Zwang zum Verbleib beim Ehemann
Laut Entwurf zum neuen AusländerInnengesetz (AuG) sollen Migrantinnen aus Nicht-EU-Ländern nur solange ein Aufenthaltsrecht haben, als sie mit diesem zusammenleben. Frauen, die sich von einem gewalttätigen Ehemann trennen, verlieren in den ersten fünf Jahren ihr Aufenthaltsrecht in der Schweiz. Diese Regelung gilt bereits heute für mit einem Ausländer verheiratete Migrantinnen. Neu soll sie nun für alle Migrantinnen gelten – ausser für Ehefrauen von EU-Bürgern. Die sinnlose Willkür trifft nun auch SchweizerInnen: Sie würden mit dieser Regelung gegenüber EU-BürgerInnen schlechter gestellt.
Dies obwohl die Initiative von Christine Goll "Rechte für Migrantinnen" zweimal im Nationalrat in den Grundzügen gutgeheissen wurde. Die Initiative forderte unter anderem, dass der Zwang zum Zusammenwohnen für alle MigrantInnen fallen gelassen werden muss. Welche gravierenden Auswirkungen der Zwang zum Zusammenwohnen auf Migrantinnen hat, möchte ich anhand von Beispielen einiger Frauen, die das FIZ aufgesucht haben, verdeutlichen.
Frau B., eine so genannte "Drittausländerin" – wie sie im Begleitbericht zum AuG-Entwurf bezeichnet wird –, ist seit zwei Jahren mit einem Schweizer verheiratet. Sie besitzt eine Jahresbewilligung B, arbeitet in einem Spital und kommt seit sechs Monaten für die Familie auf, weil ihr Schweizer Ehemann arbeitslos ist. Nun will er sich scheiden lassen, weil er eine neue Freundin hat. Ihr Aufenthalt ist bedroht, bei einer Scheidung müsste sie die Schweiz verlassen. Falls sie sich weigert, sich scheiden zu lassen und sich das Paar vorerst trennt, kann es sein, dass die Fremdenpolizei ihr vorwirft, an einer Trennung festzuhalten statt in eine Scheidung einzuwilligen, um eine Bewilligung zu ertrotzen. Frau K. ist acht Monate mit einem Schweizer verheiratet. Das Ehepaar stritt sich, weil Frau K. nicht allen Wünschen ihres Ehemannes nachkam. Weil er unzufrieden war mit ihr, verschleppte er sie mit Hilfe seiner Verwandten mit dem Auto zu ihrer Schwester, die in einem anderen Kanton lebt. Daraufhin meldete er sie von der Gemeinde ab, in der sie mit ihm zusammenlebte. Auf Aufforderung der Einwohnerkontrolle meldete sie sich an ihrem neuen Wohnort an. Nun ist ihr Aufenthaltsrecht bedroht, weil sie von ihrem Mann getrennt lebt.
Erschwerter Familiennachzug
Der AuG-Entwurf schreibt gesetzlich fest, dass Familiennachzug für Migrantinnen aus Nicht-EU-Staaten nur erlaubt sein soll, wenn Einkommen und Wohnung „angemessen“ sind. Sozialhilfe-EmpfängerInnen haben keine Chance, ihre Familie in die Schweiz zu holen. Ausserdem bestimmt der Entwurf zum AuG, dass neu der Familiennachzug innerhalb von fünf Jahren vollzogen sein muss, sonst erlischt der Anspruch. Für viele Migrantinnen ist es jedoch nicht möglich, innerhalb von fünf Jahren genug zu verdienen, um eine angemessene Wohnung zu erstehen und ihre Familienangehörigen unterhalten zu können.
Frau K. ist seit fünf Jahren mit einem Schweizer verheiratet. Sie haben ein kleines Kind. Frau K. arbeitet Teilzeit als Putzfrau, ihr Mann ist Mechaniker. Sie sind sparsam und hoffen, in ein bis zwei Jahre ihren Sohn aus erster Ehe, der noch immer in ihrem Herkunftsland lebt, zu sich zu nehmen. Bis jetzt hat das Geld dazu nicht gereicht. Nach neuem AuG könnte Frau K. ihr Kind nicht mehr in die Schweiz holen.
Berufswechsel verboten
Der AuG-Entwurf hält an der zweckgebundenen Kurzaufenthaltsbewilligung für Cabaret-Tänzerinnen fest. Dies bedeutet, dass ihre Aufenthaltsbewilligung an diese Arbeit gebunden ist. Sie dürfen den Beruf in keinem Fall wechseln. Was dies für Cabaret-Tänzerinnen heissen kann, zeigt das Beispiel von Frau L. Frau L. ist Cabaret-Tänzerin. Sie hatte einen Unfall und war deshalb drei Wochen arbeitsunfähig. Da sie erst sechs Tage gearbeitet hatte, erhielt sie nach allen Abzügen keinen Lohn mehr, sondern hatte stattdessen Schulden. Das Taggeld, das ihr zugestanden hätte, erhielt sie nicht, da der Cabaret-Besitzer sich weigerte, den Unfall zu melden. Frau L. möchte eine andere Stelle mit normaler Arbeitzeit, um sich zu erholen. Sie darf jedoch nur als Tänzerin in der Schweiz arbeiten, sonst muss sie das Land verlassen. Mit diesem Verbot des Berufswechsels für Tänzerinnen garantiert der Staat den Nachschub an Frauen für die Sexindustrie, ohne ihre Leistungen anzuerkennen und ihnen die Möglichkeit auf eine längerfristige Lebensperspektive in der Schweiz einzuräumen.
Der Entwurf zum AuG ist von Abschottungsgedanken und Missbrauchsverdacht gegen MigrantInnen geprägt. Migrantinnen sind gezwungen bei ihrem gewalttätigen Ehemänner zu verbleiben, wollen sie nicht ihre Aufenthaltsbewilligung aufs Spiel setzen. Statt die Menschenwürde von MigrantInnen zu respektieren, richtet sich die Migrationspolitik allein nach den Bedürfnissen der Schweizer Wirtschaft. MigrantInnen aus Nicht-EU-Ländern haben wenig Rechte, sind Willkür und Ausbeutung ausgesetzt und werden vom schweizerischen Gesetz diskriminiert.
Srismorn Meyer
FIZ Fraueninformationszentrum für Frauen aus Afrika, Asien, Lateinamerika und Osteuropa