den ersten fünf Jahren der Ehe mit einem Schweizer scheiden lassen, verlieren ihr Aufenthaltsrecht. Dies ist seit 1992 Fakt: Mit dem Inkrafttreten des neuen Bürgerrechtsgesetzes erhalten ausländische Ehefrauen von Schweizer Männern nicht mehr automatisch das Schweizer Bürgerrecht. Noch schlechter ist die Situation von Migrantinnen, die mit Migranten verheiratet sind: Sie riskieren schon bei getrennten Wohnsitz ihr Aufenthaltsrecht.
Rechte für Migrantinnen: Chronologie eines Hindernislaufs
Gestützt auf einen breiten Konsens von Frauenorganisationen reichte Nationalrätin Christine Goll im Dezember 1996 eine parlamentarische Initiative unter dem Titel "Rechte für Migrantinnen" ein. Diese forderte ein zivilstandsunabhängiges Aufenthaltsrecht für Migrantinnen. Das Lobbying für den Vorstoss übernahmen verschiedene Frauen- und Migrantinnenorganisationen. Die beteiligten Frauen kontaktierten persönlich Nationalrätinnen und Nationalräte der verschiedenen Parteien. Dies hatte zur Folge, dass die Initiative im Nationalrat mehrheitlich Unterstützung fand.
Die Initiative wurde zur Prüfung der Staatspolitischen Kommission des Nationalrats vorgelegt, die im November 1997 darüber beriet. Die Mehrheit der Kommission unterstützte die Initiative. Am 9. März 1998 wurde die Initiative im Nationalrat behandelt und mit einer 2/3-Mehrheit überwiesen. Die Staatspolitische Kommission erarbeitete in der Folge einen Gesetzesentwurf, der am 7. Juni 1999 im Nationalrat debattiert und gutgeheissen wurde. Entscheidend dafür war die Einsicht, dass es eine gesetzliche Regelung braucht, damit eine von Gewalt betroffene Ehefrau sich trennen oder scheiden lassen kann, ohne die Wegweisung durch die kantonale Fremdenpolizei (bzw. das Migrationsamt) befürchten zu müssen. Der Gesetzesentwurf nahm zwar die Forderung nach einem zivilstandsunabhängigen Aufenthaltsrecht für Migrantinnen nicht auf, schlug aber doch einige Verbesserungen vor. So sah er eine Gleichstellung von ausländischen EhegattInnen von niedergelassenen AusländerInnen mit ausländischen EhegattInnen von SchweizerInnen vor, in beiden Fällen sollte auch bei Aufgabe des gemeinsamen Wohnsitzes weiterhin ein gesichertes Aufenthaltsrecht bestehen. Weiter schlug der Gesetzesentwurf eine Härtefallregelung nach Auflösung der Ehe vor, bei der besonders berücksichtigt werden sollte, wenn eine Frau von Gewalt in der Ehe betroffen ist. Ebenso schrieb er aber eine Verstärkung der "Missbrauchsbekämpfung" fest.
Der Ständerat trat nicht auf die Vorlage ein, sondern wollte sie erst in der Revision des AusländerInnengesetzes (AuG) diskutiert haben. Bundesrätin Ruth Metzler erklärte am 12. Juni 2001 vor dem Ständerat, dass die Grundanliegen der Initiative Goll im Entwurf zum neuen AuG aufgenommen worden seien.
Verschärfung statt Besserstellung
Das Gegenteil ist jedoch der Fall: Statt eine Verbesserung für Migrantinnen zu bewirken, gibt es im AuG-Entwurf eine Angleichung nach unten. Nun sind nicht nur mit einem Ausländer verheiratete Migrantinnen bei getrenntem Wohnsitz vom Verlust der Aufenthaltsbewilligung bedroht, sondern auch Ehefrauen von Schweizern. Damit begünstigt der Gesetzgeber häusliche Gewalt, statt die Opfer zu schützen. Einzig davon ausgenommen sind EhepartnerInnen von EU-BürgerInnen. Dies führt zu der absurden Situation, dass SchweizerInnen gegenüber EU-Angehörigen schlechter gestellt sind.
Vom Gesetzesentwurf der Staatspolitischen Kommission übernommen wurde jedoch der Missbrauchsverdacht. So schlägt der AuG-Entwurf eine Veränderung im Zivilgesetzbuch vor, die es ZivistandsbeamtInnen ermöglicht, Eheschliessungen zu verweigern, wenn diese "offensichtlich keine eheliche Gemeinschaft" eingehen wollten. Wie dies festgestellt werden soll, ist jedoch schleierhaft und stellt einen Eingriff ins Privatleben dar. Dies verstösst gegen die Europäische Menschenrechtskonvention.
Schutzprogramm für Betroffene von Frauenhandel
Im März 2000 hat das FIZ dem Bundesrat eine Petition für ein Schutzprogramm für Betroffene von Frauenhandel mit über 7'500 Unterschriften überreicht. Zur selben Zeit brachte Ruth-Gaby Vermot-Mangold eine gleichlautende Motion im Nationalrat ein. Daraufhin setzte der Bundesrat eine interdepartementale Arbeitsgruppe ein, die Massnahmen zum verbesserten Schutz der Opfer von Frauenhandel prüfte. Ihr Bericht wurde im Mai 2002 veröffentlicht, einige der FIZ-Forderungen sind darin berücksichtigt. Um tatsächlich Schutz und Sicherheit der von Frauenhandel betroffenen Frauen zu erreichen, braucht es jedoch weitergehende Veränderungen. Zum Beispiel die Schaffung einer professionellen Beratungsstelle für Opfer von Frauenhandel.
Im Entwurf zum AuG wird Betroffenen von Frauenhandel eine Aufenthaltsmöglichkeit eingeräumt – allerdings handelt es sich lediglich um eine Kann-Bestimmung. Ein Rechtsanspruch auf Aufenthalt besteht nicht. Um den Teufelskreis von Kriminalisierung der Opfer und geringer Verfolgung der Täter zu durchbrechen, ist jedoch ein effektiver Schutz der Opfer notwendig. Nur ein Aufenthaltsrecht schafft die notwendigen Bedingungen, damit die Opfer aussagen können und die Täter zur Verantwortung gezogen werden (siehe auch Bericht des Bundesamtes für Justiz: Menschenhandel in der Schweiz, September 2001, Bern.)
Die Botschaft des Bundesrats zum AuG-Entwurf schränkt die Bestimmung auf unverantwortliche Weise ein: Sie legt fest, dass kein Menschenhandel vorliege, "wenn die Vermittlung im Einverständnis mit der betroffenen Person erfolgt oder bei Personen, die für die illegale Einreise die Hilfe eines Schleppers beanspruchen". Zum Einverständnis: Ein Bundesgerichtsurteil vom April 2002 (Urteil 6S.452/2001, 29.4.02.) hält fest, dass bei ökonomischen Notlagen nicht von "Freiwilligkeit" ausgegangen werden kann. Der Tatbestand des Menschenhandels ist auch dann erfüllt, wenn eine Prostituierte ihrer Arbeit vordergründig freiwillig nachgegangen ist. Entscheidend ist, ob bewusst von der Armut der Betroffenen profitiert wurde.
Die Einschränkung der illegalen Einreise macht den Gesetzesartikel obsolet. Fast alle Frauen, die im Rahmen des Frauenhandels illegal in die Schweiz kommen, werden mit Hilfe eines Schleppers in die Schweiz eingeschleust – in vielen Fällen sind die Händler selbst die Schlepper. Würde dieser Zusatz rechtskräftig, würde der ganze Artikel zum Schutz von Opfern von Menschenhandel unwirksam.
Katja Schurter
FIZ Fraueninformationszentrum für Frauen aus Afrika, Asien, Lateinamerika und Osteuropa